Eine junge Frau mit Warnweste sitzt auf dem Boden. Hinter ihr kniet ein Polizist. © picture alliance Foto: Geisler-Fotopress
Eine junge Frau mit Warnweste sitzt auf dem Boden. Hinter ihr kniet ein Polizist. © picture alliance Foto: Geisler-Fotopress
Eine junge Frau mit Warnweste sitzt auf dem Boden. Hinter ihr kniet ein Polizist. © picture alliance Foto: Geisler-Fotopress
AUDIO: NDR Info - Gespräch zu Klimaprotest der "Letzten Generation" (4 Min)

Umfrage: Klimaschutz ja, radikaler Protest nein

Stand: 19.01.2023 06:00 Uhr

Ist provozierender Klimaprotest wie der der "Letzten Generation" angemessen? Die meisten Befragten der jüngsten #NDRfragt-Umfrage sagen Nein - obwohl sie mehrheitlich besseren Klimaschutz wollen.

von Lisa Göllert

Sie legen den Verkehr lahm, indem sie sich auf Straßen festkleben oder schütten Lebensmittel über Kunstwerke: Die Aktivistinnen und Aktivisten der "Letzten Generation" erregen mit ihren Protestaktionen Aufsehen. Den Befragten der #NDRfragt-Community geht das mehrheitlich zu weit. Auch dann, wenn sie mehr Klimaschutz fordern, wie knapp drei Viertel der Teilnehmenden. Die Aktionen der "Letzten Generation" halten die meisten für zu radikal, und für Erpressung der demokratisch gewählten Regierung. Alle Ergebnisse der nicht repräsentativen Umfrage von #NDRfragt gibt es hier in einem Dokument zum Herunterladen.

Ablehnung der Proteste steigt mit dem Alter

Zuspruch erhält die "Letzte Generation" am ehesten noch unter den Jüngeren. Je älter die Befragten, desto häufiger halten sie die Aktionen für falsch. Bereits unter den ab 30-Jährigen bezeichnen deutlich mehr als die Hälfte die Proteste als unangemessen. Nur unter den 16- bis 29-Jährigen spricht sich eine Mehrheit dafür aus. Die ist zwar mit 51 Prozent hauchdünn, doch einige jüngere Befragte formulieren ihre Unterstützung deutlich:

"Es ist völlig legitim, dass junge Menschen, denen ihre Zukunft genommen wird, einfach nur die Aufmerksamkeit auf sich und ihre Verzweiflung lenken. Im Angesicht der dramatischen Lage scheint mir nichts als radikal - außer, einfach so weiter zu machen." #NDRfragt-Teilnehmerin Annika, 23, aus Hamburg

Zustimmung zu konkreten Forderungen

Es ist vor allem die Form des Klimaprotestes, die die befragten Norddeutschen ablehnen. Die Ziele der "Letzten Generation" - ein dauerhaftes 9-Euro-Ticket für den öffentlichen Nahverkehr und Tempo 100 auf den Autobahnen - unterstützen sie hingegen mehrheitlich.

Mehrheit glaubt, dass Proteste Menschen schaden

Was stört die Umfrageteilnehmerinnen und -teilnehmer in der #NDRfragt-Community an den Aktionen der "Letzten Generation", wenn sie doch deren Forderungen mehrheitlich unterstützen? Die meisten, die die Proteste für unangemessen halten, glauben, dass dabei Menschen zu Schaden kommen (52 Prozent). Jeder Zweite (50 Prozent) findet außerdem, dass radikale Aktionen ohnehin nicht mehr nützen als gemäßigter Protest. Viele sorgen sich auch um das demokratische Miteinander: 46 Prozent geben an, dass demokratisch gewählte Regierungen sich von den Klimaprotesten nicht unter Druck setzen lassen dürfen.

Etwa die Hälfte der Befragten hält den Protest der "Letzten Generation" für "Erpressung", fast genausoviele für "undemokratisch". Die Community-Mitglieder beschreiben, dass beides für sie zusammenhängt:

"Andere Menschen unter Druck setzen, um seinen eigenen Willen durchzusetzen, ist für mich keine Demokratie! " #NDRfragt-Teilnehmerin Ingrid, 77, aus Niedersachsen

Drei Viertel für Gerichtsverfahren und Geldstrafen

Ob die Proteste der "Letzten Generation" Straftaten sind, sollte aus Sicht vieler Befragter zumindest geprüft werden: So sprechen sich etwa drei Viertel dafür aus, dass sich die Aktivistinnen und Aktivisten vor Gericht verantworten müssen. Zwar lehnt die knapp die Hälfte harte Maßnahmen wie Präventivhaft oder private Hausdurchsuchungen ab. Drei Viertel sind jedoch für Geldstrafen - die manchem noch nicht hoch genug sind:

