Stand: 17.05.2006 23:00 Uhr

Medienpreise als PR für Lobbyisten

 

Ehre, wem Ehre gebührt. Die Arbeit von Journalisten wird mit Medienpreisen gewürdigt: für tiefgründige und kritische Recherchen, einfühlsame Reportagen und für ungewöhnliche Blickwinkel. Die Liste der renommierten Medienpreise ist überschaubar. Demgegenüber gibt es mittlerweile eine Inflation von Journalistenpreisen, deren Auswahlkriterien nicht immer ehrwürdig sind. Unternehmen schreiben Journalistenpreise aus und nutzen damit die Aufmerksamkeit, die diese auf sich ziehen. Preise als PR. Der Name des Unternehmens wird in der Berichterstattung mit Sicherheit positiv besetzt: bei Journalisten, die den Preis erhalten und bei jenen, die darüber schreiben.

Glamour und Glanz, Journalisten feiern gern. Vor allem sich selbst. Bester Anlass: Medienpreise. Roter Teppich für die Besten und Eitelsten der Branche. Die Zahl renommierter Journalistenpreise überschaubar, vergeben zum Beispiel an die Meister kritischer Recherche. Der Deutsche Fernsehpreis und der Grimme-Preis bringen höchstes Ansehen in der eigenen Zunft. Genauso wie der vor wenigen Tagen vergebene Henri-Nannen-Preis. Die Medien-Fachblätter. Hier schreiben Unternehmen inzwischen ganz andere Preise aus. Den "Journalistenpreis Forst und Holz" der Holzwirtschaft, den Sparkassen-Preis "Bezahlen mit Karte im Alltag" oder den Pharma-Preis "Osteoporose". Thomas Leif, "netzwerk recherche": "Mein Eindruck ist, dass es wirklich eine Inflation gibt von solchen Preisen, und es hat folgenden Reiz für die Unternehmen. Es ist ziemlich billig, es kostet sie relativ wenig Geld und das Hauptziel von professionellen PR-Leuten ist, mit angeblich neutralen Botschaften in die Medien zu kommen. Das ist sozusagen die Perfektion der PR-Industrie, deshalb glaube ich, geht dieser Trend weiter."

Preise als PR. Eigentlich halten Unternehmen kritische Journalisten lieber fern. Jetzt nutzen sie sie um ihr Image aufzupolieren. Zum Beispiel der Stromriese "Vattenfall". Klaus Rauscher, Vorstand "Vattenfall": "Wir wollen mit dem Journalistenpreis 'Ostenergie' Aufmerksamkeit schaffen." Thomas Leif: "Es geht da nicht drum, journalistische Leistung zu würdigen, sondern es geht um Aufmerksamkeitsmanagement. Für die Unternehmen gibt es drei wichtige Kriterien: Aufmerksamkeit, Aufmerksamkeit und noch mal Aufmerksamkeit." Und zwar bei Journalisten, die den Preis erhalten und bei denen, die darüber berichten. Sebastian Strenger organisiert Journalistenpreise für Unternehmen, weiß, was die Wirtschaft mit solchen Preisen wünscht. Sebastian Strenger, PR-Agentur "Strenger & Friends": "Ich glaube, man muss eins festhalten, Journalistenpreise verhelfen Unternehmen und Verbänden dazu, ein Gegengewicht zu setzen, auch zu kritischer Berichterstattung." Prof. Norbert Bolz, Medienwissenschaftler TU Berlin: "Natürlich ist jeder Preis eine Verführung. Und der Journalismus ist ja definiert durch seine kritische Haltung zu allen anderen Organen des Staates, der Gesellschaft, vor allen Dingen auch der Wirtschaft und man muss wohl befürchten, dass Überschüttetsein mit Reputation, mit Preisen, mit Lob schon zu einer kleinen, sanften Korruption führt."

Die Strategien der Firmen werden immer raffinierter. "BMW", "Deutsche Bank", "Bayer", "VW" und 18 weitere Konzerne haben sich unter dem unauffälligen Namen "econsense" zusammengetan, um auf das vorgeblich sozial-ökologische Engagement von Unternehmen hinzuweisen. Unter der Führung von Klaus Mittelbach vergeben sie einen Journalistenpreis. Klaus Mittelbach, Geschäftsführer "econsense": "Es ist eben heute ganz wichtig, dass man dann auch Journalisten findet, die sich solcher Themen annehmen. Und unsere Analyse war eben im Vorfeld gewesen, dass nur wenige Journalisten das Thema so attraktiv fanden, um sich damit zu beschäftigen, und insofern war es ganz zielgerichtet, einmal zu versuchen, eine Motivation in diese Richtung zu geben und insofern haben wir diesen Journalistenpreis ausgeschrieben." Thomas Leif: "Das ist im Grunde, aus meiner Sicht, eine moderne Form von Camouflage. Verschiedene Automobilindustrien und andere treten unter einem Dach auf, um so nicht genau erkennbar zu sein, aber gleichzeitig mit dem alten Ziel, Aufmerksamkeit für diese Idee zu kriegen, Image zu bekommen für diese Leitideen, die mit dem Unternehmen verkoppelt sind."

In diesem Sinne der erste Preis von "econsense" für diesen Artikel, eine Lobeshymne auf "BMW": "Münchner Werk", so heißt es darin "spart täglich 65 Tonnen Sondermüll". Übrigens, ein BMW-Mitglied saß in der Jury. Zusätzlich zum Preis lud "BMW" wie zufällig nach Südafrika zum dortigen Werk. So plump verbindet "econsense" nicht mehr Preise und PR. Erklärungsversuche. Klaus Mittelbach: "Ja, das war eher ein Zufall. In einem Lernprozess muss man solche Dinge eben auch nehmen, wie sie sind." Nicht ganz so offensichtlich nutzt die "Wissenschaftliche Vereinigung zur Förderung des Immobilienjournalismus" ihren Medienpreis. Hochdotiert mit 10.000 Euro. Finanziert von den Großen der Immobilienbranche, gestiftet für den eigenen Zweck. Hans-Peter Rietze, Vorstand "WVFI": "Ausschlaggebend für die Preissituation war sicherlich auch, dass man festgestellt hat, das die Berichterstattung der Journalisten über Immobilienwirtschaft meistens geprägt war durch eine doch sehr durch Vorurteile geprägte Einschätzung, nämlich den Immobilienhai oder den Baulöwen zu zeigen, der dann sehr negativ besetzt war." Journalisten, die das verstanden haben, haben auch das Zeug zum Preisträger. Wie Robert Ummen, ehemals Ressortleiter der Zeitung "Die Welt". Heute ist er übrigens Geschäftsführer bei einem der Stifter. Die Verbindung zwischen Journalistenpreisen und PR wird immer professioneller. Diese Form der PR weckt Begehrlichkeiten, das hohe Preisgeld besticht. Journalisten und Unternehmer rücken so immer enger zusammen. Dabei ginge es auch anders. Thomas Leif: "Ich glaube Nachwuchsstipendien für Journalisten und Journalistinnen, die ein Projekt betreiben wollen, das wäre eine bessere Investition als diese Form moderner bestellter Wahrheiten." Damit Journalisten Biss haben, unabhängig von den Weihen der Industrie.

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ZAPP | 17.05.2006 | 23:00 Uhr

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