Nachgefragt: Philipp Ahmann

Dirigent Philipp Ahmann © NDR Foto: Klaus Westermann
Viel Arbeit und große Wirkung: Philipp Ahmann spricht über die Probenarbeit für das Schnittke-Gedenkkonzert.

Philipp Ahmann leitet seit 2008 als Chordirektor die Geschicke des NDR Chors. Im November gedenkt er mit einem Konzert in der Hauptkirche St. Nikolai des großen Wahlhamburgers Alfred Schnittke. Ein Projekt, das großen Einsatz von Sängern und Dirigent erfordert, erzählt er im Interview.

Was war Ihre erste Begegnung mit der Musik Schnittkes, und wann fand sie statt?

Philipp Ahmann: Ich habe vor längerer Zeit das Konzert für Chor in einem Konzert gehört und besitze zudem eine CD mit den "Zwölf Bußversen", weil ich sie mal für ein Passions-Programm angeschaut hatte. Außerdem habe ich als Student die Faustkantate "Seid nüchtern und wachet" mit dem Kölner Hochschulchor mit einstudiert. Es gibt ähnliche Stilelemente in der Kantate und den Bußversen, parallel geführte Stimmen im Sekundabstand, an die ich mich erinnere - vor allem, weil es so viel Arbeit war, es einzustudieren!

Wie steht das Werk in der russischen Chortradition?

Ahmann: Es scheint mir tief darin verwurzelt und lässt sehr oft Tschaikowsky, Rachmaninow oder noch viel ältere russische Musik durchscheinen. Durch diese Rückgriffe entsteht der Eindruck typisch russischer, fast orthodoxer Kirchenmusik. Manches erinnert aber auch an Arvo Pärt oder Sofia Gubaidulina. Bei Schnittke hört man immer wieder eine Vermischung ganz vieler Stile aus der Vergangenheit.

Wie schwierig ist es, ein so genuin aus der russischen Sprache entwickeltes Werk wie die Bußverse mit einem deutschen Chor zu singen?

Ahmann: Es braucht Zeit. Zunächst wurde die kyrillische Schrift in eine Lautschrift transkribiert, sodass wir alles lesen können. Dann hatten wir einen russischen Sprachcoach, der uns die Aussprache beigebracht hat, die wir dann Schritt für Schritt mit der Musik gelernt haben. Manche Lautbildungen gibt es im Deutschen nicht, daher braucht es Zeit, den Sprachklang zu erfassen.

Für den 12. Bußvers hat Schnittke die Vortragsbezeichnung "bocca chiusa" niedergeschrieben - es wird also mit geschlossenem Mund gesungen. Was hat dies für eine Wirkung?

Ahmann: Der Gesang a bocca chiusa fängt quasi aus dem Nichts an, nur ein D in den tiefen Bässen und darüber eine langsam fortschreitende Melodie, die zugleich Weite und Einsamkeit suggeriert, ein ziemlich magischer Moment. Ein Gesang ohne Worte, Musik, deren Harmonik den Schmerz in sich trägt wie die Bitte um Erlösung.

Die Fragen stellte Dr. Richard Armbruster.

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