Stand: 10.05.2006 23:00 Uhr

Wie staatliche Behörden Fernsehbeiträge finanzieren

 

Die Bundesagentur für Arbeit, kurz BA, sorgt sich um ihr Image. Um das Bild der Behörde aufzupolieren, lässt die Bundesagentur Fernsehbeiträge produzieren und platziert sie im Programm eines öffentlich-rechtlichen Senders. Für positive Berichterstattung fließen Summen im sechsstelligen Bereich. Kritiker sind empört, dass eine quasi staatliche Behörde mit Beitrags- und Steuergeldern PR in eigener Sache betreibt - und dies bei öffentlich-rechtlichen Anstalten. Nach Recherchen von Zapp lässt auch die Deutsche Rentenversicherung - eben so eine staatliche Institution - Imagefilme produzieren, die sie öffentlich-rechtlichen Sendern kostenlos zur Verfügung stellt. Und zwei Sender strahlen sie auch aus. Zapp über: "Gekaufte Inhalte - wie staatliche Behörden Fernsehbeiträge finanzieren".

Arbeitslose suchen Arbeit. Drinnen: überfüllte Warteräume, Menschen, die sich als Nummern fühlen, Emotionen und Bilder, die das Image der Bundesagentur für Arbeit seit vielen Jahren prägen. John-Philip Hammersen, Sprecher "Bundesagentur für Arbeit", Sprecher "Bundesagentur für Arbeit": "Wir wissen, dass unsere Akzeptanz in der Öffentlichkeit schlecht ist. Sehr schlecht, um genau zu sein. So. Das heißt, unser Ziel ist es, das deutlich zu verbessern." Zum Beispiel mit solchen Bildern: keine Warteschlangen, perfekter Service, zufriedene Kunden, freundliche Berater. Und dazu der passende Kommentar (Filmausschnitt JoJo - Das Jobjournal/MDR): "Margita Noverini geht zum ersten mal zufrieden aus dem Jobcenter. Mit einem neuen Gefühl und einer Aussicht auf eine Arbeitsgelegenheit tritt sie den Heimweg an." So schön können Arbeitsämter im Fernsehen sein. In der Zentrale in Nürnberg weiß man, wann das funktioniert; wenn Geld fließt. John-Philip Hammersen, Sprecher "Bundesagentur für Arbeit": "Da beteiligen wir uns an den Produktionskosten für einzelne Beiträge innerhalb dieser Sendung und die Kosten liegen, je nachdem wie lang der Beitrag ist, zwischen zwei und dreieinhalb Tausend Euro."

Und hier laufen solche Beiträge, in "JoJo - Das Jobjournal". Ein halbstündiges Magazin, im Fernsehprogramm des MDR. Viele Erfolgsgeschichten, die sich die Bundesagentur einiges an Beitrags- und Steuergeldern kosten lässt. John-Philip Hammersen, Sprecher "Bundesagentur für Arbeit": "Größenordnung letztes Jahr waren 150.000 Euro und ich geh davon aus, dass es in diesem Jahr wieder etwa in dieser Größenordnung landet." Geld von einer staatlichen Institution für eine Fernsehanstalt, deren Prinzip Staatsferne ist. Prof. Dieter Dörr, Professor für Medienrecht, Professor für Medienrecht: "Man muss den Anfängen wehren, es ist entscheidend, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk bei der Staatsfreiheit übrigens wirklich ganz korrekt bleibt. Er darf von staatlichen Seiten kein Geld für Berichterstattung nehmen und darum geht es ja hier, es geht um bezahlte Beiträge, dies ist der größte Sündenfall, den ich mir überhaupt vorstellen kann." Und genauso sieht es auch der "Bundesrechnungshof". In einer internen "Mitteilung" an die "Bundesagentur für Arbeit" kritisiert er deren Öffentlichkeitsarbeit. Die Bundesagentur für Arbeit versuche durch diese "gezielte Medienkooperation" "die kritische Berichterstattung" zu "vermindern". "Eine solche Öffentlichkeitsarbeit" sei daher weder "notwendig" noch "zulässig".

