Stand: 12.12.2007 23:00 Uhr

Medienärger - Der Rückblick auf 250 Zapp-Sendungen

Journalisten wissen viel - und sie wissen fast alles besser. Gerne sind sie auch ein bisschen geschwätzig - und selten verlegen, selbst im Mittelpunkt zu stehen. Soweit das Klischee. Die Realität ist mal wieder etwas komplizierter. Denn auch Medienmacher produzieren nicht nur Erfolgsmeldungen. Warum tun sich ausgerechnet Verlage und Sender so schwer, über die Vorgänge im eigenen Haus zu berichten? Wie berichten sie übereinander? Auf diese Fragen liefert Zapp seit 250 Sendungen Antworten und sorgt damit immer wieder für Ärger - auch im eigenen System, der ARD. Denn ob Schleichwerbung oder Selbstinszenierung, Spiegel oder Springer: Zapp berichtet da, wo andere schweigen.

Anmoderation:

Vielen Dank, Kai Diekmann - einer, der sich sonst nie in Zapp äußert. Gerne hätten wir in unserer heutigen Jubiläumssendung auch die Glückwünsche von zwei anderen Medienmächtigen gesendet. Auch sie lehnen Zapp-Interviewanfragen regelmäßig ab: Noch-"Spiegel"-Chef Stefan Aust und Noch-"FAZ"-Herausgeber Frank Schirrmacher. Der eine hatte keine Zeit wegen der Turbulenzen um seine Nachfolge. Der andere wegen der Aufregung um seine peinlichen Elogen für Scientology-Star Tom Cruise bei der Bambi-Verleihung. Aber wo andere schweigen, berichtet Zapp besonders gerne: Ob "Spiegel", Springer, Schleichwerbung oder Selbstinszenierung - Julia Salden und Josy Wübben mit einem ruhmreichen Rückblick auf 250 Sendungen.

Beitragstext:

Collage diverser Zapp-Anfragen - Reporterin: "Herr Dietl, Norddeutscher Rundfunk, Zapp-Redaktion." Wilhelm Dietl: "Nee, bestimmt nicht!" Reporterin: "Herr Köser, warum kaufen sie sich denn mit unlauteren Mitteln in ostfriesische Verlage ein?" Reinhard Köser: "Ähm, wwww..." Reporter: "Frau Merkel, ganz kurz. Robert Bongen, NDR Fernsehen." Angela Merkel: "Nee, jetzt machen wir kein Fernsehen." Viele Fragen, keine Antworten. Und seit vier Wochen schweigen auch die, die andere so vieles fragen: "Spiegel"-Journalisten. Reporterin steht vorm "Spiegel"-Gebäude und stellt diversen "Spiegel"-Mitarbeitern die Frage: "Wie ist die Stimmung beim Spiegel gerade?" "Kein Kommentar." Toughe "Spiegel"-Reporter auf der Flucht vor Zapp. Es herrscht Verwirrung nach dem Ende der "Aust-Zeit". Wer wird sein Nachfolger? Die "Spiegel"-Reporter sind ahnungslos und deshalb auch im "Spiegel"-Heft bisher kein Wort über die Personalie, über die alle anderen berichten. "Klaus Kleber soll der Neue sein", so die Schlagzeilen seit sechs Tagen. Doch er kommt nicht nach Hamburg, das steht seit heute abend fest. Der ZDF-Moderator hat dem "Spiegel" abgesagt - das Chaos geht weiter. Reporterin: "Warum sagen die 'Spiegel'-Mitarbeiter so wenig?" Mitarbeiter: "Ich halte es für ein Unglück, wenn 'Spiegel'-Mitarbeiter sich über das eigene Haus äußern, das sollte so nicht passieren."

Muss das wirklich sein?

