Abdollahi: "Wir müssen die Welt nicht immer allein retten"
Der Eisbär ist zum Symboltier für den Klimawandel geworden. In seinem fünfteiligen Dokumentarfilm "Time to say goodbye" fährt der Fernsehjournalist Michel Abdollahi in die Arktis, um einen Eisbären zu finden.
Welche Erkenntnisse haben Sie dabei gewonnen?
Michel Abdollahi: Dass wir sehen, dass es etwas gibt, das über uns steht. Nämlich die Schöpfung. Das ist nochmal mehr als das Individuelle, das wie wir in Westeuropa und Teilen der restlichen Welt immer mehr leben: Immer nur ich, ich, ich. Ich glaube, man kann das auch ein bisschen überdrehen. Vor allem, wenn man sich die Tierwelt anschaut, die gar keine Stimme hat und die genauso bedeutend ist - und im Falle des Eisbären auch noch ein Indikator dafür ist, was auf uns zukommen wird. Wenn der irgendwann ins Wasser plumpst und nicht mehr ist, dann können wir diesen Klimawandel erst recht nicht mehr aufhalten.
Sie sind dabei in gefährliches Gebiet vorgedrungen. Gab es da auch Momente, in denen Sie gebetet haben?
Abdollahi: Ich bin ein relativ gläubiger Mensch. Und wenn ich nicht mehr weiterweiß, sage ich: lieber Gott hilft mir, dass ich hier durchkomme oder lieber Gott, danke dafür, dass ich durchgekommen bin. Für mich gehört beides immer dazu. Als ich in der Arktis gelandet bin und plötzlich auf diesem gefrorenen Ozean stand, wussten mein Kameramann und ich nicht, was uns geschieht - das Wetter wurde immer kälter, die Sicht zog sich zu. Da habe ich schon gesagt: lass uns das irgendwie durchstehen. Lasst mich diesen Jungen heil wieder nach Hause bringen. Das habe ich seinen Eltern versprochen.
Und was war das für ein Moment, als sie dieses Symboltier des Klimawandels, den Eisbären, gesehen haben?
Abdollahi: Ich habe ihn schon oft im Zoo gesehen. Das ist beeindruckend. Aber ich kann das gar nicht in Worte fassen. Das Gebiet nennt sich Bäreninsel, mitten auf der gefrorenen Arktischen See. Es sind minus 25 bis 35 Grad. Die Sonne geht nicht unter, und man weiß gar nicht, wie viel Uhr es ist. Und dann steht man vor diesem unglaublichen Tier. Als ich dieses erste Mal vor einem echten Eisbären in völlig freier Wildbahn stand, hat sich das für den Rest meines Lebens in mein Gehirn eingebrannt.
Wenn der Moment gekommen ist, in dem der Eisbär dann zu sehen ist, kriegt man da wirklich Tränen in die Augen. Ich weiß nicht, was das ist, vermutlich eine Gegenüberstellung von Kultur und Natur, fast etwas Spirituelles …
Abdollahi: Alle Zuschauer des Films, die mir geschrieben haben, haben über diese Szene gesagt: ich hatte Gänsehaut, ich hatte Tränen in den Augen, ich habe ganz doll geheult. Man steht vor dem größten Landraubtier, das so weit weg wohnt, dass ich so lange suche, um es zu finden und dann vor ihm zu stehen. Und ich weiß, dass sich in der Lage bin, durch meinen ganz normalen Lebenswandel hier in Hamburg dieses Tier zu töten. Ich glaube, das macht was mit einem.
Eine demütige Haltung? Gleichzeitig ist das ja auch ein Raubtier und hätte sie töten können …
Abdollahi: Es ist eine große Demut, und interessanterweise waren auch meine drei Jäger, die mich begleitet haben, demütig. Die drei Inuit haben mich nach Wochen in der Arktis dorthin geführt. Die töten normalerweise, wenn sie Großwildjäger aus dem Westen für viel Geld dort hinführen, damit die dieses Tier töten. Wir hatten diesmal das Ziel, das Tier nicht zu töten. Ich habe gesagt, wir werden dieses Tier nicht schießen: mein Geld, meine Lizenz, mein Recht. Ich bin hier der Chef. Und alle: Du hast bezahlt, was du sagst, wird gemacht, so, du bist der Kunde. Und dann standen wir dort, und einer meinte zu mir: Ganz schön viel Geld ausgegeben dafür, dass man sich einfach nur so ein Tier anguckt und es nicht tötet. Ich verstehe das nicht. Und der andere Jäger meinte: Ganz im Ernst, hast du die je schon mal die Zeit genommen, dir dieses Tier in Ruhe anzuschauen? Und dann guckten die drei sich an und meinten: Das war die beste Jagd, die wir je gemacht haben.
Es gab eine zärtliche Szene, wie ich fand, als Sie zu dem einen Jäger gesagt haben: Du bist auch ein kleiner Polarbär. Er hat das als Kompliment aufgenommen. Was hat das verändert? Und mit was für Gefühlen sind sie nach Hause geflogen?
Abdollahi: Es hat mir gezeigt, dass ich auf einer Mission bin und die ich fortführen muss. Und ob die Leute das hören wollen oder nicht, dieses Wort, was in das eine Ohr reingeht und aus dem anderen rauskommt. Wo Leute abschalten, wenn Sie das hören: Klimawandel. Verstehe ich, aber ich habe gesehen, dass ich etwas dagegen tun kann. Und wenn Du und Du und Du da draußen nichts dafür tun möchte, dann gebt mir euer Geld. Meinetwegen 2,50 Euro. Ich habe eine Stiftung gegründet und gebe das an die weiter, die gute Arbeit leisten. Es ist nämlich nicht so, dass wir immer allein die Welt retten müssen. Ganz viele Menschen da draußen machen das schon.
Das Interview führte Susanne Richter. Redaktion: NDR