Stand: 25.03.2015 18:55 Uhr

Tsipras-Besuch: zwischen Fakten und Emotionen

Die Beziehung zwischen dem griechischen Regierungschef Alexis Tsipras und Bundeskanzlerin Angela Merkel ist keine einfache, denn das Verhältnis zwischen Deutschland und Griechenland ist angespannt. Die Medien sind daran nicht unbeteiligt: von Kampagnen der "Bild", über den "Stinkefinger" des griechischen Finanzministers Yanis Varoufakis bei "Günther Jauch" bis hin zum "Spiegel"-Titelbild in dieser Woche, auf dem Angela Merkel in ein historisches Bild deutscher Wehrmachtssoldaten auf der Akropolis hinein retuschiert wurde.

ZAPP wird ausgeladen

Am Montag nun war Tsipras nun das erste Mal zum Staatsbesuch in Berlin. JedesWort, jede Geste wird auf die Goldwaage gelegt. "Zapp" hätte dem Pressestab der Kanzlerin und weiteren Journalisten dazu gerne Fragen gestellt. Doch das ist nicht möglich: Kurzfristig werden wir aus dem Kanzleramt ausgeladen: "Interviews mit Journalisten hier im Hause sind nicht möglich", so die Begründung.

Die Stimmung ist angespannt - sowohl auf politischer als auch auf medialer Ebene: "Das Gleichgewicht ist sehr, sehr schwer", sagt Irene Anastassopoulou, Korrespondentin der Deutschen Welle. "Man muss auf der anderen Seite sauber berichten, auf der anderen Seite gibt es sehr viele Emotionen - gerade bei Leuten, die verarmt sind durch diese Krise nach fünf, sechs Jahren, die also überhaupt kein Verständnis haben für die Sparpolitk haben.“

Die Rollen sind verteilt

Ines Pohl, Chefredakteurin der "tageszeitung" im Interview © NDR
Ärgert sich über die Berichterstattung: Ines Pohl.

In vielen deutschen Medien seien die Rollen erstaunlich klar verteilt, meint Ines Pohl, Chefredakteurin der "Tageszeitung" (taz): "Ich habe mich zum Teil wirklich geärgert über die Berichterstattung der "Bild", aber mich auch über manche Talkshow im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Die müssten in so einer wichtigen Gemengelage weniger auf Quote schielen und den Mut haben, mehr Substanz zu liefern, weniger vermeintliche Wahrheiten zu verkünden und mehr Fragen zu stellen, und die auch mal unbeantwortet im Raum stehen zu lassen, statt immer sofort zwischen Schwarz und Weiß zu unterscheiden und festzustellen, dass die Deutschen die Guten sind und die Griechen die Bösen.“

Keine harten Zahlen und Fakten

Dabei sind die Fakten keineswegs so klar, wie manch eindeutiger Kommentar vermuten lässt: "Es sind nicht alle Zahlen da, die man braucht, um sich ein klares Bild zu machen", sagt zum Beispiel Andreas Kluth, Korrespondent der englischen Zeitschrift "The Economist". Und Michael Wüllenweber von N24 ergänzt: "Zum Beispiel jetzt jüngst beim Kassensturz, da bekommt man immer so Brocken hingeworfen. Dann heißt Ende März wäre Griechenland pleite, dann heißt es wieder 8. April. Da werden viele Informationen irgendwie unter die Leute gebracht, denen man dann am Ende glauben muss, obwohl es sehr schwer ist, die wirklich zu verifizieren."

Auch Journalisten haben Verantwortung

Aus Wüllenwebers Sicht vergessen manche Kollegen offenbar, worum es eigentlich geht. Als Journalist habe man auch eine politische Verantwortung. Man müsse nicht jedes Stöckchen nehmen, um damit Schlagzeilen zu produzieren oder Klicks zu generieren und auf Kosten des deutsch-griechischen Verhältnisses zu punkten. "Das finde ich unanständig", so Wüllenweber.

Ines Pohl pflichtet Wüllenweber bei: "Es ist halt leicht Ressentiments zu bedienen, immer. Und diese Neiddebatte, die ja da schnell hochkam, dadurch, dass man den Griechen unterstellt, sie würden weniger arbeiten und dass sie faul sind, das lässt sich halt einfach leicht spielen. Und deshalb spielte es von Anfang an so eine große Rolle."

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Dieses Thema im Programm:

ZAPP | 25.03.2015 | 23:20 Uhr