Stand: 23.06.2015 21:35 Uhr

Ramis Flucht - FAQ

1. Warum kann Rami als Syrer nicht auf legalem Weg, z.B. über ein Touristenvisum nach Deutschland fliegen?

Syrer können momentan wenn überhaupt nur in die Türkei und den Libanon reisen, für andere Länder bekommen sie kein Visum. Denn die meisten Staaten, so auch Deutschland, gehen davon aus, dass syrische Staatsangehörige aufgrund des Bürgerkrieges nicht in ihre Heimat zurückkehren werden. Zudem hat das Assad-Regime kein Interesse an einer Ausreise wehrfähiger Männer oder gut ausgebildeter Menschen. Wer in einer vom Bürgerkrieg direkt betroffenen Region lebt, kann außerdem in der Regel gar nicht auf normalem Wege reisen, sondern muss unter Lebensgefahr flüchten.

2. Wie viele syrische Flüchtlinge gibt es?

Laut Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) sind mehr als vier Millionen Syrer seit Beginn des Bürgerkrieges geflüchtet. Hinzu kommen diejenigen, die innerhalb Syriens aus ihren Häusern oder Städten vertrieben wurden – ohne das Land zu verlassen oder verlassen zu können. Die Anzahl derjenigen, die sich nicht mehr dort aufhalten (können), wo sie zu Beginn des Konflikts lebten (sogenannte "displaced persons"), beläuft sich laut UNHCR auf insgesamt 11,59 Millionen Menschen.

3. Wie ist die Situation von Flüchtlingen in den Nachbarländern Syriens, insbesondere in der Türkei?

Von den etwa vier Millionen Flüchtlingen befinden sich ca. 3,75 Millionen in den unmittelbaren Nachbarländern Syriens, in der Türkei (ca. 1,75 Millionen), im Libanon (ca. 1,15 Millionen), Jordanien (ca. 0,6 Millionen) und im Irak (0,25 Millionen). Viele leben in Zeltstädten und Flüchtlingslagern in Grenzregionen zu Syrien. Ihre Situation und ihr Aufenthaltsstatus bleibt in vielen dieser Länder prekär: Laut UNHCR stehen nur rund 20 Prozent der benötigten Gelder für die Versorgung tatsächlich zur Verfügung. Benötigt würden 4,5 Milliarden US-Dollar, tatsächlich bereitgestellt wurden von den Mitgliedsstaaten bislang nur gut 900 Millionen.

Die Türkei hat mit 1,75 Millionen Menschen die mit Abstand größte Zahl syrischer Flüchtlinge aufgenommen. Rund 30 Prozent von ihnen leben in 22 Flüchtlingslagern nahe der syrisch-türkischen Grenze. Der Rest versucht sich in türkischen Städten und Gemeinden irgendwie durchzuschlagen. Die Türkei hatte allein bis 2013 bereits 1,6 Milliarden Euro für die Versorgung der Flüchtlinge aufgewendet. Die türkische Regierung gewährt den Flüchtlingen einen "zeitlich begrenzten" Schutz, verweigert allerdings weitgehend die dauerhafte Anerkennung und Einbürgerung. Dennoch bemühen sich viele Syrer um eine türkische Staatsbürgerschaft.

4. Warum sind vor allem junge Männer unterwegs?

Das stimmt so nicht. Laut UNHCR sind etwas mehr als die Hälfte der Flüchtlinge weiblich und ebenfalls knapp über 50 Prozent sind unter 18 Jahre alt. Oftmals versuchen jedoch junge Männer über die gefährlichen Routen nach Europa zu gelangen, um ihre Familien nachzuholen, sobald sie politisches Asyl bekommen haben.

5. Wie teuer ist eine Flucht und wie finanzieren Flüchtlinge das?

Rami hat etwa 13.000 Euro bezahlt. Viele Flüchtlinge nehmen all ihr Erspartes mit auf den Weg und tragen große Summen Bargeld bei sich. Andere lassen sich mithilfe von Zahlungsdiensten wie Western Union immer wieder neue Summen von ihren Familien an ihre jeweiligen Aufenthaltsorte schicken.

6. Wie finden Flüchtlinge ihre Schleuser?

In Städten, in denen sich viele Flüchtlinge aufhalten, spricht sich schnell rum, wo man einen Schleuser finden kann. Am Omonia-Platz in Athen zum Beispiel gibt es arabische Cafés, die als Anlaufstelle für Flüchtlinge bekannt sind. Außerdem werden Erfahrungen, Empfehlungen und Telefonnummern unter Flüchtlingen und Exilanten, die es bereits geschafft haben, ausgetauscht. In einigen Städten wie dem türkischen Mersin ist zudem ein ganzes Netzwerk von Schleusern und Flüchtlingshelfern entstanden, die sich um die Vermittlung von Wohnungen, Transportgelegenheiten und falschen Papieren kümmern – gegen die Bezahlung hoher Summen.

