Stand: 29.05.2018 18:54 Uhr

Mobbing: "Ey, war ja nur Spaß"

von NDR Newcomernews (Ein Medienbildungsprojekt des NDR Landesfunkhauses MV mit Schülerinnen und Schülern.)

Ein Mädchen wird geschubst, es stürzt, liegt wehrlos am Boden. Noch ein Tritt. Eben war hier noch Freundschaft. Jemand lacht, ein anderer filmt. Damit es später im Netz alle sehen können.

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Sprache, sexuelle Orientierung, Hautfarbe, Neid auf gute Noten - Mobbing hat viele Gründe, sagt Schulsozialarbeiterin Angelika Meyer. Seit fast 25 Jahren arbeitet sie mit Kindern und Jugendlichen. Wenn jemand über einen längeren Zeitraum immer wieder fertig gemacht wird, dann ist das Mobbing. Die Opfer wehren sich oft nicht, weil sie Angst haben, dass es dann nur noch schlimmer wird. "Cybermobbing ist eine ganz tolle Art für Feiglinge, sich an andere ranzumachen, sie zu beleidigen und sie fertig zu machen."

Cybermobbing erreicht uns überall

"Cybermobbing - also Mobbing übers Internet, Chats, soziale Netzwerke, übers Telefon, mit Fotos und Videos - das ist das Thema, das gerade ganz schön brennt", sagt Sozialpädagoge Andreas Vojtech, der für die Caritas in Greifswald arbeitet. Die große Öffentlichkeit des Internets sei für die Betroffenen schwerwiegend. "Und anders als beim gesprochenen Wort, das man hört und das einen auch verletzt und trifft, ist es ja so: Wenn das irgendwo geschrieben steht, dann ist das eben nicht so einfach wegzukriegen und wirkt ganz anders. Das Mobbing erreicht die Betroffenen überall - man hat keine Ruhe, wenn man aus der Schule nach Hause kommt, man kann nicht einfach die Tür zumachen." Vojtech glaubt, dass Cybermobbing zugenommen hat. "Ich denke, dass die Hemmschwelle geringer ist, weil man ja im Internet demjenigen nicht gegenübersteht, ihm nicht in die Augen guckt. Dieses Medium dazwischen, das macht es oft einfacher, so etwas zu tun."

"Es war ja nur Spaß!"

Manche Lehrer in Wolgast sind sehr betroffen und traurig darüber, was zwischen ihren Schülerinnen und Schülern passiert. Eben waren sie noch dicke Freunde, plötzlich tun sie sich gegenseitig weh und stiften auch andere an, mitzumachen. Da fallen böse Worte, es wird geschubst und manchmal sogar getreten. Und das Schlimmste: Neuerdings ist bei solchen Konflikten die Kamera dabei. Ein Riesenproblem - denn das Internet vergisst nicht.

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Damit es Spaß ist, erklärt eine Lehrerin der Regionalen Schule Kosegarten, muss es allen Beteiligten gut gehen. Es sei schockierend, wie wenig Mitgefühl manche Kinder für andere aufbringen würden, obwohl sie sich seit Jahren kennen. Viele, erklärt die Lehrerin, würden keine Hilfe holen, wenn die Situation eskaliert. Manchen fehle der Mut auszusteigen. Die Angst: Ich bin der Nächste, der ausgegrenzt wird.

Mund aufmachen und Hilfe holen

Mario Tschirn ist Präventionsberater bei der Polizei in Anklam. Er beschäftigt sich hauptsächlich mit der digitalen Welt und sagt: Wenn Kinder und Jugendliche keine Lösung mehr für ihr Problem finden, wenn sie verletzt oder verleumdet werden, dann sollten sie sich Hilfe holen - zum Beispiel, indem sie das Problem an der Schule offen ansprechen, das Umfeld mit ins Boot holen. Egal wie viel Scham oder Angst mitschwingt - wichtig sei, dass sich Mobbingopfer mitteilen, dass sie mit Freunden, Geschwistern, Eltern und Vertrauenslehrern sprechen. Es sei wichtig, dass jemand von außen in den Konflikt reingeht und versucht zu helfen, erklären alle Experten.

Konfliktvermittler können helfen

Dafür gibt es in Wolgast an der Schule die sogenannten Konfliktvermittler. Das sind Schülerinnen und Schüler, die gelernt haben, wie gewaltfreie Kommunikation funktioniert. Sie sind nicht dafür da, dazwischen zu gehen, wenn sich zwei auf dem Schulhof prügeln. Oder einzuschreiten, wenn es in der Klasse zu laut wird. Aber sie können im Ernstfall vermitteln, Gespräche führen, Streit schlichten - damit Mobbing gar nicht erst entsteht.

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Mitdenken, Mut zusammennehmen

Mobbing ist eine strafbare Handlung. Eltern, Lehrer, Polizei und Beratungsstellen überlegen gemeinsam mit Betroffenen, was man in ihrem Fall konkret tun kann - zum Beispiel, ob eine Anzeige sinnvoll ist. Dafür brauche es Beweise, zum Beispiel Bildschirmfotos, ein Mobbingtagebuch.

Wovor habe ich Angst? Was wäre, wenn ich selbst gemobbt werden würde? Was würde ich mir in dieser Situation von anderen wünschen? Nur Kinder und Jugendliche, die sich in andere hineinversetzen können, erkennen die Grenzen zwischen Spaß und Ernst. Auch im Internet. Die Fachleute machen sich Sorgen, sagen sie. Denn es ist keiner da, der Kindern den Umgang mit anderen Menschen in der digitalen Welt beibringt.

Dieser Artikel ist durch Schülerinnen und Schüler im Rahmen eines Workshops des Medienbildungsprojekts NDR Newcomernews des NDR Landesfunkhauses entstanden.

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