Illegale Mülldeponie in Polen. © Screenshot

Illegaler deutscher Müll im Ausland muss zurück geholt werden

Stand: 22.02.2022 18:00 Uhr

Der Export von Abfall brummt. Doch regelmäßig rollt Müll illegal über die Grenze - und muss dann häufig nach Deutschland zurückgeholt werden. Bei einzelnen LKW-Ladungen reagieren die Behörden meist schnell, doch große Mengen verbleiben oft jahrelang auf illegalen Deponien im Ausland.

von Michael Billig, Anna Klühspies, Marius Münstermann und Nils Naber

Jeden Tag wird Müll über Grenzen hinweg gehandelt und transportiert. Deutschland exportiert seit Jahren mehr Abfälle, als hier aus dem Ausland ankommen. Immer wieder rollt dabei auch Müll illegal über die Grenze, berichtet Berend Wilkens. Er ist Geschäftsführer der Sonderabfallgesellschaft Berlin/Brandenburg und in diesen Bundesländern für die Kontrolle von grenzüberschreitenden Müllexporten zuständig. Alle zwei bis drei Wochen "haben wir Kontrollfälle, die Auffälligkeiten beinhalten", berichtet er. Abfälle, die illegal ins Ausland gelangen, müssen nach EU-Abfallverbringungsverordnung wieder zurückgeholt werden.

VIDEO: Deutscher Müll auf illegalen Deponien in Polen (28 Min)

Welche Abfälle werden zurückgeholt?

Berend Wilkens, Geschäftsführer Sonderabfallgesellschaft Berlin/Brandenburg © Screenshot
Berichtet von illegalem Müllexport: Berend Wilkens, Geschäftsführer der Sonderabfallgesellschaft Berlin/Brandenburg.

Doch welcher Müll wird illegal wohin exportiert und welche Abfälle werden zurückgeholt? Nach einer bundesweiten Erhebung durch Panorama 3 kann das nun für den Zeitraum 2015 bis 2020 erstmals klar beantwortet werden. Im Rahmen der Recherche wurden dabei in jedem Bundesland die für Abfall zuständigen Ministerien und Behörden um Daten zu sogenannten Rückholersuchen gebeten. Diese müssen von ausländischen Behörden bei den zuständigen deutschen Ämtern gestellt werden, wenn deutscher Abfall illegal ins Ausland gebracht wurde. 

Rückholersuchen aus dem Ausland an die zuständigen Behörden in Norddeutschland (Zeitraum 2015-2020): Polen: 58% Niederlande: 8% Tschechien 8% + Rest (u.a. Slowakei, Wales, Rumänien) © Screenshot
Rückholersuchen aus dem Ausland an die zuständigen Behörden in Norddeutschland inklusive Bremen (Zeitraum 2015 -2020): Polen: 58% Niederlande: 8% Tschechien 8% + Rest (u.a. Slowakei, Wales, Rumänien)

Aus der Erhebung geht hervor, dass innerhalb von sechs Jahren bundesweit rund 580 Rückholersuchen bei deutschen Behörden eingetroffen sind. Bezogen auf Norddeutschland kamen allein mehr als die Hälfte aller Anfragen aus Polen. Daran wird deutlich, dass offenbar regelmäßig illegal Abfälle aus Norddeutschland über die Oder rollen. Generell ist davon auszugehen, dass überhaupt nur ein Teil der illegalen Abfallexporte bei Kontrollen auffallen. Bundesweit betrachtet kamen aus keinem Land mehr Rückholersuchen als aus Belgien. Das dürfte im Wesentlichen mit dem Hafen von Antwerpen zu tun haben, über den nach Angaben von Behörden viel Elektroschrott ins Ausland exportiert wird. Häufig müssen Altgeräte, Elektroschrott und Kunststoffabfälle nach Deutschland zurückgeholt werden.