Sich äußern über das eigene Haus - was manche "Spiegel"-Mitarbeiter als "Unglück" bezeichnen, gehört für die Zapp-Redaktion zum journalistischen Alltag. Denn um glaubwürdig zu sein, will Zapp auch über Missstände im eigenen System berichten. Auch über Personen - selbst wenn es die eigenen Kollegen sind - zum Beispiel Hagen Boßdorf. Zapp berichtet über den ARD-Mann und seine Stasi-Vergangenheit als "IM Florian Werfer". Kurz vor dem Bericht war Boßdorf gerade zum Sportchef des NDR gewählt worden. Und Zapp berichtet auch über Günter Jauch und seine kleinliche Klage gegen einen Reporter der "Bild". Die ARD wollte den Talkmaster gerade als Nachfolger von Sabine Christiansen verpflichten. Die kritische Berichterstattung von Zapp kam deshalb denkbar ungelegen. Prof. Jobst Plog, NDR-Intendant: "Ich hätte diesen oder jenen Beitrag lieber nicht gehabt - das stimmt. Aber das geht vielen anderen auch so. Ich kenne Leute, die sich weit mehr darüber ärgern als ich." Immer wieder Anlass für Ärger: Die "Tour de France"-Berichterstattung. Sportliche Helden, spannende Bilder - doch kaum ein Wort über Doping, denn ausgerechnet die ARD engagierte sich für das damalige "Team Telekom". Die "Eins" auf dem Trikot. Zapp prangerte die fehlende journalistische Distanz immer wieder an. Prof. Jobst Plog: "Es gab schon Ärger. Natürlich, wann immer Anstalten aus der ARD betroffen sind, dann kam die Anfrage: Muss das wirklich sein? Das ist so. Aber, ich glaube, ich musste da nicht furchtbar kämpfen. Das kann man durchhalten als Standpunkt."

Latrinen-Parolen

Auch er hat sich geärgert - Helmut Markwort, Chefredakteur von "Focus". Früher gab er Zapp gerne Interviews, doch nach der sogenannten BND-Affäre vor zwei Jahren, war das vorbei. Denn Zapp berichtete, dass einige "Focus"-Reporter gegenüber dem Geheimdienst allzu offen spekuliert und geplaudert hatten. Zum Beispiel darüber, woher diese Journalisten von der Konkurrenz ihre Geheimdienstinformationen hatten. Die betroffenen Reporter waren empört: Sie beschuldigten "Focus"-Journalisten als willige Helfer des Geheimdienstes. Hans Leyendecker (2006), "Süddeutsche Zeitung": "Es gibt einen alten Grundsatz im Journalismus: Über Quellen redet man nicht. Man redet auf keinen Fall über die eigenen, aber auch nicht über die Quellen der anderen. Und, ich weiß nicht, ob die 'Focus'-Leute diesen Grundsatz noch mal lernen." Nachdem Leyendecker seine Akten gelesen hatte, legte er nach. In Zapp kam es zum Schlagabtausch. Hans Leyendecker: "Ich habe mich natürlich dafür interessiert, wer hat die eigentlich weitergeliefert diese Information. Ich stoße nur auf 'Focus'-Mitarbeiter." Helmut Markwort (2006), "Focus"-Chefredakteur: "Find ich lächerlich, was der Leyendecker macht. Das ist unter, unter meinem Niveau, mich dazu zu äußern." Hans Leyendecker: "'Focus' kann mich auch nicht verstören. Also, ich habe von dem Blatt nie das Beste erwartet, und da sehe ich mich auch nicht getäuscht." Helmut Markwort: "Der Herr Leyendecker, das ist ja wirklich ein eifersüchtiger Giftzwerg, der da alleine gegen uns rumstänkert, das berührt uns nicht." Hans Leyendecker: "Also, ich hab schon ne Idee, woher 'Focus' diese Informationen hat. Die 'Focus'-Leute nämlich, es muss in irgendwelchen Latrinen gewesen sein, weil das, was da behauptet wird, Latrinen-Parolen sind."

Munter aufeinander einhauen

Der heftige Streit unter Journalisten. Heute eher die Ausnahme. Leider. Michael Jürgs (2005), Publizist: "Es muss Gegensätze geben, es muss in einer Demokratie möglich sein, dass der und die andere Meinungen haben, es muss auch Schlachten geben unter den Medien. Das ist ganz normal." Es ist aber nicht normal, denn heute kungeln mächtige Medien, die früher Kontrahenten waren. "Spiegel"-Chef Stefan Aust und "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann als gemeinsame Gastgeber. Und gemeinsam druckten beide Blätter die Erinnerungen von Bill Clinton und die Memoiren von Gerhard Schröder. Viele Reporter von "Spiegel" und "Bild" wunderten sich über ihre Chefs. Springer-Boss Döpfner und "Spiegel"-Mann Aust verbündeten sich auch mit dem "FAZ"-Herausgeber Frank Schirrmacher. Gemeinsam versuchten sie, die Rechtschreibreform zu kippen. Eine neue, bedrückende Medienallianz. Hans-Jürgen Jakobs (2005), "Süddeutsche Zeitung": "Man kann sagen, Rechtschreibreform, das ist ein kulturelles Anliegen, aber wer sagt denn, dass es dabei bleibt. Es könnte ja im nächsten Schritt um konkrete, handfeste Interessen der Häuser gehen, die man mit gemeinsamem Druck befördern könnte." Udo Röbel (2005), ehemaliger "Bild"-Chefredakteur: "Ich wünsche mir als alter 'Springer'-Mann eigentlich Zeiten zurück, wo 'Spiegel' und 'Bild' munter aufeinander einhauen, und das sehe ich nicht mehr. Und das ist für mich eigentlich die größte Gefahr."

