Sendedatum: 10.03.2010 23:05 Uhr

Feindliche Berichte über Griechenland

von Sinje Stadtlich

Was haben wir Deutschen Ouzo gezecht, alkoholisiert Costa Cordalis Lieder mitgeschmettert, verknäulte Beine nach einem Sirtaki Tanz entwirrt und Mitbürger mit Zaziki Gestank belästigt. Griechenland und die Griechen erfreuten sich großer Beliebtheit. Aber jetzt plötzlich bröckelt diese Sympathie wie die Akropolis in Athen. Seit Griechenlands Finanzdebakel offenbar wurde, ist die Begeisterung für die griechische Lebensfreude in reine Schadenfreude umgeschlagen. Vor allem die Medien ergießen sich in Spott und Häme.

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Urlaubsparadies Griechenland. Pittoreske Häfen, eine Jahrtausende alte Kultur. Meer, Sonne und Strand, von jeher eines der liebsten Reiseländer der Deutschen. Aber: Seit kurzem hat das deutsch-griechische Verhältnis Risse bekommen. Jetzt sei die "Party auf Pump vorbei", spottet der Focus. (08.03.10).

 

Die Bild titelt hämisch "Ihr griecht nix von uns" (05.03.10) und fragt polemisch: "Reißt Griechenland die deutschen Banken in die Pleite?" (15.02.10). "Tricksen und Täuschen hat Tradition" behauptet dreist die Welt. Pauschalurteile statt Fakten. (27.02.10). Panagiotis Kouparanis, Deutsche Welle TV: "Das wird zu wenig differenziert. Es wird pauschalisiert. Das ist ja nicht nur die Bildzeitung mit dem Titel, also Pleite-Grieche hoch und links und rechts und oben und unten. Sondern auch in den anderen Medien wird ja von "den Griechen" gesprochen, und es wird nicht differenziert, dass es eigentlich das ist und jenes ist und auch herausgearbeitet wird." Panikmache quer durch die deutschen Medien. Die Zeit warnt vor einer griechischen Insolvenz, der Focus zitiert einen Ökonomie-Professor: "Gefährlich für die Weltwirtschaft". Und Bild macht sich Sigmar Gabriels Ängste zu Eigen, titelt reißerisch "Deutschland darf nicht für die Zocker bluten." (05.03.10).

Finanzkrise als Dauerthema

 

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Interview

Panagiotis Kouparanis, Journalist 14 Min

Auch im Fernsehen: die griechische Finanzkrise ist Dauerthema. Viele Zahlen und Fakten prasseln auf den Zuschauer nieder, doch selbst politische Magazinsendungen zeigen unfaire Vergleiche. Aus einem Spiegel TV-Beitrag: "Die griechische Staatskasse wird von ungewöhnlich generösen Rentenzahlungen ausgezehrt. Fast 100% des letzten Gehalts winken. Bei solchen Zahlen müssen deutsche Ruheständler mit weniger als der Hälfte ganz tapfer sein." (25.02.10). Doch allzu viel Tapferkeit ist gar nicht nötig, denn nicht alle griechischen Rentner leben wie die Maden im Speck. Panagiotis Kouparanis, Deutsche Welle TV: "Wenn zum Beispiel gesagt wird, dass griechische Staatsbeamte mit 94%, ich hab irgendwo auch gelesen, mit 110% in Rente dann gehen, dann muss man wissen, sie gehen mit 94% ihres Grundgehaltes in Rente, aber dieses Grundgehaltes ist nur 55% ihres Monatseinkommens, die restlichen 45% sind Zuwendungen. Also gehen sie nicht mit dem Einkommen, sondern mit dem Grundgehalt, das ist viel niedriger." Klartext: die Griechen bekommen nicht wirklich eine Rente in Höhe ihres vollen Gehaltes, sondern nur rund die Hälfte davon. Verständlich also, dass sie gegen Sparmaßnahmen protestieren.