Seltener Rückholersuchen von großen Mengen Müll

Die Daten machen allerdings noch etwas deutlich. Nahezu 90 Prozent aller Rückholersuchen betreffen Mengen von weniger als 30 Tonnen. Das entspricht ungefähr einer LKW-Ladung. Es geht bei den Rückholersuchen also fast immer um Fälle, bei denen einzelne Transporte aufgegriffen und dann auch regelmäßig zurückgeschickt werden. Nach Angaben aus dem Umweltministerium in Baden-Württemberg ist nicht auszuschließen, dass es dabei in einer Vielzahl von Fällen lediglich um "kleinformale Mängel" ging, also beispielsweise um fehlerhafte Begleitpapiere.

Nur ein Bruchteil der Fälle bezieht sich auf große Abfallmengen, die beispielsweise in Polen auf großen illegalen Deponien liegen. In diesen Fällen, auch das zeigen die Daten, wird deutlich seltener Abfall nach Deutschland zurückgeholt. Vielfach liegt dieser Müll seit Jahren im Ausland.

Der Fall der illegalen Deponie im polnischen Sarbia zeigt beispielhaft, wie schwer sich deutsche Behörden offenbar mit großen illegalen Müllablagerungen im Ausland tun. Seit 2018 liegen in Sarbia laut der polnischen Umweltbehörde GIOS 8.700 Tonnen Kunststoffabfälle am Rande des Dorfes. Laut GIOS stammen 75 Prozent dieser Abfälle von verschiedenen deutschen Müllunternehmen aus Nordrhein-Westfalen, Bayern und Niedersachsen. Weil Abfallverbringung in Deutschland Ländersache ist, haben die polnischen Behörden in den betroffenen Ländern schon vor Jahren Rückholersuchen gestellt. Doch bis heute wurde kein Gramm Abfall zurückgeholt.

Bis heute keine Prüfung durch deutsche Behörden

Darüber ärgert sich Leszek Kurek von der regionalen Umweltbehörde WIOS in Poznań (Posen). Vor Ort in Sarbia habe eine "Überprüfung der dort abgelagerten Abfälle" durch deutsche Behörden bis heute nicht stattgefunden. Die zuständigen deutschen Behörden bewerten den Fall anders. Von der Bezirksregierung von Oberfranken, die in dieser Sache für das bayerische Unternehmen zuständig ist, heißt es: Es bestehe für das Unternehmen "keine Rücknahmeverpflichtung. Die Verbringung des Abfalls im Verantwortungsbereich der Firma wurde legal durchgeführt." Im Regierungspräsidium Arnsberg in Nordrhein-Westfalen prüfen Mitarbeiter den Fall seit Jahren, bisher ohne Ergebnis. Und die in Niedersachsen zuständige Gesellschaft NGS fordert seit längerem weitere Dokumente aus Polen. Eigene Ermittlungen in Niedersachsen wurden bis zur Anfrage von Panorama 3 allerdings nicht aufgenommen.

Überraschend ist, dass aus einzelnen Bundesländern sehr unterschiedliche Zahlen gemeldet wurden. So wurde nahezu die Hälfte aller Rückholersuchen in ganz Deutschland zwischen 2015 und 2020 in Nordrhein-Westfalen gestellt. In Hamburg ist dagegen in dem Zeitraum kein einziges Rückholersuchen eingetroffen. Eine nachvollziehbare Erklärung liegt dafür nicht vor. Merkwürdig ist auch, dass einige Bundesländer, wie beispielswiese Sachsen, für mehrere Jahre keine Daten liefern konnten. Insofern muss davon ausgegangen werden, dass weit mehr Rückholersuchen bei deutschen Behörden eingegangen sind, als im Rahmen der Recherche ermittelt werden konnten. Zwar liegen auch beim Umweltbundesamt Daten zu Rückholersuchen vor, allerdings nicht in der Detaildichte, die die Erhebung von Panorama 3 abbildet.

 

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Dieses Thema im Programm:

Panorama 3 | 22.02.2022 | 21:15 Uhr

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Umweltschutz