"Diese Straftaten sollten härter bestraft werden. Geschädigte wie Autofahrer, Museumsbetreiber und Firmen sollten ständig Anzeigen erstatten. Die vollen Kosten müssen von den Störern getragen werden!" #NDRfragt-Teilnehmerin Christiane, 59, aus Bremen

Attacken auf Kunst für Mehrheit Grenzüberschreitung

Nicht alle Protestformen stören die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Umfrage gleichermaßen: Wenn Menschen für das Klima in den Hungerstreik treten oder Öl-Pipelines blockieren, geht das nur einer Minderheit zu weit (8 bzw. 28 Prozent). Werden aber Straßen oder Rollfelder blockiert, empfinden das 60 Prozent als zu viel. Am stärksten ist die Ablehnung, wenn Kunst zur Zielscheibe von Attacken wird: Für 63 Prozent ist das jenseits des Akzeptablen. Viele Community-Mitglieder sehen darin keinen Zusammenhang zum Klimaschutz - und keinen Nutzen:

"Aktionen sind nötig. Aber es nützt keinem, Kunstwerke zu zerstören. Die zu bedrängen, die als Großkapitalisten das Ganze zu verantworten haben, wäre nötig." #NDRfragt-Teilnehmer Michael, 23, aus Hamburg

Die Umfragen von #NDRfragt sind zwar nicht repräsentativ, stehen aber für die Meinungen einer großen und wachsenden Zahl von Norddeutschen. Wir gewichten die Antworten statistisch, damit #NDRfragt so gut wie möglich die Bevölkerungsgruppen in Norddeutschland widerspiegelt.

Stimmen aus der #NDRfragt-Community

Viele Mitglieder der #NDRfragt-Community haben in der Umfrage ihre Gedanken und Meinungen zu den Klimaprotesten aufgeschrieben. Hier eine kleine Auswahl der Stimmen, die uns erreicht haben:

Wachsende #NDRfragt-Gemeinschaft mit 20.000 Norddeutschen

Die NDR Umfrage-Gemeinschaft #NDRfragt gibt es seit Ende Oktober 2022. Mittlerweile haben sich knapp 20.000 Norddeutsche angemeldet. #NDRfragt ist das Meinungsbarometer für den Norden. Wer noch nicht dabei ist, aber mitmachen will, kann sich registrieren und an den Umfragen teilnehmen. Mitglied kann werden, wer in Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg oder Bremen wohnt und mindestens 16 Jahre alt ist.

Weitere Informationen
Das Logo von #NDRfragt © Getty Images | iStockphoto Foto: BongkarnThanyakij

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Über diese Befragung

Die Antworten stammen aus der Umfrage "Kleben fürs Klima - wie weit darf Klima-Protest gehen?", an der sich 12.815 Norddeutsche beteiligt haben.

Für die Ergebnisse wurden Antworten ausgewertet, die vom 12.01.2023 bis zum 16.01.2023 um 09:00 Uhr abgegeben wurden. An den Umfragen von #NDRfragt nehmen Menschen aus Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Bremen teil. Die Umfragen werden online ausgefüllt.

Die Ergebnisse der Befragung sind nicht repräsentativ. Wir haben sie allerdings nach den statistischen Merkmalen Alter, Geschlecht, Bundesland und Schulabschluss gewichtet. Das heißt: Antworten von Bevölkerungsgruppen, die unter den Befragten seltener vertreten sind als in der norddeutschen Bevölkerung, fließen stärker gewichtet in die Umfrageergebnisse ein. Und die Antworten von in der Befragung überrepräsentierten Gruppen werden schwächer gewichtet. Insgesamt verteilen sich die Antworten dann am Ende eher so, wie es der tatsächlichen Verteilung der Bevölkerungsgruppen in Norddeutschland entspricht.

Für die Auswertung der Frage nach der Angemessenheit der Klimaproteste nach Altersgruppen wurden die Antworten nicht gewichtet, da dies innerhalb der Altersgruppen nicht möglich war.

Weitere Informationen
Eine Frau schaut auf einen Monitor mit dem Schriftzug "#NDRfragt" (Montage) © Colourbox

#NDRfragt - das Meinungsbarometer für den Norden

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Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Aktuell | 19.01.2023 | 21:03 Uhr