Stand: 13.09.2006 23:00 Uhr

Wie die NPD Journalisten behandelt

 

Am kommenden Sonntag wählt Mecklenburg-Vorpommern einen neuen Landtag. Bisher hat der Wahlkampf kaum Schlagzeilen gemacht. Nun, in der heißen Phase, wendet sich plötzlich das Blatt. Meinungsforscher prognostizieren der NPD den Einzug in den Landtag. Jahrelang waren Journalisten mit Berichten über die NPD und die rechte Szene vorsichtig: Man dürfe ihnen keinen Raum geben, ihnen nicht zuviel Bedeutung zukommen lassen. Jetzt müht sich die NPD systematisch um eine neues Image in den Medien: aufgeschlossen, freundlich, friedlich. Die Bilder aber sprechen eine andere Sprache: Journalisten und Bürger werden gewalttätig attackiert, die Zahlen der rechtsextrem motivierten Straftaten und Gewaltdelikte ist in den vergangenen zwei Jahren gestiegen. Zapp über den Versuch der Rechten, sich ins rechte Bild zu setzen.

Ein friedlicher Sonnabendnachmittag. Ein NPD-Team verteilt Flugblätter: "Kann ich Ihnen mal unsere Wahlwerbung geben?" Eine alte Dame antwortet: "Joa, nehmen wir alles mit." Für jeden ein freundliches "Guten Tag" auf den Lippen, die NPD nimmt sich Zeit für das Volk. Und das darf die Presse selbstverständlich auch alles zeigen. Stefan Köster, NPD Landesvorsitzender Mecklenburg-Vorpommern: "Wir haben ja nix zu verstecken, insofern, wenn wir mit Ihnen sprechen, geben wir uns ja so wie wir sind, insofern, brauchen wir uns auch nicht zu verstellen, was Sie daraus machen, das liegt ja eh nicht in unserer Hand." Ein Dorffest für jedermann. Die NPD pflegt die Nachbarschaft - inszenierte Bürgernähe. Der Spitzenkandidat Udo Pastörs gibt sich gut erzogen. Andrea Röpke, freie Journalistin: "Sie wollen natürlich das Bild des Saubermanns zeigen, des wunderbaren Biedermanns. Sie wollen deutsche Familien zeigen, Kinderhüpfburgen, sie wollen zeigen, wie sie in weiß gestärkten Blusen durch die Lande laufen. Wie Udo Pastörs zum Beispiel den Müll vorm Friseurladen aufhebt und das sollen die Leute sehen. Also, sie sollen wirklich diese Saubermänner sehen und nicht die Neonazis, die vorbestraft sind, die prügeln und bei denen also Gewalt ein politisches Mittel ist." Michael Schmidt, NDR Nordmagazin: "Einerseits möchten sie gern in die Medien rein, und sich präsentieren, andererseits möchten Sie natürlich nicht mit ihrem wahren Wesen rein, sondern mit ihrem schönen Gesicht, ja, sie sind diejenigen, die die Probleme des Volkes klären. So, und daraus resultiert natürlich auch eine bestimmte Haltung den Medien gegenüber, nach dem Motto: Ihr macht das, was wir sagen."

"Was Sie machen, ist Nötigung"

NPD-Parteitag. Hier dürfen Journalisten nicht alles zeigen. Ein Ordner: "Würden Sie bitte jetzt aufhören zu filmen. Sonst sage ich Ihnen auch nicht, wie's weitergeht." Und später: "Für die Kameraleute möchte ich, dass die Kameras erst drinnen eingeschaltet werden, wenn wir vor Ort sind und nicht schon beim Reingehen. Ja, das gilt auch schon jetzt." Vor wenigen Wochen. Die NPD hat zum großen Pressefest geladen. Hier darf nicht jeder Journalist rein. Die wenigen werden mit warmen Worten willkommen geheißen: "Wir danken natürlich auch denen, die unfreiwillig hier sind, ganz besonders den Polizisten, den Demonstranten heute Nachmittag und ganz besonders der Medienmafia. Vielen Dank, dass ihr da seid!" Und "Vielen Dank" darf die Presse sagen, denn diese Bilder dürfen die Kameras machen. Andere Bilder nicht, dafür sorgen die Ordner. Journalistin: "Können Sie uns mal in Ruhe lassen?" Ordner: "Was Sie machen, ist Nötigung." Journalistin: "Wieso? Sie nötigen uns doch gerade!" Ordner: "Im Grunde genommen wissen Sie auch, dass Sie die ganze Zeit gefilmt werden."