Diese brisante Mitteilung an die Bundesagentur gelangte in die Hände eines Journalisten, der für ein Buchprojekt recherchierte. Thomas Leif, Buchautor "beraten und verkauft", Buchautor "beraten und verkauft": "Zunächst war es recht schwierig an dieses Dokument heranzukommen. Ich hörte davon, dass es existiert und hatte aber keinen Zugang, weder vom Rechnungshof noch von anderen Seiten. Und dann über schwierige Wege bekam ich das Dokument und stellte fest, na ja, ist klar, warum die das nicht herausgeben wollen. Das hier ist in der gesamten Auflistung eine Skandalchronik, wie eine öffentliche Institution mit gekaufter Information ihr ramponiertes Image aufpolieren will." Die Imagepolitur, alle zwei Wochen zu sehen beim MDR. Nicht immer problemlos. John-Philip Hammersen, Sprecher "Bundesagentur für Arbeit": "Manchmal muss man vielleicht ein bisschen nachhelfen, damit das in den Redaktionen als Thema so gesehen wird." Und so wird aus dem schwerfälligen Moloch "Arbeitsagentur" ein moderner Dienstleister mit lauter Erfolgsgeschichten; auch bei den 1-Euro-Jobs. Filmausschnitt JoJo - Das Jobjournal: "Die Anzahl der Bewerber steigt. Für die Arbeitsagenturen ein Zeichen, dass die 1-Euro-Jobs ein voller Erfolg sind." Überraschende Erkenntnisse, nicht immer realistisch, aber offenkundig interessengesteuert. Prof. Dieter Dörr, Professor für Medienrecht: "Wer bezahlt, heißt es so schön, schafft an, genauso ist das. Es macht mir niemand weis, dass der Geldgeber nicht Einfluss auf den Inhalt des Beitrages nimmt." Thomas Leif, Buchautor "beraten und verkauft": "Wenn man hart urteilt, dann muss man davon ausgehen, dass hier natürlich ein gravierender Fall ist, als der klassische Schleichwerbungsskandal, weil hier die indirekten Effekte so schlimm sind. Die Zuschauer und die Hörer und die Nutzer des Rundfunks, die gehen ja davon aus, dass sie unabhängig informiert werden. Das ist ja sozusagen der Glaubwürdigkeitsbonus des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Und wenn jetzt ruchbar wird, dass es hier gekaufte Informationen gibt, dann ist ja das Prinzip der Staatsferne, das Prinzip der Unabhängigkeit in Frage gestellt. Und das ist schon ein ganz gravierender Vorgang." Vom MDR gibt es dazu nur eine schriftliche Stellungnahme. Darin behauptet der Sender: Er bekomme das Geld nicht für die Ausstrahlung der Beiträge, sondern dafür, dass die Bundesagentur diese Filme zu Schulungszwecken erhalte. Schulungszwecke? Das wäre auch der Bundesagentur neu. Ausrede? Missverständnis? Reporterin: "Laufen Ihre Verhandlungen denn über eine Produktionsfirma oder direkt mit dem MDR?" John-Philip Hammersen, Sprecher "Bundesagentur für Arbeit": "Das läuft direkt mit dem MDR." Reporterin: "Und das Geld landet auch direkt beim MDR?" John-Philip Hammersen, Sprecher "Bundesagentur für Arbeit": "Das landet auch direkt beim MDR."

Er ist der Chef der ARD-Clearingstelle, zuständig für Schleichwerbungsfälle. Er warnt davor, Geldzahlungen umzudeuten. Hermann Eicher, Vorsitzender "ARD-Clearingstelle", Vorsitzender "ARD-Clearingstelle": "Ein Trick darf es auf keinen Fall sein, also das will ich noch mal klar sagen. Wenn Lizenzierungsmodelle nur genutzt würden, um die jetzt bei uns nicht mehr zugelassene Produktionskostenzuschüsse mit anderen Mäntelchen zu versehen, dann wäre das ein klarer Umgehungstatbestand." Der Bundesagentur ist das egal. Sie plant längst neue Projekte, auch bei den privaten Fernsehsendern. John-Philip Hammersen, Sprecher "Bundesagentur für Arbeit": "Wir haben für Medienkooperationen, insgesamt für das Jahr 2006, einen Etat von zwei Millionen Euro." Zwei Millionen Euro aus Steuer- und Beitragsgeldern, da wundert sich nicht nur der Experte. Prof. Dieter Dörr, Professor für Medienrecht: "Wenn die Bundesagentur nicht weiß, was Staatsfreiheit der Medien ist, dann hat sie ein falsches Verständnis von ihren rechtsstaatlichen Bindungen und von ihrem demokratischen Auftrag." Rechtsstaatliche Bindungen? Demokratischer Auftrag? Offenkundig auch hier kein großes Thema; bei der Deutschen Rentenversicherung. Deren Pressesprecher träumt ebenfalls von einem besseren Image seiner Behörde und hat deshalb einfach eine eigene Fernsehserie produziert. Das schöne Motto: "Miteinander".