Die wirklich kitzligen Dinge

Denn oft genug laufen alle in eine Richtung - vor allem in Berlin. Der Hauptstadtjournalismus ist hektisch und unübersichtlich. Wie ein Fels in der Brandung wirkte früher die Bundespressekonferenz. Der Ort, an dem sich Politik und Medien regelmäßig treffen. Doch der Saal füllt sich heute nur, wenn die Prominenz kommt. Zapp dokumentiert deshalb mehrfach die Szenen, die viele Journalisten in der Realität erleben. Ausschnitt aus Bundespressekonferenz: "Dann die Chemikalienverordnung. Die Klimakonferenz in Montreal. Gibt es Fragen zum Konjunkturpaket?" Ulrich Deupmann (2006), "Bild am Sonntag": "Die wirklich kitzligen Dinge passieren nicht hier in der Bundespressekonferenz, sondern eher dann in irgendwelchen Cafés, im Hinterzimmer, wo man Informationen bekommt. Nicht hier." Aber hier: Solche Hinterzimmer, in denen Journalisten angeblich Informationen bekommen, gibt es in Berlin fast überall. Aber mit der Kamera sind wir von Zapp unerwünscht. Journalisten sagen auch warum. Journalistin: "Wir handeln geheime Dinge ab. Und zwar, wir wollen Politik verstehen, und das muss ein Zuschauer oder Zuhörer oder Leser nicht erfahren, sondern er muss dann nur verstehen, was wir sagen." Journalistin: "Der Mehrwert besteht einfach darin, dass wir die Wahrheit erfahren und die dann, so bitter es für manche auch ist, dann nicht schreiben oder senden dürfen." Die Wahrheit nicht schreiben oder senden? Und stattdessen?

Alle hatten ihr geglaubt

Geschichten, die sich schön anhören, aber mit der Wahrheit nichts zu tun haben? Senait Meharis Geschichte war eine solche. Eine ehemalige Kindersoldatin - schön, charmant, erfolgreich. Ihr Buch wurde ein Bestseller. Doch Zapp fragte nach und Senait Mehari gab eine überraschende Antwort. Reporterin: "Würden Sie sich selber als ehemalige Kindersoldatin bezeichnen?" Senait Mehari, 2007: "Nein, so würde ich das nicht sagen. Ich würde sagen, ich bin ein Kind-Krieg. Also, ein Kind, ja, ein Kind-Krieg. Oder Kinder.." Reporterin: "Kind des Krieges zum Beispiel?" Senait Mehari: "Kind des Krieges, genau! Das würde ich zu mir sagen." Aber, warum dann all die Talkshows, die Zeitungsartikel über Senait Mehari, die Kindersoldatin. Nicht sie, die Journalisten seien schuld. Senait Mehari: "Die Presse sucht sich doch das aus, was am wirksamsten ist. Und selbst, wenn sie mich ständig als Kindersoldatin betiteln, sag ich: Okay, wenn sie das brauchen, um mich so zu nennen, Hauptsache, ich komm an mein Ziel." Senait Mehari war wie geschaffen für die Medien. Alle hatten ihr geglaubt, keiner hatte jemals zuvor kritisch nachgefragt.