Hass auf die Medien

Offene Drohungen: "Schicksalsschlag, ne". Gespräche mit der Partei-Basis - ebenfalls nicht erwünscht. Ordner: "Ich bitte Sie, das abzubrechen, das Interview, ja." Die Wachmänner sind immer in der Nähe, das wissen hier alle. Ein Besucher des Pressefests: "Ich würd' jetzt gern was sagen, aber das darf ich nicht sagen, weil sonst..." Der junge Mann hat schließlich gelernt, wer da vor ihm steht: "Ne, ich sag da gar nix." Die "Feindpresse". Mithilfe bunter Heftchen lernen die Neonazis, wie sie mit den Medien umzugehen haben. Deren Slogans: "Achtung: feindliches Fernsehen", "Journalisten sind Meuchelmörder an der Wahrheit!", "Medien-Maden aushungern." und "Ich Esel glaube noch daran, dass es in Deutschland eine 'freie Presse' gibt!". Systematisch wird der Hass auf die Medien geschürt.

Gefährliche Presse für die NPD

Diesen Hass bekommt auch Patrick Gensing zu spüren. Bei tagesschau.de im Internet berichtet er häufig über Rechtsextremismus. Doch seine Berichte sind unerwünscht. Auf einer rechtsextremen Internetseite wird er mit Foto an den Pranger gestellt. Patrick Gensing, tagesschau.de und NPD-Blogger: "Natürlich sollen durch solche Aktionen, wie das veröffentlichen von Fotos, Journalisten auch geoutet werden und sozusagen als Freiwild dargestellt werden. Nur muss man natürlich auch die Macht dieser Leute dann realistisch einschätzen. Das ist natürlich ein Versuch und man soll dadurch verunsichert werden, aber letztendlich gibt es noch keinen Rechtsterrorismus in Deutschland und ich hoffe auch, dass es dabei bleibt." Diese Einschüchterungsversuche kennt auch die Journalistin Andrea Röpke. Sie liefert Hintergrundberichte zur NPD und deren Umfeld. Wie zu diesem (hier gezeigten) Jugendlager. Hier lernen schon die Kleinen, dass es einen Führerbunker gibt. Gefährliche Presse für die NPD: Sie macht Jagd auf das Bildmaterial. Ein Kollege Andrea Röpkes bei einer Verfolgungsjagd im Auto: "Der ist total aggressiv, Andrea. Der ist wahnsinnig! Der steigt aus! Knöpfe runter, Knöpfe runter, Knöpfe runter!" Wenig später: "Fahr zu, genau. Wunderbar!"