Ulrich Theil, Sprecher "Deutsche Rentenversicherung", Sprecher "Deutsche Rentenversicherung": "Ich hoffe, dass auch diese Fernsehserie das Bild ändert, dass der Versicherte erkennt, dass das keine alte, keine verstaubte Behörde, sondern hier bietet sich ein moderner Dienstleister an." Immer dreht sich alles um die Rente; spielerisch umgesetzt. Ausschnitt Fernsehfilm zur Rente: "Opa, wo bistn du?" "Hier!" "Hach, ist das kalt draußen. Absolute Minustemperaturen. Hier bei dir ist es aber auch nicht gerade wärmer!" Ulrich Theil, Sprecher "Deutsche Rentenversicherung": "Wir haben unsere Serie aktuell so gestaltet, dass der Fernsehzuschauer nicht sofort erkennen kann, jetzt kommt eine Informationssendung der deutschen Rentenversicherung, sondern es kommt dann über die Moderatorin mit dem Rentenexperten, sozusagen, die Auflösung." Und der Pressesprecher ist der Rentenexperte im Film. Wie praktisch! Eine Täuschung der Zuschauer? Ulrich Theil, Sprecher "Deutsche Rentenversicherung": "Es ist ja tatsächlich so, ich bin Rentenexperte, weil ich das Recht der Rentenversicherung tatsächlich gelernt habe. Reporterin: "Aber auch Pressesprecher? Ulrich Theil, Sprecher "Deutsche Rentenversicherung": "Ja, auch das." Prof. Dieter Dörr, Professor für Medienrecht: "Ich wundere mich überhaupt nicht, dass der Pressesprecher der Rentenversicherung es in Ordnung findet, wenn er als Rentenexperte angekündigt ist. Natürlich, weil das seine Glaubwürdigkeit nach Außen erhöht, weil nicht mehr deutlich ist, dass er auch Interessenvertreter der Rentenversicherung ist." Ulrich Theil, Sprecher "Deutsche Rentenversicherung": "Wir haben im Augenblick, glaube ich, aktuell mehr als 600 Spots bereits gedreht und gesendet. Reporterin: "Was bezahlen die Sender dafür? Ulrich Theil, Sprecher "Deutsche Rentenversicherung": "Die Sender brauchen nichts dafür zu bezahlen." Ein Angebot, das einige Sender gern annehmen, zur Freude des Pressesprechers. Ulrich Theil, Sprecher "Deutsche Rentenversicherung": "Aktuell werden wir ausgestrahlt beim Rundfunk Berlin-Brandenburg, beim Hessischen Rundfunk." Vom Hessischen Rundfunk gab es dazu keine Stellungnahme gegenüber Zapp. Der RBB steht zu der Sendereihe "Miteinander", spricht Zapp gegenüber von "sozialen Beiträgen", "social spots". Stephan Abarbanell, Sendeleitung Fernsehen RBB, Sendeleitung Fernsehen RBB: "Es gibt eine Zusammenarbeit mit der deutschen Rentenversicherung, das ist richtig, von denen wir sogenannte 'spots', 'social spots', gelegentlich im Programm haben."

Prof. Dieter Dörr, Professor für Medienrecht: "Das ist aber bei der Rentenversicherung nicht der Fall, die ist keine soziale Einrichtung. Das ist eine staatliche Einrichtung." Stephan Abarbanell, Sendeleitung Fernsehen RBB: "Es ist keine staatliche Einrichtung, also wir machen keine staatliche Werbung oder Propaganda." Die Deutsche Rentenversicherung also keine Staatliche Einrichtung? Der Rentenversicherer klärt auf. Reporterin: "Ist es denn richtig, wenn ich sage, dass es eine staatliche Institution ist? Ulrich Theil, Sprecher "Deutsche Rentenversicherung": "Das ist sicher richtig." Hermann Eicher, Vorsitzender "ARD-Clearingstelle": "Wenn staatliche Institutionen uns unentgeltlich Programm zur Verfügung stellen, da würde ich sehr genau hinsehen." Prof. Dieter Dörr, Professor für Medienrecht: "Das ist so ähnlich wie die Frage, ob die Bundeswehr dann Sendezeit erhält. Aus meiner Sicht ist es ausgeschlossen, um es ganz deutlich zu sagen." Dennoch hat die "staatliche Einrichtung" im RBB einen festen Sendeplatz. Einmal wöchentlich, 09:25 Uhr, "Miteinander". Stephan Abarbanell, Sendeleitung Fernsehen RBB: "Es hat einen festen Sendeplatz, aber der ist ja nicht, sozusagen, zwingend zu füllen mit diesem Programm. Das können wir dann entscheiden." Reporterin: "Es gibt also überhaupt keine Sendegarantie oder so was?" Stephan Abarbanell, Sendeleitung Fernsehen RBB: "Nein, eine Garantie gibt es nicht." Keine Sendegarantie? Der Auftraggeber sieht das anders. Ulrich Theil, Sprecher "Deutsche Rentenversicherung": "Wir haben dadurch Produktionssicherheit, dass uns die Fernsehsender garantieren, dass sie jeden Spot wenigstens einmal in der Woche ausstrahlen." Regelmäßig hat die Rentenversicherung so ihren Auftritt, ganz im journalistischen Gewand. Sogar mit einer angeblich kritischen Moderatorin. Filmausschnitt aus "Miteinander": Moderatorin: "Das heißt, die Rentner müssen 50 Prozent ihrer Rente versteuern?" Ulrich Theil, Sprecher "Deutsche Rentenversicherung", Gast der Sendung: "Selbstverständlich nicht. Im Steuerrecht gibt es Grundfreibeträge und nur wenn die überschritten werden, kommt es zu einer Besteuerung der Renten."

