Bundesministerin für Bildung und Forschung Bettina Stark-Watzinger © picture alliance / Metodi Popow Foto: Metodi Popow

Als Reaktion auf Kritik: Bildungsministerium wollte Fördermittel streichen

Stand: 11.06.2024 06:00 Uhr

Dem NDR liegen Unterlagen vor, wonach das Bundesministerium für Bildung prüfen wollte, ob kritischen Hochschullehrenden ihre Fördermittel gestrichen werden können. Grundlage der Prüfung ist ein offener Brief von Hochschullehrern, gegen die Räumung der kurzzeitigen Besetzung an der Berliner FU.

von John Goetz und Manuel Biallas

Bundesministerin für Bildung und Forschung Bettina Stark-Watzinger © picture alliance / Metodi Popow Foto: Metodi Popow
BMBF-Leitung Stark-Watzinger hat intern um eine "Bewertung und Prüfung" des offenen Briefes gebeten.

Das Bundesministerium für Bildung (BMBF) hat hausintern um eine Prüfung gebeten, ob kritischen Hochschullehrenden Fördermittel gestrichen werden können. Dies belegen interne E-Mails aus dem Ministerium, die dem ARD-Magazin Panorama (NDR) vorliegen. Ausdrücklicher Anlass der Prüfung war ein offener Brief von Hochschullehrern, der sich gegen die Räumung einer zeitweiligen pro-palästinensischen Besetzung der Berliner Freien Universität (FU) richtete. Der offene Brief sprach sich dafür aus, nicht polizeilich gegen die Protestierenden im Rahmen der Besetzung der FU Berlin vorzugehen. Das Bundesministerium unter Leitung von Bettina Stark-Watzinger (FDP) hatte sich gegen den offenen Brief der Lehrenden positioniert.

Wie die Panorama vorliegenden Mails belegen, hat die Leitung des Ministeriums intern um "eine förderrechtliche Bewertung, inwieweit von Seiten des BMBF ggf. Förderrechtliche Konsequenzen (Widerruf der Förderung etc.) möglich sind", gebeten. Außerdem wollte sie prüfen lassen, ob sich in dem offenen Brief strafrechtlich relevante Aussagen finden lassen. So bittet sie auch "um eine juristische Prüfung einer etwaigen strafrechtlichen Relevanz der Aussagen in dem offenen Brief".

Prüfung des Verdachts der Volksverhetzung

Das Bildungsministerium wollte in dem Prüfverfahren etwa prüfen lassen, ob es in dem offenen Brief zu Volksverhetzung kam oder ob der Inhalt von der Meinungsfreiheit gedeckt sei. Laut Schriftverkehr, der Panorama vorliegt, heißt es darin: "In der Kommunikation der Leitung wurde auch angezweifelt, dass die Hochschullehrer auf dem Boden des GG [Grundgesetz]stehen."

Aus dem Mailwechsel ergibt sich, dass Mitarbeiter des Ministeriums Bedenken gegen eine solche Prüfung äußerten. Das Bundesministerium habe "unabhängig vom Ergebnis einer rechtlichen Prüfung, keine unmittelbaren Handlungs- bzw. Einflussmöglichkeiten in (...) disziplinarrechtlicher Hinsicht". Die betroffenen Lehrkräfte dürften Angestellte der Hochschulen des Landes Berlin sein. Eine Abschrift dieses Mailwechsels ist unten dokumentiert.

Eingriff in die Meinungsfreiheit

Prof. Dr. Clemens Arzt © picture alliance / Metodi Popow Foto: Metodi Popow
Der Verwaltungsrechtler Clemens Arzt sieht darin einen Versuch, "in die Meinungsfreiheit der Unterzeichner*innen einzugreifen".

Clemens Arzt, pensionierter Professor für Staats- und Verwaltungsrecht in Berlin, sieht in dem Ansinnen der Ministeriumsleitung einen Versuch, "in die Meinungsfreiheit der Unterzeichner*innen des Briefs nach der Versammlungsauflösung an der FU einzugreifen. (…) Bei Konsequenzen wie dem Entzug von Fördermitteln wäre dies ein Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit."

Auf eine Panorama-Anfrage zu diesem Vorgang erklärt das Bildungsministerium: "Das BMBF hat eine juristische Einordnung des Offenen Briefes vorgenommen. Im Ergebnis bewegt sich der Offene Brief noch im grundrechtlich geschützten Bereich der Meinungsfreiheit, weswegen sich aus dem Brief keine weiteren Konsequenzen ergeben. Damit erübrigen sich alle weiteren Spekulationen."

 

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