Sendedatum: 28.04.2010 23:05 Uhr

Hells Angels - Verherrlicht und verharmlost

von Grit Fischer

Die Hells Angels werden gerne als echte Kerle dargestellt, der wahrgewordene Easy-Rider-Mythos. Jungs mit harter Schale, aber doch sicher weichem Kern, oder? Mal nüchtern betrachtet sind es dicke Männer auf dicken Maschinen, die einen auf dicke Hose machen. Gern mit Glatze oder Zopf, auf jeden Fall mit jeder Menge Tattoos. Zuschlagen gehört zum guten Ton, ebenso wie auch die eine oder andere Vorstrafe. Sehr romantisch. Warum das Bild der Hells Angels oft so verklärt ist und welche Rolle dabei die Medien spielen, zeigt Zapp.

 

VIDEO: (8 Min)

So inszenieren sie sich am liebsten: Coole Kerle auf lauten Maschinen, die Hells Angels. Ein angeblich ganz normaler Motorradclub mit ganz normalen Rockern. Doch dann immer wieder diese Bilder: Polizeikontrollen, Prügeleien, bis hin zu Schießereien. Mehrfach waren die Hells Angels bereits in Totschlagdelikte verwickelt. Mit verfeindeten Rockergruppen liefern sie sich Bandenkriege. Immer bis zum nächsten sogenannten "Waffenstillstand". Tobias Morchner von der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung: "Nach all dem, was ich erfahren habe, nach all den Gesprächen, die ich geführt habe, sind die auf jeden Fall als gefährlich anzusehen. Das liegt nicht nur daran, was sie angeblich alles machen sollen im Hintergrund, sondern auch bei den Leuten, die da Mitglied sind."

Die Polizei geht noch weiter: Sie beobachtet die Hells Angels mit ihrer Abteilung "Organisierte Kriminalität", alles andere also als Easy Rider-Romantik.

Frank Federau vom Landeskriminalamt Niedersachsen: "Das Ganze ist darauf ausgerichtet, auf Gewinn- und Machtstreben, es geht um Gebietsansprüche und auch die Richtung wirtschaftlichen Kreislauf ist ein Indikator für die organisierte Kriminalität. Und das Bild, was in der Öffentlichkeit zum Teil publiziert bzw. dargestellt wird entspricht dann nicht unseren polizeilichen Erkenntnissen."

Ästhetisierung von Gewalt

Die Hells Angels streiten die Vorwürfe der Polizei vehement ab, fühlen sich zu Unrecht als Waffenhändler und Drogendealer diffamiert. Geben sich scheinbar offen, lassen sich von Journalisten auf manchen Touren bereitwillig filmen. 

 

Prof. Hans-Gerd Jaschke, Professor für Politikwissenschaft: "Wenn man an die Bilder denkt über die Hells Angels und nur sich auf die Bilder konzentriert, dann wird klar: Das Macho-Gehabe, würden wir vielleicht heute sagen, des Motorrads und des muskelbepackten Körpers signalisiert eine gewisse Gewaltbereitschaft, aber nicht die Gewalt selbst. Und das ist die Ästhetisierung auch von Gewalt."

Christine Kröger vom "Weser-Kurier": "Sie versuchen sich eben ein harmloses Image zu geben. Man darf aber nicht vergessen, dass hinter der Fassade dieses Clubs viele Schwerkriminelle agieren. Es gibt europaweite Studien, die sagen, dass mehr als 50 Prozent der Mitglieder der Hells Angels kriminalpolizeilich aufgefallen sind."

Sie versucht seit Jahren hinter der Fassade zu recherchieren. Christine Kröger beschäftigt sich intensiv mit den Hells Angels und schreibt immer wieder über die Rocker. Für ihre hartnäckige Recherche bekam sie in diesem Jahr den Wächterpreis. Doch die Hells Angels mögen keine Kritik.

Auf Kritik wird mit Drohungen reagiert

Christine Kröger: "Es gab schon erboste Anrufe und also ich solle aufhören, so einen Mist zu verbreiten. Oder das würden sie sich nicht gefallen lassen, das würde nicht laufen. Ich hab dann gefragt, ist das jetzt eine Drohung? Nein, ein Versprechen."

 

Tobias Morchner: "Es kommt vor, dass der Reporter, der Journalist Anrufe bekommt, wenn er irgendwas über die Hells Angels schreibt, was denen nicht passt. Das sieht dann so aus, dass man bedroht wird, beschimpft wird, es fallen dann Sätze wie "Ich mach dich platt, du Wanze", und das in einer Lautstärke, die fünf Mal so laut ist, wie ich jetzt rede. Also das ist dann schon in dem Moment bedrohlich."

Und wenn die Journalisten sich nicht einschüchtern lassen und trotzdem immer wieder kritisch berichten, wird eben ein Anwalt eingeschaltet.

Christine Kröger: "Das ist ja auch eine Form der Einschüchterung. Man kriegt also ganz schnell Schreiben von Anwälten, unterlassen Sie das zu behaupten, da wird man eben schnell verklagt."

