Stand: 26.10.2017 15:50 Uhr

Verleger: Die unheimliche Kampagne gegen die ARD

von Ben Bolz und Daniel Bouhs

Ob verbal oder juristisch: Zeitungsverlage klagen gegen die ARD - zumindest gegen Texte auf den Internetseiten und in den Apps der Sender. Der Präsident des Verlegerverbandes BDZV, Mathias Döpfner, sprach jüngst auf dem Zeitungskongress in Stuttgart von einer "mit öffentlich-rechtlichen Geldern finanzierten Flut textbasierter Gratis-Angebote". Sie seien "nichts anderes als eine gebührenfinanzierte, digitale Staatspresse". Schon vor Jahren reichten Verlage Klage gegen die App der Tagesschau ein - eine endgültige Entscheidung steht aus. Inzwischen gehen Verlage auch gegen einzelne regionale ARD-Angebote vor.

VIDEO: Die unheimliche Kampagne gegen die ARD (8 Min)

Verlage beklagen fehlende Einnahmen

Mathias Döpfner © NDR Foto: Screenshot
"Staatspresse": Mathias Döpfner, Präsident des Verlegerverbandes, vergleicht das Angebot öffentlich-rechtlicher Sender mit Nordkorea.

Das Kernargument der Verlage: Sie könnten Leser kaum dafür gewinnen, für ihren Journalismus im Netz zu zahlen, wenn öffentlich-rechtliche Redaktionen nicht nur mit Video- und Audiobeiträgen im Netz informieren, sondern auch mit ausführlichen Texten. "Die Angebote von ARD und ZDF sind ja kostenlos", sagt der Kölner Verleger Helmut Heinen. "Und wenn da umfangreiche Textangebote im Netz zu finden sind, dann tun wir uns eben schwer, bezahlte Angebote angemessen zu vermarkten."

Das ZDF ist für die Verlage unterdessen weniger ein Problem: Dieser Sender spart freiwillig an Texten. In der ARD - und auch im Deutschlandradio - hat sich dagegen weitgehend die Meinung durchgesetzt: Im Netz wird nicht zuletzt gelesen und das vor allem auch unterwegs. Und wer auf die Suche nach Informationen geht, durchsucht vor allem ein Genre: Texte. Derzeit verbietet der Rundfunkstaatsvertrag den Sendern zwar "presseähnliche" Angebote. Informieren die Sender aber - wie mit diesem Text - zu Themen, die auch in den Radio- oder Fernsehsendern vorkommen, dann dürfen sie auch ausführlich darüber schreiben.

Wie erfolgreich sind öffentlich-rechtliche Angebote?

Smartphone mit Tagesschau-App © NDR Foto: Screenshot
Öffentlich-rechtliche Angebote wie die App der Tagesschau liegen aktuell deutlich hinter den Verlags-Angeboten.

Aber sind öffentlich-rechtliche Angebote mit ausführlichen Texten tatsächlich ein Problem für die Verlage? Auf dem Zeitungskongress präsentierte die Beratungsgesellschaft McKinsey eine Studie zur "Rolle des Öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der heutigen Medienlandschaft". In der Rangliste der Nachrichten-Apps schaffte es die Tageschau demnach im untersuchten Zeitraum von August 2016 bis Juli 2017 gerade mal auf Platz 13, die App von "ZDFheute" sogar nur auf Platz 23.

In der online veröffentlichten Version der Studie fehlt diese auf dem Kongress präsentierte Übersicht, aus der klar wird, dass es öffentlich-rechtliche Nachrichten-Apps also noch nicht mal in die "Top 10" schaffen. Doch auch bei den klassischen Webseiten kommt die Tagesschau nur auf Platz 13 - weit hinter beispielsweise "Spiegel Online" und "Bild".

Facebook, Google, Abos - das Problem ist vielschichtig

Helmut Heinen, der vor Döpfner den Verlegerverband geführt hatte, sagt, es gelte "auch ein bisschen, den Anfängen zu wehren". Mit anderen Worten: Bisher sind öffentlich-rechtliche Angebote gar kein akutes Problem. "Wir könnten uns auf etwas verständigen", sagt Heinen über die ARD-Apps. "Solange sie nicht Platz 10 überschreiten, haben wir nichts dagegen. Aber wenn sie das dann tun sollten, muss endgültig Schluss sein." Das aber sei wiederum unrealistisch - niemand würde ein Angebot zurückfahren wollen, das gerade Erfolg habe.

VIDEO: "Öffentlich-rechtliche Presse bekämpfen" (4 Min)

Stefan Niggemeier © NDR Foto: Screenshot
Medienjournalist Stefan Niggemeier sieht das Problem an anderer Stelle: Bei den Nutzern, Facebook und Google.

"Die Ursache für die Probleme der Verlage liegen an einer ganz anderen Stelle", sagt wiederum der Medienjournalist Stefan Niggemeier. "Die liegen zum Beispiel darin, dass die Werbeerlöse zu einem ganz großen Teil zu Facebook und Google abwandern, und dass man plötzlich im Internet versuchen muss, Abo-Modelle zu etablieren, wo es einen großen Widerstand bei Nutzern gibt, Geld zu zahlen für Journalismus. Das hat alles mit ARD und ZDF nichts zu tun." Niggemeiers Prognose: Würden die beitragsfinanzierten Sender auf ausführliche Texte verzichten, ginge es den Verlagen dadurch nicht besser.

Politik will beiden Seiten gerecht werden

Die Politik sieht allerdings die Not der Verlage und will mit einer Präzisierung der Spielregeln für die Sender im Netz helfen. Nach der Sitzung der Ministerpräsidenten in Saarbrücken sagte die Vorsitzende der Rundfunkkommission der Länder, die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), über die Pläne für den Rundfunkstaatsvertrag: "Klar ist, da wird der Schwerpunkt auf audio-visuell liegen und nicht textlastig sein. Ich denke, dass man damit auch den Verlegern gegenüber gerecht wird."

Dreyer sagte aber auch: "Genauso klar ist, dass ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk nicht seinen Auftrag erfüllen kann, wenn er in der neuen Online-Welt nicht auch aktiv sein kann." Das wiederum wirkt wie die Quadratur des Kreises: Verlagen und öffentlich-rechtlichen Sendern gleichzeitig so gerecht zu werden, dass der Text-Streit damit plötzlich befriedet ist.

Ruprecht Polenz © NDR Foto: Screenshot
Ruprecht Polenz (CDU) spricht sich für den Erhalt öffentlich-rechtlicher Inhalte aus.

Der CDU-Medienpolitiker Ruprecht Polenz, der einst Vorsitzender des ZDF-Fernsehrates war, rät dazu, den Sendern ausführliche Texte weiter zu erlauben. "Wir brauchen eine stabile private Presse, auch im Internet", sagt er. "Aber jetzt kann ich doch nicht sagen, wenn ich das Problem noch nicht gelöst habe, nehme ich jetzt das Öffentliche-Rechtliche auch da raus. Dann haben wir nämlich gar nichts."

 

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Der Panorama-Beitrag vom 26. Oktober 2017 als PDF-Dokument zum Download. Download (130 KB)

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 26.10.2017 | 21:45 Uhr

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