Prof. Dieter Dörr, Professor für Medienrecht: "Also mich stört die Aufmachung der Beiträge. Weil für den Durchschnittszuschauer dies eben doch ein Beitrag des RBB ist, es ist kein Beitrag der Rentenversicherung." Hermann Eicher, Vorsitzender "ARD-Clearingstelle": "Wenn Sie jetzt sagen, da ist eine Moderatorin eingebaut, dann könnte natürlich wieder die Gefahr bestehen, dass der Zuschauer in die Irre geführt wird, weil er vielleicht denkt, das ist ein Programm der jeweiligen Landesrundfunkanstalt und sich nicht genau darüber im klaren ist, wer ist eigentlich der Absender." Der Absender findet sich am Schluss der Sendung, ganze drei Sekunden lang, im Miniaturformat. Ulrich Theil, Sprecher "Deutsche Rentenversicherung": "Es genügt uns, wenn im Abspann die deutsche Rentenversicherung als Absender der Botschaft dieser Wahrheiten dargestellt wird. Das muss nicht während der gesamten Sendezeit durchs Bild laufen." Reporterin: "Also ist es mit Absicht nur am Ende?" Ulrich Theil, Sprecher "Deutsche Rentenversicherung": "Das ist mit Absicht so gewählt."

Prof. Dieter Dörr, Professor für Medienrecht: "Stellen Sie sich mal vor, vielleicht würde dann überhaupt die Problematik mal deutlich, sie würden auch noch der Landesregierung feste Sendezeit einräumen, zehn Minuten pro Woche, die Landesregierung informiert, vielleicht würden dann beim RBB oder anderen Sendern ein gewisser Groschen fallen." Stephan Abarbanell, Sendeleitung Fernsehen RBB: "Und ich weiß aber, dass man darüber diskutieren kann. Man kann das auch anders sehen und es gibt auch gute Argumente, das anders zu sehen. Insofern bin ich auch gern bereit, das noch mal juristisch prüfen zu lassen bei uns im Hause. Und wenn wir feststellen, dass das auch bei einer zweiten oder dritten Draufsicht nicht als Spot einzustufen ist, dann hängen wir da nicht dran." Reine Imagefilme, reine PR, bezahlt von Steuer- und Beitragsgeldern. Ein öffentlich-rechtlicher Sender, der das Interview verweigert, einer, der per Fax ausweichend Stellung bezieht und einer, der zumindest nachdenklich geworden ist. Thomas Leif, Buchautor "beraten und verkauft": "Wenn man das bilanziert, dann muss man neudeutsch sagen, das geht überhaupt nicht. Weil der öffentlich-rechtliche Rundfunk ja davon lebt, unabhängig zu berichten, frei von kommerziellen Interessen. Dafür gibt es ja die Gebühren, um diese Unabhängigkeit zu stützen." Prof. Dieter Dörr, Professor für Medienrecht: "Das Angreifbare an diesen beiden Fällen, Bundesagentur und Rentenversicherung, ist, dass von staatlicher Seite, denn beide sind Träger staatlicher Aufgaben, Einfluss auf das Programm genommen wird. Sei es mittels Geld oder sei es mit der Zulieferung von Programmbeiträgen. Dies ist der Sündenfall überhaupt. Und dies verstößt gegen das wohlverstandene Interesse des öffentlich-rechtlichen Rundfunks."

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ZAPP | 10.05.2006 | 23:00 Uhr

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