Sparvorschläge von der deutschen Presse

 

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Interview

Georgios Pappas, Deutschland-Korrespondenten von ERT 3 15 Min

Und sowohl deutsche Politiker als auch die Presse haben jede Menge weiterer Sparvorschläge. "Verkauft doch Eure Inseln, Ihr Pleite-Griechen" empfiehlt Bild scheinheilig, ursprünglich ein Vorschlag von zwei Politikern, und Bild greift ihn nur allzu gerne auf. (Bild vom 04.03.10). Giorgos Pappas, Griechisches Fernsehen ERT3: "Wenn es um die territoriale Integrität des Landes geht, muss man sehr vorsichtig sein. Für die Freiheit dieser Inseln ist Blut gegossen. Im Kampf gegen den Türken, den Osmanen und auch im 2. Weltkrieg gegen den Deutschen. Und wenn jetzt ein Deutscher kommt und sagt: Verkauft Eure Inseln, da muss ich wirklich sagen: Also pass mal auf, was Du da sagst."

Vorläufiger Höhepunkt der Provokation: Dieses Focus-Titelbild. Griechenland verhöhnt als Betrüger. Panagiotis Kouparanis, Deutsche Welle TV: "Ich dachte: Das kann nicht wahr sein eigentlich, denn die Zielrichtung, die war ja ganz klar: Sie wollte verletzten, der Focus wollte verletzten mit diesem Titel. Und das ist ja glaub ich auch ganz gut gelungen, nicht, Aphrodite von Melos, das Sinnbild des Griechentums und daneben das Wort "Betrüger".

Niemand bezweifelt, dass Griechenland getrickst hat, um den Euro zu bekommen. Doch die kritische Berichterstattung schießt zuweilen weit über das Ziel hinaus. Focus schürt Ängste vor der "Griechenland-Pleite" (Focus vom 22.02.10). Plötzlich stehen die Griechen als totale Versager da, haben angeblich "2000 Jahre Niedergang" hinter sich, behauptet zumindest herablassend der Focus. Bildausschnitt: Artikel: "2000 Jahre Niedergang" (Focus vom 22.02.10). Giorgos Pappas, Griechisches Fernsehen ERT3: "Da war keine objektive Berichterstattung was heute in Griechenland passiert oder was zu machen ist, sondern da war ein, da hat man mit allen Klischees sich bedient, alles was man bis jetzt über Griechenland wusste. Die sind faul, die sind so nachlässig und so und jetzt kommt dazu, dass sie auch Betrüger sind." Griechenlands Stolz angegriffen, die Volksseele verletzt. Die griechischen Printmedien reagierten allerdings insgesamt eher gelassen auf die deutsche Polemik. Nur eine Boulevardzeitung vergreift sich völlig im Ton, schreibt das Finanz-Nazitum bedrohe Europa. Giannis Michelakis sagte dazu im ZDF heute-Journal: "Wir glauben, dass einige Politiker Deutschlands in Zusammenarbeit mit den Medien versuchen, unser ganzes Volk als Betrüger und Diebe zu bezeichnen. Das ist eine Mentalität, die das nationalsozialistische Deutschland hatte: Das hat ganze Völker mit einem Charakteristikum belegt und sie dann vernichtet."

Mediale Schlammschlacht

Der Chefredakteur zeigt keinerlei Reue. Brutale und abgedroschene Klischees wie diese blieben allerdings die Ausnahme in den griechischen Medien. Doch die mediale Schlammschlacht scheint noch nicht vorüber. Dabei muss über Griechenlands Finanzkrise kritisch berichtet werden. Auch aus dem Ausland. Denn die Liste der Probleme des EU-Mitgliedstaats ist lang: Korruption, Bestechung, Steuerhinterziehung. Panagiotis Kouparanis, Deutsche Welle TV: "Es ist zu akzeptieren und das müssen die Griechen auch akzeptieren, wenn Kritik an Missständen in Griechenland geübt wird, da führt kein Weg dran vorbei. Es sind Missstände, die seit Jahren bekannt sind, die seit Jahrzehnten bekannt sind, die aber auch der EU bekannt sind und bisher da nie richtig eingegriffen wurde. Aber sie müssen sich das anhören und sie müssen damit umgehen. Wo es schwierig wird, wenn es so verletzend wird. Ich mein, das erträgt keiner von uns."

 

Dieses Thema im Programm:

ZAPP | 10.03.2010 | 23:05 Uhr

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