Stand: 23.12.2019 06:22 Uhr

Verschärfter Schwefelgrenzwert für Schifffahrt

von Jörg Pfuhl

Die großen Schiffe auf den Weltmeeren fahren bislang alle mit Schweröl. Aber Schweröl ist dreckig. Am 1. Januar tritt weltweit ein verschärfter Schwefelgrenzwert in Kraft: Nur noch 0,5 statt bisher 3,5 Prozent Schwefel dürfen im Schiffstreibstoff enthalten sein. Ein Wert, der mit dem alten Treibstoff nicht mehr einzuhalten ist. Ein erster Schritt in Richtung Nachhaltigkeit. Die "NDR Info Perspektiven" erklären die Hintergründe.

Malte Siegert vom NABU im Studio von NDR 90,3 © NDR Foto: Alexander Dietze
Malte Siegert vom NABU sieht zwar die positiven Auswirkungen der neuen Richtlinie, bleibt aber skeptisch, was die Umsetzung angeht.

Schweröl ist ein Abfallprodukt der Raffinerien: voller Schwefel, Schwermetalle und Stickoxide. Jetzt muss zumindest der Schwefelanteil deutlich sinken, um etwa 85 Prozent, freut sich Malte Siegert, Schifffahrtexperte beim Naturschutzbund Deutschland (NABU). Vom derzeitigen Schwefelanteil auf den Weltmeeren in Höhe von 3,5 Prozent auf 0,5 Prozent runterzugehen, sei ein Riesenschritt: "Das ist auf jeden Fall gut für die menschliche Gesundheit, für Menschen in Küstenbereichen und in Häfen."

Kritik am Scrubber: Schadstoffe im Meer statt in der Luft

Schornstein eines Schiffes mit Abgaswäscher. © NDR / Christine Raczka Foto: Christine Raczka
Ein Schiff mit einem Abgaswäscher darf weiterhin mit Schweröl fahren. Das schwefelhaltige Abwasser landet dann im Meer.

Wirklich sauber werden Schiffsabgase aber auch künftig nicht sein. Auch ein niedrigschwefliges Destillat sei immer noch 500 Mal dreckiger ist als das Benzin, das ein Großteil der Pkw nutze, so Siegert. Immerhin seien es aber in der Summe 85 Prozent weniger Schwefel und Schwermetalle als bisher. Um die Grenzwerte einzuhalten, haben die Reeder zwei Möglichkeiten: entweder entsprechend "sauberen" Treibstoff zu tanken oder auf ihren Schiffen eigene Entschwefelungsanlagen, sogenannte Scrubber, zu installieren.

Alfred Hartmann, Präsident des Verbands Deutscher Reeder (VDR), wollte von seinen Mitgliedsunternehmen wissen, welchen Weg sie gehen: "80 Prozent werden den neuen Brennstoff kaufen und in etwa 20 Prozent haben einen Scrubber."

Beim NABU sieht man die Scrubber mit Skepsis. Vor allem Systeme, die ihr Abgas mit Meerwasser waschen und das schweflige Abwasser dann ins Meer leiten, stehen in der Kritik: "Es kann nicht im Sinne des Erfinders sein, dass man einfach anfängt, die Luftschadstoffe, also die Probleme, die da entstehen, aufs Meer zu übertragen."

Kunden dürften vom Preisaufschlag kaum etwas merken

Der größte Teil der Welthandelsflotte aber wird am ersten Januar auf schwefelarmen Kraftstoff umstellen - auch die mehr als 200 Containerschiffe von Hapag-Lloyd. Der Umstieg tut weh, denn schwefelarmer Kraftstoff ist fast 50 Prozent teurer als Schweröl, sagt Nachhaltigkeitsmanager Jörg Erdmann: "Der Preis dafür ist bei Hapag-Lloyd bis zu einer Milliarde Dollar höher, und das muss dann eben kompensiert werden."

Die Kunden werden den Preisaufschlag zahlen müssen - vom Kreuzfahrt-Passagier bis zum T-Shirt-Käufer. Wirklich spüren aber werden sie es kaum, meint Naturschützer Siegert: "Wir schiffen ein T-Shirt für 0,1 Cent um die Welt. Wir schiffen ein Handy für zehn Cent um die Welt. Und daran kann man mal sehen, wie gering die Kosten am Ende des Weges tatsächlich sind." Die Kosten für die Schifffahrt seien am Ende also so gering, dass der Preisaufschlag, der beim Kunden ankommt, kaum ins Gewicht falle.

Anreiz für Veränderungen

Der Containerfrachter Sajir der Reederei UASC fährt in Brunsbüttel die Elbe vom Hamburger Hafen kommend in eine Nebelbank hinein. © picture alliance Foto: Axel Heimken/dpa
Das Containerschiff "Sajir" kann sowohl LNG als auch schwefelarmen Schiffsdiesel als Backup verbrennen.

Dennoch: Der erste Schritt weg vom Schweröl ist getan. Ein zweiter Schritt könnte der Umstieg auf LNG, also Flüssigerdgas, sein. Hapag-Lloyd hat einen ersten Containerriesen auf Gasantrieb umgerüstet, Reeder-Präsident Hartmann hat bereits vier Gas-Schiffe in seiner Flotte: "Schwefel ist komplett weg, Feinstaub ist auch weg - da kommt nix mehr aus dem Schornstein. Das ist schon der sauberste Brennstoff, den wir zurzeit haben."

CO2 kommt allerdings auch bei einem Gasantrieb noch aus dem Schornstein, kaum weniger als beim alten Schweröl. Vielleicht kann die neue Richtlinie Reedereien aber auf lange Sicht zum Umdenken anregen, etwa in Richtung elektronischer oder Segelantriebe. Konzepte, die beispielsweise in Norwegen, schon erprobt werden.

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Illustration: Zwei Hände umfassen eine Glühbirne © NDR

NDR Info Perspektiven: Auf der Suche nach Lösungen

In der Reihe NDR Info Perspektiven beschäftigen wir uns mit Lösungsansätzen für die großen Herausforderungen unserer Zeit. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Perspektiven - auf der Suche nach Lösungen | 23.12.2019 | 07:41 Uhr

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