Wie man Journalisten einschüchtert

Andrea Röpke: "Ich denke, dass ganz maßgeblich an dieser pressefeindlichen Strategie Jürgen Rieger beteiligt ist. Also, der Rechtsanwalt aus Hamburg ist Leiter des Deutschen Rechtsbüros und das Rechtsbüro beschäftigt sich bundesweit damit, wie hat man mit der Presse umzugehen und wie ist die auszugrenzen, wie ist sie zu manipulieren und vor allen Dingen auch zu führen. In ihrem Sinne." Wenn eine Kamera läuft, stürzt sich Rieger in den Nahkampf. Jürgen Rieger, Neonazi, 1994: "Ich mag Leute nicht, die damit, dass sie andere Leute schlecht machen, ihr Geld verdienen. Dazu gehören Sie. Deswegen gebe ich Ihnen auch kein Interview." (Die Journalistin wird angerempelt. Das Bild verwackelt.) Andrea Röpke: "Das heißt, Rieger hat sich überlegt, wenn man die Journalisten mehr einschüchtert, wenn man sie versucht zu führen, zu diktieren, was sie zu tun und zu lassen haben, dann übt man natürlich auch viel mehr Macht über sie aus." Jürgen Rieger zu Journalisten: "Sie verschwinden jetzt! In zwei Minuten sind Sie weg, sonst wird die Kamera beschlagnahmt. Ich sag' Ihnen das, ja?" Reporter: "Erst 'mal können wir uns ja mal ganz normal unterhalten, ja?"

Furcht, den Rechten eine Plattform zu bieten

Seit Jahren hat Rieger in den Journalisten sein Feinbild gefunden. Jürgen Rieger: "Warten Sie es doch ab: Wenn der erste Reporter umgelegt ist, der erste Richter umgelegt ist, dann wissen Sie, es geht los. Reporter, Richter, Polizist, Sie!" Andrea Röpke: "Er will natürlich jedem kleinen, noch so unwichtigen Neonazi und Skinhead suggerieren von daher: Ihr habt die Presse im Griff, ihr müsst euch nichts gefallen lassen und zur Not, greift sie sogar an. Ihr bekommt dann auch die Juristen, ihr bekommt unsere Hilfe." Riegers Attacken: ein Vorbild für die rechte Szene. Stefan Köster: "Die Gewalt wird dann auch nicht so ausgeübt, dass wir da irgendjemanden schwer oder in irgendeiner Weise verletzen, sondern wir nehmen letztendlich das verbriefte Gesetzesrecht nur war." Der Lokalreporter Michael Schmidt beobachtet die NPD samt Kameradschaftsszene seit Jahren. Jetzt, wo die Wahlen anstehen, berichten die Medien. Doch sonst wird meist geschwiegen. Auch aus Furcht, den Rechten eine Plattform zu bieten. Michael Schmidt: "Wenn ich also, gerade in öffentlich-rechtlichen Medien, diese Extremisten, diese NPD ständig ignoriere, erzeuge ich natürlich 'nen Mitleidseffekt, dann fühlen sich die, die sie wählen, doch geradezu bestärkt."

"Dem Betrachter läuft es kalt den Rücken runter"

Hubertus Buchstein, Professor für Politikwissenschaften: "Die Journalisten hätten zum Beispiel berichten können, dass die NPD kommunalpolitisch sehr wenig auf die Reihe bekommt. Sie hätten ohne großen Rechercheaufwand feststellen könne, wo auch die NPD auf kommunalpolitischer Ebene, auch nach ihren eigenen Ansprüchen, völlig versagt." Toralf Staud, Buchautor "Moderne Nazis": "Meine Erfahrung ist, NPD-Leute zu schildern, darzustellen, unvoreingenommen, aber mit genauem Blick, führt dazu, dass sich die NPD-Leute sehr wohl fühlen dabei, weil sie finden, ja, genau so bin ich ja. Aber der wache, der politisch denkende Betrachter, dem läuft es kalt den Rücken runter." Journalistin: "Was meinen Sie, wie verhält sich die NPD gegenüber der Presse?" Interviewpartner: "Also, ich denk' mal, das sie sie mit offenen Armen, dass sie die Presse jetzt schon fast empfangen." Nächste Szene: Journalistin: "Warum? Mit welcher Begründung?" Ordner: "Entweder du gehst freiwillig, oder wir helfen nach." Ein anderer Ordner brüllt: "Finger weg, Mann!" (Dann hält er das Objektiv der Kamera zu.)

Dieses Thema im Programm:

ZAPP | 13.09.2006 | 23:00 Uhr

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