Kristina Lunz, Mitbegründerin des Centre for Feminist Foreign Policy © centreforfeministforeignpolicy.org Foto: Sapna Richter

Kristina Lunz: "Religionen sind alle patriarchal geprägt"

Stand: 18.09.2023 09:00 Uhr

Kristina Lunz ist Politikberaterin, Autorin und feministische Aktivistin. Bekannt wurde sie mit ihrer erfolgreichen Kampagne gegen die sexistischen Frauendarstellungen der "Bild"-Zeitung.

Muss Zukunft feministisch sein?

Kristina Lunz: Die Zukunft muss feministisch sein, wenn wir es als Weltgemeinschaft irgendwie hinbekommen wollen, dass alle Menschen in Sicherheit, Frieden und ausgestattet mit Freiheit leben können.

Was machen Feministinnen anders?

Lunz: Sie fordern zum Beispiel in Bezug auf Außen- und Sicherheitspolitik, sie fordern, dass Gleichberechtigung, Freiheit, Gerechtigkeit, diese Prinzipien in allem politischen Agieren, Handeln angewandt werden. Das ist die Basis aller Aktionen, allen Denkens aller Forderungen. Und traditionelle Außen- und Sicherheitspolitik beispielsweise fokussiert sich vor allem auf wirtschaftliche Interessen und militärische Sicherheit.

Würden Sie sagen, dass Glauben etwas mit Feminismus zu tun haben kann und muss?

Lunz: Kann auf jeden Fall, muss unbedingt. Also Religion und Glauben, was sehr persönliche Entscheidungen sein sollten, ist nicht in allen Staaten dieser Welt so. Es gibt eben auch Länder - Iran gucken wir uns an und viele andere, wo es nicht für eine persönliche Entscheidung zugelassen wird. Aber Glauben und Religion, was eine sehr persönliche Entscheidung sein sollte, überall auf der Welt, ist am Ende ja wie eine Art Werkzeug. Das kann zum Positiven verändert werden. Glauben und Religion kann die Macht haben, zu friedlichen Bewegungen, zu pazifistischen Strömungen beizutragen, kann dazu beitragen, dass Menschen zusammenkommen und sich für andere einsetzen. Und Religion und Glauben genauso - hat ja auch in der Vergangenheit in der Geschichte immer wieder gezeigt - kann Werkzeug sein, dass die Unterdrückung und die Ausgrenzung anderer Menschen legitimiert. Das heißt, dass das Werkzeug an sich sehr viel Positives bewirken kann, wenn es richtig eingesetzt wird. Und gleichzeitig ist es so, dass die Weltreligionen aber eigentlich ja alle patriarchal geprägt sind. Und es kommt ja immer darauf an, wer hat das Recht und die Macht zu interpretieren und zu definieren. Und, deswegen müssen wir demgegenüber kritisch bleiben, um zu gucken, okay, wer legt wie was mit welchem Zweck aus? Und wie wird dadurch welche Macht vielleicht auch bekräftigt?

Und was mich besonders freut, die ich eben nicht sehr versiert bin bezüglich religiöser Themen … was mich aber freut, es immer mehr zu sehen, dass in unterschiedlichen Religionen, ob im Christentum, im Islam feministische Strömungen - sehr schlaue, feministische Menschen, die unterschiedlichen Religionen eben neu denken und auslegen - und feministisch interpretieren. Und da kann Religionen auf jeden Fall ein Werkzeug für positiven, zukunftsfähigen Wandel sein.

Was ist Ihre Hoffnung, Frau Lunz?

Lunz: Meine Hoffnung ist, dass wir als Weltgemeinschaft, als Menschen daran festhalten können, dass wir uns darauf geeinigt haben, dass Menschenrechte für alle gelten müssen.

Das Interview führte Susanne Richter.

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Gott und die Welt - der Podcast | 16.09.2023 | 07:40 Uhr

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