Sendedatum: 21.03.2011 22:30 Uhr

Probenbesuch bei Thomas Hengelbrock

von Sylvie Kürsten

Schauen Sie, und diese Klangfontaine, die muss, die kann ein bisschen mehr aufsprudeln in den Geigen.

Thomas Hengelbrock © Marco Borggreve Foto: Marco Borggreve
Thomas Hengelbrock: der neue Chefdirigent.

Nicht nur Fontänen, nein, ganze Vulkane lässt Thomas Hengelbrock mit dem NDR Sinfonieorchester ausbrechen. Energisch und konsequent fasst der Dreiundfünfzigjährige selbst die romantischen Werke von Mendelssohn an. "Als Dirigent kommen Sie automatisch mit einer eigenen Handschrift, ganz klar. Sonst wären Sie auch nicht als Chefdirigent eingeladen, wenn Sie keine eigene Meinung zu den Dingen haben, dann können Sie das mit dem Dirigieren auch gleich lassen."

Der neue Chefdirigent ist ein Teamplayer

Die gesundeste Verbindung ist einfach eine gute Melange. Das Orchester muss sich wohlfühlen beim Spielen, das heißt ich darf das Orchester auch nicht von der eigenen Spieltradition abschneiden. Auf der anderen Seite fühlt sich ein Orchester auch dann wohl, wenn es vor Herausforderungen steht, die sie auch fordern.

Die Handschrift von Hengelbrock ist im wahrsten Sinne des Wortes unverkennbar. Mit seinen Händen macht er die Musik greifbar, er würzt sie wie ein Koch, befeuert sie wie ein Feldherr, streichelt sie wie ein Liebhaber, als Musiker muss man einfach an seinen Händen hängen - und manchmal auch an seinen Lippen. Hengelbrock weiß, was er will. Doch ein Alleingang - undenkbar. Er sieht sich als primus inter pares, als "Erster unter Gleichen".

Hengelbrock selbst liebt andere Herausforderungen: In seiner Freizeit erobert der gebürtige Wilhelmshavener die Meere. Und auch als Dirigent ist ihm keine musikalische Welt fremd - ein Kurs, den er auch beim NDR beibehalten wird.

Dirigieren mittels Geigergesten

Begonnen hat Hengelbrocks Karriere vor knapp dreißig Jahren als Geiger. Und so lässt sich verstehen, warum er auch heute noch ein Orchester von der Geige aus denkt und lenkt. Und warum er seine Klangvorstellungen oft mit Geigergesten vermittelt.

Warum Hengelbrock aber Dirigent geworden ist? Nun, der ehemalige Handballer ist ein Teamplayer. Andere Musiker mitreißen, das ist sein Traum. Und den hat er sich spätestens mit seinem Balthasar Neumann Ensemble erfüllt, mit dem er seit zwanzig Jahren Pionierarbeit für die Alte Musik leistet.

"Wir sind den Komponisten verpflichtet, deren Werke wir aufführen. Dann haben wir die Verpflichtung, uns mit dem Komponisten und auf sein Denken, Fühlen, Arbeiten auseinanderzusetzen. Um nichts  anderes geht es." Das gilt für Bach genauso wie für Bartok ... und auch für Rossini. Seit gut zehn Jahren macht Hengelbrock auch noch in Oper und in Regie. Wer 400 Jahre Musikgeschichte vermitteln will, der muss eben auch diese Sparte beherrschen. "In der Oper  müssen Sie begleiten, Sie müssen schnell und spontan reagieren können, Sie müssen sehr schnell neue dynamische Verhältnisse herstellen können. Und das sind ja alles Dinge, die man als Sinfonieorchester durchaus im Repertoire haben sollte."

Hengelbrock: ehrgeizig und vielseitig

Und so kommt es, dass Hengelbrock auch in den Sinfonien von Mendelssohn die große opernhafte Geste sucht. Bei aller Emotionalität - das geschieht stets auf musikwissenschaftlichem Fundament. Ein vielseitiger Dirigent, der sich mit dem NDR Sinfonieorchester einiges vorgenommen hat. "Ich bin dieser alten Renaissance-Idee doch sehr verhaftet, dass der Mensch doch ein Baumeister ist, dass er das Leben zur Verfügung gestellt bekommt, um damit auch etwas zu schaffen. Und von daher sehe ich auch schon, dass das etwas ist, was wir zusammen erschaffen, das wir zusammen bauen in künstlerischer und in menschlicher Hinsicht."

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur - Das Journal | 21.03.2011 | 22:30 Uhr

Orchester und Vokalensemble