7. Warum bleiben die Flüchtlinge nicht in der Türkei oder Griechenland, sondern wollen alle nach Deutschland oder Westeuropa?

Es kommen in keiner Weise die meisten Flüchtlinge nach Europa. Nur rund 250.000 der insgesamt knapp vier Millionen geflüchteten Syrer haben bislang in Europa Asyl beantragt. Dies entspricht gerade einmal gut sechs Prozent. Die Anzahl ist also sehr gering, vor allem, wenn man sich überlegt, wie viele Flüchtlinge die im Vergleich viel ärmeren und selbst von inneren Konflikten betroffenen Nachbarstaaten Syriens aufgenommen haben.

Richtig ist allerdings, dass Deutschland mit ca. 73.000 innerhalb der EU die meisten syrischen Flüchtlinge aufgenommen hat, gefolgt von Schweden mit ca. 58.500. Die Gründe sind vielfältig: Deutschland ist das wirtschaftlich stärkste Land der EU und genießt weltweit einen exzellenten Ruf, gerade auch in der arabischen Welt. Zudem gibt es in Skandinavien und Deutschland bereits große syrische Exil-Communities, in denen Verwandte oder Bekannte leben, die als Anlaufstelle dienen.

8. Warum hat Rami ein iPhone auf der Flucht dabei?

In Damaskus hat Rami als Anwalt gearbeitet und gut verdient. Er konnte sich also ein gutes Handy leisten. Und auf der Flucht ist das Telefon seine Lebensversicherung: Er braucht es, um Kontakt nach Hause zu halten, alle wichtigen Nummern sind darin gespeichert und auch die Schleuser kann er nur telefonisch erreichen. Seine Papiere und sein Handy trägt er darum bei Bootsfahrten oder Wanderungen immer eingeschweißt und eng am Körper.

9. Warum wird Rami aus griechischen Gefängnissen immer wieder freigelassen?

In Griechenland können Flüchtlinge entweder Asyl beantragen oder sich für einen begrenzten Aufenthaltsstatus entscheiden. Da die meisten Flüchtlinge wissen, dass die Situation in Griechenland aufgrund der ökonomischen Krise und der fehlenden Ressourcen nicht die beste ist, wollen sie dort nicht bleiben. Die Zustände in griechischen Flüchtlingslagern sind so katastrophal, dass Abschiebungen dorthin in Deutschland momentan gerichtlich verboten sind.

Die griechischen Behörden haben daher wenig Interesse an einem Asylverfahren. So bekommen die Flüchtlinge einen temporären, aber legalen Aufenthaltsstatus, mit dem sie sich innerhalb Griechenlands frei bewegen können. Wer beim Versuch eines illegalen Grenzübertritts erwischt wird, kommt daher in der Regel nach einer kurzen Festnahme wieder auf freien Fuß.

10. Warum kontrolliert die deutsche Bundespolizei am Flughafen von Athen oder in Ungarn?

Die Bundespolizei führt in anderen Ländern sogenannte "bilaterale“ oder "trilaterale" Streifen durch, zum Beispiel in Ungarn, Österreich und Italien - gemeinsam mit den dortigen Behörden. Dabei werden unter anderem Züge kontrolliert, deren Endhaltepunkt in Deutschland ist. Nach demselben Muster finden Kontrollen auch an innereuropäischen Flughäfen statt, wenn die Maschinen nach Deutschland fliegen. Auch nach Serbien, Mazedonien und Montenegro entsendet die Bundespolizei Beamte zur "Unterstützung", wie es offiziell heißt. Diese Einsätze stehen in der Regel unter offizieller Leitung der EU-Grenzagentur Frontex.

11. Machen sich der NDR bzw. die Reporter nicht strafbar, weil sie einen illegalen Flüchtling begleiten?

Nein, da der NDR bzw. die Reporter einen tatsächlich ohnehin stattfindenden Lebenssachverhalt lediglich medial begleiten und in keiner Weise fördern.

Weitere Informationen
Hände auf der Tastatur eines Laptops. © fotolia Foto: bufalo66

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Als der Syrer Rami den Einberufungsbefehl erhält, beschließt er zu fliehen. Panorama 3 erzählt die Geschichte seiner Flucht. Was halten Sie von unserem Projekt? Wir freuen uns über Ihre Meinung. mehr

Dieses Thema im Programm:

Panorama 3 | 09.06.2015 | 21:15 Uhr