Ein perfektes "Bild"-Märchen

Auch diese Nachricht war einfach zu gut: "Aus toten Katzen mache ich Benzin" - meldete "Bild". "Für eine Tankfüllung 20 Miezen" - eine tolle Geschichte, aber frei erfunden. Zapp fragt den angeblichen Katzenmörder. Christian Koch (2005), Erfinder: "Bei uns gibt es überhaupt keine Katze. Wir haben im Garten eine Kröte und sonst gar nichts. Und wir haben auch mit Katzen nichts zu tun und wir sind Chemieanlagenbauer." Die erfundene Geschichte von Benzin aus Katzen: Morgens in "Bild", abends in den Boulevardmagazinen - auch in der ARD. Ausschnitt "Brisant", ARD 28.09.2005: "In einer alten Scheune in Sachsen geschieht die Verwandlung Katze zu Kraftstoff. Die Erfindung ist genauso einfach wie geheim. Die kleingehakten Kadaver werden mit Abfall und einem Geheimpulver gemischt." Die absurde "Bild"-Story geht um die Welt. Keiner fragt nach, alle schreiben ab. Und so berichten sie von Dänemark bis in den Iran: Über Dr. Christian Koch aus Kleinhartmannsdorf. Und alle kopieren die "Bild"-Erfindung: 2,5 Liter Kraftstoff für 20 Katzen. Tiere, Benzin, ein deutscher Erfinder - es war ein perfektes "Bild"-Märchen. Die meisten haben es geglaubt.

Zynische Inszenierung

Doch Zapp entlarvt nicht nur Lügen, sondern zeigt auch schlimme Inszenierungen. Der Krieg im Libanon. Viele Opfer, furchtbare Bilder. Und immer mittendrin: Der Mann mit dem grünen Helm. Er präsentierte der Weltpresse die getöteten Kinder. Und alle fragten: Welche Rolle spielt dieser Mann? Die Antwort lieferten diese Aufnahmen. Ein toter Junge wird in den Ambulanzwagen gehoben. Mit dabei der Helfer, den Helm noch in der Hand. Kurze Besprechung mit einem Zivilisten, danach der Gang zum Kameramann. Die Aufforderung: Weiterdrehen. Dann, kurze Regiebesprechung. Bessere Bilder müssen her. Der tote Junge wird wieder auf die Erde gelegt. Der Helfer jetzt mit Helm auf dem Kopf. Sinnloses Umbetten auf eine andere Trage. Der Helfer sorgt für freie Sicht und entpuppt sich damit als Regisseur einer zynischen Inszenierung. Diese Zapp-Aufnahmen gingen um die Welt. Dabei hatte Zapp nur das Material gezeigt, was allen Nachrichtensendungen vorlag. Doch alle hatten es übersehen, das grausame Dokument einer perfiden Inszenierung.

Ertappte Journalisten

Bilder einer Katastrophe vor zwei Jahren: Zerstörung, Chaos, Not - Folgen eines Hurrikans in New Orleans. Doch als der Präsident kommt, inszeniert er sich auf einer aufgeräumten Straße. George Bush als Retter. Die Tagesschau-Reporterin vor Ort ist wütend. Christine Adelhardt, ARD-Korrespondentin, 02.09.2005: "Dieser Pressetross hat damit sehr schöne Bilder, die da sagen sollen: Der Präsident war da und die Hilfe, die wird auch kommen. Das Ausmaß der Naturkatastrophe hat mich geschockt, aber das Ausmaß der Inszenierung hier heute, schockt mich mindestens genauso. Damit zurück nach Hamburg." Die Schalte ist vorbei. Irritierte Nachfragen über ihre Wortwahl aus der Tagesschau-Redaktion. Christine Adelhardt, ARD-Korrespondentin, 02.09.2005: "Ja, ich bin aber auch so was von wütend." Es gab Ärger nach dieser Schalte. Selten hatte jemand so Klartext geredet in einer Nachrichtensendung. Christine Adelhardt: "Ja, ja, weil das ist wirklich unglaublich, unglaublich! Eine Unverschämtheit den Menschen gegenüber!" Inszenierungen aus der ganz normalen Medienwelt. Sie zu entlarven versucht Zapp jede Woche. Viele Zuschauer sind dafür dankbar, manche ertappte Journalisten weniger. Prof. Jobst Plog: "Es gab sehr viel Gegenwind, aber ich habe das nicht bereut, nein. Obwohl, die Quote ist besser als befürchtet, aber der Ärger ist natürlich auch eingetreten."

Abmoderation:

Tja Ärger, den gab's und gibt's tatsächlich jede Menge. Nach fast jeder Sendung Anrufe, Briefe, Beschwerden. Manche Fälle füllen sogar ganze Ordner. Das liegt daran, dass Journalisten zwar gerne austeilen, aber nicht gerne einstecken. Eine besonders sensible Spezies, diese Medienmacher. Und manchmal auch ganz schön schrill. Grit Fischer über die skurrilsten Begegnungen und Augenblicke in 250 Zapp-Sendungen.

Dieses Thema im Programm:

ZAPP | 12.12.2007 | 23:00 Uhr

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