Stand: 04.09.2019 20:46 Uhr

Unter Druck: Reporter am Wahlabend

von Nils Altland & Inga Mathwig

Werder an der Havel ist ein idyllisches Städtchen westlich von Potsdam. Hier feiert die AfD ihr Abschneiden bei der brandenburgischen Landtagswahl. In der Landeshauptstadt wollte niemand die Partei bewirten, die Angst vor Protesten sei zu groß gewesen, heißt es von der AfD. Der Medienrummel in Werder ist an diesem Tag enorm. Vor dem Ballsaal auf der Bismarckhöhe reihen sich die Übertragungswagen aneinander, drinnen tummeln sich fast so viele Journalisten wie Parteianhänger.

Stimmung gegen den RBB

Hanno Christ berichtet vom Wahlabend live für das RBB Fernsehen. Seit Jahren beobachtet er den brandenburgischen AfD-Landesverband - und der verhalte sich ihm gegenüber anders als andere Parteien: "Bei der Pressebetreuung haben wir immer wieder mitbekommen, dass wir beschnitten werden. Es gibt Hetze, die gegenüber unserer Berichterstattung betrieben wird. Wir sind nicht nur der neutrale Berichterstatter. Wir sind in den Augen der AfD auch ein Player, den es in Teilen nicht nur zu kritisieren, sondern auch zu bekämpfen gilt."

Bis kurz vor Beginn der Wahlparty ist Christ nicht sicher, ob die AfD seine Akkreditierung nicht doch noch zurückzieht. Das Verhältnis zum Sprecher der AfD, Detlev Frye: kompliziert. Er grüße ihn nicht mehr und gebe ihm auch nicht die Hand, so der Reporter. Auch an diesem Abend sprechen die beiden nicht miteinander: "Er ist für mich, was die Medienarbeit über die AfD in Brandenburg angeht, ein nicht unentscheidender Faktor. Er macht viel Stimmung gegen uns", so Christ.

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"Meinungsmache bis Propaganda"

Auch ein mit ZAPP vorab verabredetes Interview hat Detlev Frye vier Tage vor der Wahl ohne Angabe von Gründen abgesagt. Am Wahlabend darauf angesprochen bezeichnet der AfD Sprecher die Berichterstattung vor der Wahl als "pure Meinungsmache, bis ran an etwas, was ich tatsächlich Propaganda nennen würde".

Doch der Wahlabend in Werder gestaltet sich anders als erwartet. Als um 18 Uhr die erste Prognose über den Bildschirm läuft, bricht im Saal frenetischer Jubel aus. 24,5 Prozent für die AfD, in der Schlussrechnung werden es 23,5 Prozent sein. Dabei waren in den vergangenen Tagen immer mehr Details aus der Vergangenheit des Spitzenkandidaten Andreas Kalbitz bekannt geworden, vor allem seine Nähe zu Rechtsextremen. Geschadet hat es der Partei offenbar nicht.

Die Spracher der Partei

Anstatt nun "mit der Faust in der Tasche" aufzutreten, geben sich die Rechtspopulisten betont bürgerlich. Immer wieder sprechen die Parteimitglieder an diesem Abend von der AfD als "größter bürgerlicher Opposition".

Björn Höcke (li.) und Alexander Gauland beim Wahlabend der AfD in Brandenburg. © NDR
Ein erfolgreicher Abend für Björn Höcke (li.) und Alexander Gauland.

Diese Wortwahl wird von einigen Journalisten übernommen - und von anderen massiv kritisiert. Für Hanno Christ gehört es zu seiner Arbeit, im Interview mit der AfD ganz genau hinzuhören. Als er ein Interview mit dem thüringischen Landeschef Björn Höcke führt, spricht dieser in Anbetracht des Wahlausgangs von einer "friedlichen Revolution". "Von Revolution ist keine Rede", entgegnet Christ dem Politiker. Der Reporter stellt fest: "Er nutzt dieses Forum natürlich auch, um seine Sprache zu benutzen. Seine Sprache, die meine nicht sein kann und meine nicht sein darf."

Freundlicher Ton für einen Abend

Die Offenheit der AfD-Politiker in Werder überrascht Hanno Christ. Sowohl Parteichef Alexander Gauland, als auch Björn Höcke und der Berliner AfD Landesvorsitzende Georg Pazderski geben ihm Interviews, der Brandenburger Spitzenkandidat Kalbitz wird im Landtag befragt.

Den freundlichen Umgangston begrüßt Hanno Christ. Einen Paradigmenwechsel sehe er aber nicht: "Die AfD bleibt für uns eine Herausforderung. Sowohl die AfD muss sich hinterfragen, als auch wir uns selbst. Und wenn die Leute den Eindruck bekommen, wir würden die Partei systematisch benachteiligen, dann muss man auch einfach mal drüber nachdenken, ob das in der Berichterstattung alles gut justiert ist. Aber, wir bleiben bei den Fakten. Also, wir müssen die Wahrheit berichten."

Dieses Thema im Programm:

ZAPP | 04.09.2019 | 23:35 Uhr