Er ist einer der Mächtigsten, Frank Hanebuth. Der Präsident der Hannoveraner Hells Angels. Wegen schwerer Körperverletzung saß der Mann drei Jahre im Gefängnis. Inzwischen ist er in Hannover ein berühmt berüchtigter Geschäftsmann im Rotlichtmilieu. Also anscheinend ganz legal. Doch das LKA traut diesen Bildern nicht.

 

Frank Federau: "Die Gefährlichkeit der organisierten Kriminalität zeigt sich natürlich insbesondere daran, was unterhalb der Decke existiert, wo da die Straftaten begangen werden und dann darf man sich nicht  davon täuschen lassen, dass das was nach außen dokumentiert wird oder sichtbar ist, zum Teil friedfertig oder friedvoll erscheint."

Doch auch das LKA konnte den Hells Angels die organisierte Kriminalität noch nicht nachweisen, es fehlen handfeste Beweise. Denn es gilt anscheindend ein Ehrenkodex: Keiner darf den anderen verraten. "Die über Leichen fahren" (Weser-Kurier vom 8.06.2008).

 

Das macht es auch für die Journalisten schwer investigativ zu recherchieren. Manchmal können auch sie nur spekulieren über "lauter saubere Sachen?" Oder die "Angst als Geschäftsidee".

Christine Kröger: "Man braucht da schon, was die Behörden angeht, also Polizei und Staatsanwaltschaft schon die sogenannten Whistleblower, die einem auch mal was stecken, das ist richtig, offiziell gibt’s da wenig zu sagen. Aber man ist auch angewiesen auf Informanten insbesondere aus der Szene, aus der Rockerszene, aber auch aus dem Rotlichtmilieu."

Doch diese Informanten sind rar. Und so kann Frank Hanebuth, ganz legal und voller Stolz eine eigene Produktpalette der Hells Angels den Medien präsentieren.

Motorradclub mit Marketing und Pressesprecher

Tobias Morchner: "Sie haben es geschafft eine Biermarke zu etablieren, Bier, Zigaretten, Schnapsmarke, die man mittlerweile auch in großen Supermärkten kaufen kann. Klamotten gibt es auch, die von ihnen produziert werden. Also all das sind Marketingschritte, die sie offenbar unternommen haben, um ihr Image in die Öffentlichkeit zu treiben, um eben rauszukommen aus dieser Ecke, in der sie immer wieder sich nicht gerne widerfinden wollen."

 

Deswegen versuchen sie aktiv ihr Bild in der Öffentlichkeit mitzubestimmen. Sie sprechen nicht mit jedem Journalisten. Dahinter steckt anscheinend eine Strategie. Für Zapp waren sie nicht erreichbar. Offenbar geben sie nur dann Interviews, wenn sie das Gefühl haben, gut dabei wegzukommen. Jüngstes Beispiel: Die Bild macht sich zum Sprachrohr der Rocker: "Der Kiez braucht uns Hells Angels". Und: "Rocker-Boss will den Krieg beenden" (Bild vom 28.04.2010).

Für derartige Berichterstattung steht auch der "Pressesprecher" der Hells Angels zur Verfügung. Er nennt sich Django. Unkritisch übernehmen viele Medien diesen Künstlernamen. Dabei heißt der Mann Rudolf Triller und saß ebenfalls schon im Gefängnis. Das allerdings wird häufig nicht erwähnt.

 

Der Stern wählte einen ganz eigenen Weg, um einen Artikel über die "wilden Brüder" zu schreiben. (Der Stern vom 17.01.2008). Der Autor verbrachte viel Zeit mit den Rockern, das birgt die Gefahr, die journalistische Distanz zu verlieren:  "Wer sich auf die Hells Angels einlässt, erlebt eine ganz andere Seite." Bei stern.de durfte der Pressesprecher unkommentiert seine Parolen verbreiten.

Pressesprecher Hells Angels: "Verhältst du dich wie ein Mann, behandel ich dich wie ein Mann. Behältst Du Dich wie ein Arschloch, behandel ich Dich wie ein Arschloch. Hells Angels ist ein Motorradclub und genauer definiert, eine internationale Brüderschaft."

Christine Kröger: "Ein Teil meiner Berufskollegen verliert da die kritische Distanz, geht ihnen ein Stück weit auf den Leim. Denn sie kommen ja sympathisch rüber, unkonventionell, kernig, ein Mann ein Wort, die Sachen werden noch per Handschlag gemacht, von Ehre und Respekt reden sie gerne, aber wenn man mal guckt, was sagen die da eigentlich?"

Prof. Hans-Gerd Jaschke: "Ich denke, dass sehr viel Verklärung hier im Spiel ist. Und von daher erkläre ich es mir, dass einige Journalisten den Mythos, die Bilder, das kollektive Gedächtnis, auch das Lebensgefühl für bare Münze nehmen und dieses Lebensgefühl sozusagen reproduzieren."

Die Berichterstattung über die Hells Angels - immer auch eine Gratwanderung zwischen Verharmlosung, Verbrüderung und Vorverurteilung.

 

Dieses Thema im Programm:

ZAPP | 28.04.2010 | 23:05 Uhr

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