Al Jarreau mit NDR Bigband auf Europa-Tournee
Seine Kehle bringe ein ganzes Orchester hervor: Schlagzeuge und Saxofone, Trompeten und Flöten, Congas und Bässe. Geht man nach dem deutschen Jazz-Experten Joachim Ernst Behrendt, treffen mit Al Jarreau und der NDR Bigband bei ihrer aktuellen Europa-Tournee sozusagen zwei Orchester aufeinander. Und auch wenn der Erfolg des studierten Psychologen Alwyn Lopez Jarreau, so sein bürgerlicher Name, mehr als 30 Jahre währt, ist es doch immer noch erstaunlich, wie er all diese Klänge zaubert.
"What a band!" - der Sound der NDR Bigband macht umgekehrt auch dem Solisten und Weltstar Al Jarreau Spaß. Konzentrierte Ruhe und begeisterter Beifall für seine Musikerkollegen wechseln sich ab. Minutenlang sitzt Jarreau im Hamburger Probenstudio des NDR nahezu regungslos vor der Bigband, um dann, als ihn etwas musikalisch besonders begeistert, über das ganze Gesicht zu strahlen und auch zur Gratulation an das Pult zu kommen. In diesem Fall hatte ihn ein rasantes Solo von Altsaxofonist Fiete Felsch vom Stuhl geholt.
"Can I go home now?"
Nach der Bigband-Ballade "Midnight Sun", arrangiert von dem Hamburger Trompeter Thorsten Maaß, ruft Al Jarreau: "Gorgeous!". Er fragt, ob er jetzt nach Hause gehen könne. Die Anerkennung gilt der NDR Bigband und ihrem Dirigenten gleichermaßen. Dieter Glawischnig leitet das Jazz-Orchester seit Jahrzehnten. Im Sommer geht der Österreicher in den Ruhestand. Ärgerlicherweise sei das Konzert in Wien bereits ausverkauft, sagt er lächelnd. Glawischnig konnte wieder keine Karten für seine Familie bekommen. Al Jarreau bezeichnet der Bigband-Leader als angenehmen Kollegen, der kein Star-Gehabe pflege und auf der Bühne ein großartiger Performer sei.
Grammy-Sammlung
Das Gershwin-Programm "Porgy und Bess" hatten die NDR Bigband und der Sänger vor neun Jahren bei einem Freiluftkonzert in der Hamburger Speicherstadt aufgeführt. Es enthält neun der wichtigsten Stücke wie "Summertime", das hier mit einem Funkgroove unterlegt ist, oder "It Ain't Necessarily So". Der Brite Steve Gray zeichnet für die Arrangements verantwortlich. Für die Europa-Tournee hat er jetzt auch Jarreau-Hits wie Dave Brubecks "Take Five" oder "Tutu" umgesetzt. Der Miles Davis-Titel war zuletzt in dem Gemeinschaftsprojekt von Al Jarreau und Gitarrist George Benson erschienen. Für das Album gab es in diesem Jahr zwei Grammys, Nummer sechs und sieben für Jarreau.
67 Jahre alt ist Al Jarreau dieses Jahr geworden. "Macht er den Eindruck eines alten Mannes? Bewegt er sich wie ein alter Mann?" Bigband-Bassist Lucas Lindholm ist nur ein paar Jahre jünger. Das sei kein alter Mann, da vorn. Lindholm freut sich auf die Tournee mit Al Jarreau. Drei Wochen werden NDR Bigband und der Sänger unterwegs sein, am 4. Dezember kommen sie in die Hamburger Laeiszhalle.