Sendedatum: 07.04.2010 23:05 Uhr

US-Angriff - Ein Video und seine Wirkung

von Daniel Bröckerhoff

Es sieht aus wie ein Videospiel - doch die Bilder sind echt, aufgenommen von der Bordkamera eines US-Militärhubschraubers im Irak. Piloten schießen am hellichten Tag auf eine Gruppe Männer. Mehrere Menschen werden getötet, darunter ein Journalist und sein Assistent, beide Mitarbeiter der Nachrichtenagentur Reuters. Die schockierende Aufnahmen sind fast drei Jahre alt. Erst jetzt hat die Welt davon erfahren. Der Internetdienst Wikileaks hat das geheime Militär-Video am Montag veröffentlicht. Doch der Aufschrei der Medien bleibt zunächst aus. Erst einen Tag später ist das Video DAS Thema. Zapp über die Gründe.

 

VIDEO: (4 Min)

Ein Video auf allen Kanälen beherrscht die Nachrichten. Es zeigt den Reuters-Fotografen Namir Noor-Elden und seinen Assistenten Saeed in Begleitung einiger Männer. Und es zeigt, wie sie von US-Militärs erschossen werden. Die Bilder wurden schon am Ostermontag von Wikileaks vorgestellt. Die Internetplattform ist spezialisiert auf Enthüllungen. Wikileaks-Gründer Julian Assange spricht zur versammelten, internationalen Presse. Aber zunächst berichtet kaum jemand. Die Skepsis gegenüber der Quelle Wikileaks überwiegt.

Kai Gniffke, Chefredakteur ARD-aktuell, meint: "Ich würde bei Wikileaks auch nicht generell sagen, das ist alles ganz wunderbar. Da können auch Nutzer versuchen, ein Fake unterzubringen. Insofern ist man da auch nicht ganz sicher. Klar gibt es einige Mitarbeiter bei Wikileaks, die auch da die Authentizität prüfen, so dass es da eine Vorinstanz gibt. Das ändert für uns aber überhaupt nichts daran, dass wir nochmal ganz, ganz sorgsam mit unseren Korrespondentinnen und Korrespondenten drangehen und nochmal den Inhalt genau prüfen. Erst dann verwenden wir es."

 

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7 Min

Interview

Rüdiger Ditz, Chefredakteur von Spiegel Online 7 Min

Rüdiger Ditz, Chefredakteur Spiegel Online, erklärt: "Es ist verhältnismäßig einfach, Bildmaterial zu manipulieren, sowohl Fotos als auch Videos. Das ist keine Geheimwissenschaft, mit den neuen Technologien ist das sehr einfach. Und wir mussten eben erst mal klären, wie authentisch ist das Material. Ist das eigentlich plausibel, was wir da sehen?"

Das Internet ist schneller

Ungeprüft verbreitet sich das Video über Webseiten wie Twitter. Viele fragen sich: "Was ist mit den deutschen Medien?" Erst 20 Stunden nach der Veröffentlichung des Videos beschäftigen sich große deutsche Online-Seiten mit den Bildern.

 

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6 Min

Interview

Kai Gniffke, Chefredakteur von ARD aktuell 6 Min

Kai Gniffke: "Ich glaube, es gibt nach wie vor eine gewisse Zurückhaltung gegenüber allen Videos, die aus dem Netz stammen. Das ist bei manchen Medien stärker ausgeprägt, bei manchen Medien weniger. Und insofern glaube ich, braucht es erst so ein paar Medien, die den Damm brechen, und wenn dann die Berichterstattung mal losgegangen ist, dann steigen alle ein. Ich glaube, das war ein Mechanismus, den wir auch hier beobachten können."

Wikileaks hat das Video mit Kommentaren versehen, eine Interpretation der Bilder gleich mitgeliefert: Collateralmurder – Kollateralmord nennen sie ihren Film - emotionale Bilder. Eine solche Aufbereitung schreckt viele Journalisten ab. Erst nachdem das US-Militär die Echtheit des Videos bestätigt hat, steigen heute viele Zeitungen in die Berichterstattung ein. Doch auch hier viel Bildbeschreibung, wenig Einordnendes.

Rüdiger Ditz: "Wenn man das nackte Video sieht, dann reicht das eben erst mal nicht. Man muss eben schon noch ein bisschen recherchieren, die Hintergründe zusammen bekommen."

Vieles ist noch offen

Was geschah vor den Aufnahmen? Wer waren die Männer, mit denen die Journalisten unterwegs waren? Und warum äussert sich Reuters nicht? Nur ein allgemeines Statement des Chefredakteurs über "die extremen Gefahren der Berichterstattung aus Kriegsgebieten".  Und noch eine entscheidende Frage: Handelt es sich hier um ein Kriegsverbrechen?

Denn das Video zeigt, wie sich Saaed schwer verletzt vom Tatort wegschleppt. Der US-Soldat, zum Schuss bereit, fordert ihn auf:

"Alles, was Du tun musst, ist eine Waffe aufzuheben."

Als ihm ein Van zu Hilfe kommt, eröffnen die Soldaten das Feuer.

Das US-Militär hat bereits kurz nach dem 12. Juli 2007 den Vorfall untersucht. Das Ergebnis: Die Soldaten konnten die "Kameras leicht für Waffen halten" und das Vorfahren des Vans "für einen Fluchtversuch von Aufständischen". Erst jetzt haben die Medien die Möglichkeit, die Aussagen des Militärs zu überprüfen, Druck zu machen. Auch wenn die Aufklärung nicht frei Haus geliefert wird,  wie das Video von Wikileaks.

 

Dieses Thema im Programm:

ZAPP | 07.04.2010 | 23:05 Uhr

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