Schutz der Menschen ist das Kostbarste
Für Schutzsuchende soll es an den EU-Außengrenzen noch schwieriger werden. Doch Geflüchtete sind nicht Menschen, die anderen nur auf der Tasche liegen, sondern wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaft, betont Sieghard Wilm.
Chefvisite. Die Privatpatientin ist ganz aufgeregt. Sie hat so viele Fragen zu ihrer Behandlung. Das Pflegepersonal hat immer abgewimmelt und gesagt: "Das können Sie ja den Chefarzt fragen." Der soll nun jeden Moment vorbeikommen. Da geht die Tür zum Krankenzimmer auf und ein freundliches Gesicht erscheint und wünscht einen "Guten Tag". Antwort der Privatpatientin: "Sie können jetzt hier nicht putzen. Kommen Sie später wieder. Jeden Moment kann der Chefarzt zur Visite kommen." Kurzes Schweigen, dann antwortet der Mann: "Entschuldigung. Ich bin der Chefarzt."
Wie peinlich! Die Frau hatte ihn für eine Reinigungskraft gehalten. Warum? Weil er dunkle Hautfarbe hat? Weil man so einem nicht zutraut, Arzt zu sein, ja, Chefarzt? "Eigentlich", so erzählt der Herzspezialist, "hätte es mich hier gar nicht geben sollen." Als Flüchtling vor dem Bürgerkrieg nach Deutschland gekommen, hätte er drei Mal abgeschoben werden sollen. Doch immer wieder hat er Menschen gefunden, die ihn unterstützt und ermutigt haben.
"Ohne zugewanderte Menschen wären wir ärmer"
Beim Flüchtlingsgipfel am Mittwoch in Berlin geht es darum, wer was zahlen soll. In den letzten Wochen ist viel über Geld gestritten worden. Dabei wird oft vergessen, dass Geflüchtete nicht nur Menschen sind, die anderen auf der Tasche liegen. Es kommen Menschen zu uns, die ihre Talente mitbringen und ihre Willenskraft, sich eine Zukunft aufzubauen. Ohne sie wären wir ärmer. Viele Stellen blieben unbesetzt. Das Gesundheits- und Pflegewesen wäre wohl schon zusammengebrochen.
Für Schutzsuchende soll nun alles schwieriger werden. Wenn unsere Regierung Schnellverfahren an der EU-Außengrenze zustimmt, dann soll das Abwimmeln schneller gehen und alles billiger werden. Dabei ist doch der Schutz der Menschen das Kostbarste, das die Bibel kennt und wofür sich die Menschenrechte stark machen. Während überall die Zäune erhöht werden, um Schutzsuchende abzuwehren, frage ich mich: Kann es eine Höchstgrenze der Mitmenschlichkeit geben?
