Lahmes Internet: Homeoffice als Geduldsprobe

Sendedatum: 16.03.2021 21:15 Uhr

Eigentlich sollen alle zuhause arbeiten, die es können. Doch gibt es immer noch keine flächendeckende Versorgung mit Breitbandanschlüssen. Das ist nun während der Pandemie für viele Menschen auf dem Land ein Problem.

von Jörg Hilbert und Eike Köhler

Jörg und Gabi Kasten © NDR / ARD Foto: Screenshot
Gabi und Jörg Kasten stellt das langsame Internet bei ihnen zu Hause vor Probleme.

Wer zu Hause arbeiten kann, der soll es auch tun. Es ist eine sinnvolle Maßnahme zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Doch was sich erst einmal einfach anhört, wird auch im Norden für viele Menschen zum ernsthaften Problem. Wie für Jörg und Gabi Kasten. Beide arbeiten für eine Versicherung - in letzter Zeit von zu Hause aus. Dabei wird die Arbeit für sie zur Geduldsprobe, ein Bild zu laden kann mehrere Minuten dauern. "Das ist hier extrem, und wir sind auch nicht die einzigen", sagt Gabi Kasten.

Denn auf dem Land gibt es immer noch keine flächendeckenden schnellen Glasfaserkabel. Das Netz besteht aus einem Flickenteppich an Betreibern und Geschwindigkeiten. Und es gibt sie immer noch, die von der technologischen Entwicklung abgehängten Anschlüsse. Da müssen Haushalte mit 5 MBit/s oder weniger auskommen. Homeoffice und Homeschooling einer ganzen Familie sind damit nicht zu machen. Nun rächt sich der schleppende Breitbandausbau.

Große Versprechen

Dabei hatte Angela Merkel bereits 2009 verkündet, sie sei "davon überzeugt, dass die Zukunft der ländlichen Räume ganz wesentlich davon abhängt, dass die technischen Möglichkeiten dort dieselben sind, wie in den städtischen Gebieten." Und sie war sich sicher, "was früher ein Elektrizitätsanschluss oder ein Wasser- oder Abwasseranschluss war, das wird in Zukunft auch ein Breitbandanschluss sein."

In welcher Zeit diese "Zukunft" genau liegen wird, das hat sie damals nicht gesagt. Sicher ist, wer Wasser- und Strom hat, der hat immer noch nicht unbedingt einen schnellen Breitbandanschluss.

Recht auf schnelles Internet

Margit Stumpp © NDR / ARD Foto: Screenshot
Margit Stumpp, Bundestagsabgeordnete für die Grünen, plädiert für einen Universaldienst, der auch den Menschen auf dem Land das Recht auf schnelles Internet geben würde.

Für die Bundestagsabgeordnete Margit Stumpp von den Grünen liegt der Grund für den schleppenden Breitbandausbau darin, dass es keinen Universaldienst und damit "kein Recht auf schnelles Internet" gebe. Dieses könne garantiert werden, indem die Telekommunikationsunternehmen in einen Topf einzahlen, aus dem dann der Breitbandausbau in der Fläche finanziert werde. Dieses Netz könne von allen Anbietern genutzt werden. Jeder Mensch bekäme dann einen Anspruch auf eine Bandbreite, die sich an dem orientiert, was vom überwiegenden Teil der Userinnen und User schon genutzt wird. Margit Stumpp betont, die Bundesnetzagentur müsse diesen "Anspruch regelmäßig überprüfen." Schließlich wachse der Bedarf stetig.

Bund plant Änderungen

Der Druck, den Ausbau schneller Netze voranzutreiben, ist auch bei der Bundesregierung angekommen. Das Bundeskabinett hat eine Novellierung des Telekommunikationsgesetzes beschlossen. Ein Sprecher des Ministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur teilt Panorama 3 mit: "Explizit wird dort die Einführung eines Anspruchs auf schnelles Internet für alle Bürgerinnen und Bürger geregelt, der soziale und wirtschaftliche Teilhabe einschließlich der Nutzung von Video-Streaming-Diensten sowie Home-Office im angemessenen Umfang ermöglicht." An welchen Übertragungsraten sich dieser überfällige Anspruch orientieren und was damit ein "angemessener Umfang" werden soll, das ist offensichtlich nicht klar geregelt.

Werbekampagne für schnelleres Internet. © NDR / ARD Foto: Screenshot
Noch immer gibt es keine flächendeckende Versorgung mit Breitbandanschlüssen. Schnelles Internet bleibt für viele Menschen auf dem Land ein unerfüllter Traum.

Und auch eine gesetzliche Regelung für einen von allen Telekommunikationsanbietern finanzierten Netzausbau will die Bundesregierung nicht. Der Aufbau von Gigabitinfrastrukturen sei alleinige Aufgabe der Telekommunikationsindustrie, teilt uns ein Sprecher des Ministeriums mit. Man unterstütze ausschließlich dort, wo die Industrie aus wirtschaftlichen Gründen nicht ausbaue.

Solch eine Förderung bringt aber noch kein Recht auf schnelles Internet. In Schönberg in Mecklenburg-Vorpommern ist der geförderte Ausbau des Glasfasernetzes weit fortgeschritten, aber davon profitieren nicht alle. "Einige Häuser sind tatsächlich nicht in der Förderung enthalten und bekommen jetzt kein Glasfaser", erklärt Bürgermeister Stephan Korn. Die Neubauten seien in der Planungsphase noch nicht dagewesen, das Kabel liege zwar an der Grundstücksgrenze, den Anschluss müssten die Nutzer aber mit rund 1.300 Euro selbst finanzieren.

Das flache Land muss oft warten

Der Sprecher des Ministeriums verweist auf die Erfolge beim Netzausbau: Mitte 2020 hätten mehr als 23 Millionen aller deutschen Haushalte einen Zugang zum Gigabit-Internet gehabt, das sei "ein Plus von neun Millionen Haushalten in nur einem Jahr."

Der Netzausbau kommt zwar voran, aber gerade in vielen ländlichen Regionen quält er sich von Förderprogramm zu Förderprogramm nur langsam von Ort zu Ort. Und ein Recht auf Video-Streaming, eine E-Mail oder eine Tageszeitung im Netz sind noch weit weg von der viel gepriesenen "Gigabit-Gesellschaft". Die erfordert einen planmäßigen und konsequenten Ausbau des Glasfasernetzes in jedem Ort, mit Anschlüssen für jedes Haus. Wie bei Wasser und Strom.

Dieses Thema im Programm:

Panorama 3 | 16.03.2021 | 21:15 Uhr

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