Stand: 07.11.2014 09:00 Uhr

Morgenland trifft Jazz

Der armenisch-syrische Musiker Ibrahim Keivo begleitet seinen Gesang auf der Saz, der traditionellen Langhalslaute. © Morgenland Festival
Der armenisch-syrische Musiker Ibrahim Keivo begleitet seinen Gesang auf der Saz, der traditionellen Langhalslaute.

Um die Geschichte von Ibrahim Keivo zu erzählen, muss man lange vor dessen Geburt beginnen - im Dreiländereck von Syrien, Türkei und Iran, das zwischen Euphrat und Tigris liegt. Es ist das Zweistromland, eine alte Kulturlandschaft, bis heute geprägt von überwältigender ethnischer und religiöser Vielfalt.

Hier wuchs Ibrahim Keivo, dessen Großvater 1915 als Christ aus Armenien gekommen war, in einem yesidisch-kurdischen Dorf auf; zwar ohne Strom und fließendes Wasser, doch inspiriert von einer wahrhaft multi-kulturellen Umgebung. Sie ist das Thema seines Lebens geworden.

"Gibt es eine Avantgarde in Syrien?"

Ibrahim Keivo sammelt die Lieder der Region: Lieder über Liebe, Freude, Trauer, Ernte. Hochzeitslieder, rituelle Lieder, Mythen. Er singt auf arabisch in verschiedenen Dialekten und begleitet sich selbst auf traditionellen Instrumenten wie Tar, Bouzouk, Saz, Baglama, Oud und Kamanche (Kniegeige).

Als Michael Dreyer, künstlerischer Leiter des Morgenland Festivals, ihn in Damaskus hörte, lud er ihn sofort nach Osnabrück ein. "Der vordere Orient ist ja die Kultur gebende Region für Europa. Aber für uns ist sie kulturell ein weißer Fleck. Niemand weiß: Gibt es eine Avantgarde in Syrien? Gibt es Hip-Hop im Iran? Wir wollen mit dem Festival zeigen, welch ein vielfältiges Musikleben es dort gibt." Und das ist vor allem auch experimentierfreudig.

So traf Ibrahim Keivo beim Morgenland Festival 2010 auf die NDR Bigband, mit der er zwei seiner Lieder intonierte. Seitdem fragen die Musiker aus dem Jazzensemble immer wieder: "Können wir noch einmal mit diesem Typen aus Syrien spielen?", berichtet Dreyer.

Musik kommt ohne Sprache aus

Komponist und Arrangeur Wolf Kerschek bei Proben im Studio der NDR Bigband (2011) © NDR/ Ralph Baudach
Der Komponist und Arrangeur Wolf Kerschek hat mit der NDR Bigband schon oft zusammengearbeitet.

"Er ist unglaublich charismatisch", sagt Wolf Kerschek, in Osnabrück der Dirigent der NDR Bigband. "In dem Moment, wo er vor der Band steht, sind alle hundertprozentig bei ihm. Er zieht alle in seinen Bann: Musiker wie Publikum." Dazu benötigt Ibrahim Keivo keine großen Worte. "Die sieben arabischen Sprachen, die er fließend spricht, helfen mir nicht weiter", gesteht Kerschek. "Es ist aber auch die beste Lösung, musikalisch zu kommunizieren, denn es geht ja um Musik und nichts anderes."

Ibrahim Keivo & NDR Bigband: Das Album "Sherine" ist ein Mitschnitt des Konzertes vom 28. September 2013 im Rahmen des Morgenland Festivals Osnabrück.

Sherine

Label:
dreyer gaido
Veröffentlichungsdatum:
07.11.2014
NDR Logo
Dieser Artikel wurde ausgedruckt unter der Adresse: https://www.ndr.de/orchester_chor/bigband/Morgenland-trifft-Jazz,cdkeivo100.html

Orchester und Vokalensemble