Stand: 28.02.2018 20:22 Uhr

Methode "Fake": Satiriker foppen Journalisten

von Marvin Milatz & Timo Robben

Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein. Der Moral-Klassiker war wohl das, was die "Titanic"-Redaktion antrieb, der "Bild"-Zeitung eine Ente unterzujubeln. "Wir haben gemeinsam mit der 'Bild' ihre SPD-Kampagne weitergesponnen", sagte Moritz Hürtgen, Redakteur des Statiremagazins, jüngst im Deutschlandfunk nicht ohne Schalk im Nacken.

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Viele Medienbeobachter, auch ZAPP hatten in den vergangenen Wochen mehrere Schlagzeilen der Bild gegen die SPD und Groko-Abstimmung registriert. "Neue Schmutz-Kampagne bei der SPD!", titelte Bild dann am 16. Februar. Im großen Aufmacher hieß es: Der Vorsitzende der Jungsozialisten (Jusos) Kevin Kühnert solle sich für russische Social-Media-Bots bei seiner No-Groko-Kampagne interessiert haben, das lege eine angebliche E-Mail-Korrespondenz nahe. Doch Informationen und Informant stammten von "Titanic".

Eine angemessene Aktion im Zeitalter der "Fake News"?

Die Methode ist bei weitem nicht neu: Schon oft fielen Journalisten auf fingierte Aktionen herein: Der "ZDF Neo"-Satiriker Jan Böhmermann schleuste zwei Schauspieler bei "Schwiegertochter gesucht" ein und deckte auf, wie schlecht die Macher der RTL-Reality-Show mit Teilnehmern umgehen.

Lange Geschichte erfundener Geschichten

Ein Fall mit anderer Intention: Vor wenigen Wochen wollte eine Frau der "Washington Post" eine erfundene falsche Schwangerschaft verkaufen - im Auftrag des rechtskonservativen Medienaktivisten James O’Keefe und seinem "Project Veritas" - einer Plattform, die mit vermeintlich investigativen Mitteln versucht, journalistisches Fehlverhalten aufzudecken - allerdings ausschließlich bei (links-)liberalen Medien.

2009 erfand eine Guerillia-Marketing-Truppe bei der Aktion "Bluewater" gar einen Terroranschlag. Nicht nur der Anschlag war eine Efindung, sondern auch die angeblich betroffene amerikanische Kleinstadt. Die "Deutsche Presseagentur (dpa)" und der "Stern" gingen der Werbeaktion für einen Kinofilm trotzdem auf den Leim.

Satire soll Klarheit schaffen

Andreas Lange von extra 3. © NDR Foto: Christian Spielmann
Kein Freund von satirischen Fakes: Andreas Lange.

Andreas Lange, Redaktionsleiter bei "extra 3", sieht seine Aufgabe etwas anders. Satire-Aktivismus ist hier bereits seit einiger Zeit tabu: "Gerade vor dem Hintergrund der Fake News, der Troll-Fabriken und der ganzen Verunsicherung, die mittlerweile bei den Zuschauern herrscht, sind wir zu dem Schluss gekommen, dass Satire-Aktionen noch mehr zur Verunsicherung beitragen", sagt Lange. Die Aufgabe der Satire sei es schließlich, Klarheit zu schaffen. Das gehe bei solchen Aktionen verloren.

Das Problem: Nicht jeder bekommt mit, dass Satiriker hinter der Ente stecken. Für den Fall "Bild" und "Titanic" heißt das: Bei einigen Lesern bleibt hängen, dass Kühnert unlautere Mittel einsetzen wollte. Der Schaden für die SPD ist da, auch wenn er erfunden war.

Die Methode Wallraff, nur mit feindsinniger Intention

Viele Satiriker bedienen sich Methoden, die auch Günter Wallraff für seine Undercover-Recherchen nutzte. James O’Keefe vom "Project Veritas" beruft sich ebenfalls auf Wallraff: Erst jüngst versuchte er der "Washington Post" eine falsche Schwangerschaft unterzuschieben. Die Journalisten wurden misstrauisch, deckten die Verbindung der Informantin zu "Project Veritas" auf, machten das Vorgehen öffentlich.

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James O’Keefe, Gründer des umstrittenen "Project Veritas".  Foto: Screenshot

"Project Veritas" - neuer US-"Journalismus"?

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Doch Satire-Aktionen mache "Project Veritas" nicht, meint Volker Lilienthal, Journalistik-Professor an der Universität Hamburg. Zwar seien die Methoden ähnlich, doch Project Veritas habe "eine ganz klare politische Agenda" und wolle die Glaubwürdigkeit etablierter Medien schädigen.

Die "Titanic" auf Russlandkurs

Auch wenn Kritiker beim jüngsten "Titanic"-Coup von kriminellen Intentionen sprachen, ist daran pauschal nichts verboten. Zum Betrug fehlt die finanzielle Bereicherung oder der finanzielle Schaden - und E-Mails sind keine Urkunden, ihre Fälschung also nicht pauschal kriminell. Für den Medienanwalt Michael Philippi ist ein verdecktes Vorgehen, wie die Titanic es machte, sogar ein probates Mittel, wenn es darum geht, Missstände bei Medien aufzudecken.

Als "Titanic"-Redakteur Hürtgen allerdings auch "Russia Today", dem russischen Staatsfernsehen, ein Interview gab, schimpfte "Bild"-Chef Julian Reichelt im Spiegel-Interview, es handle sich nicht um Satire, sondern um Propaganda.

"Bild"-Recherche ungenügend

Reichelt fand in der Arbeit seiner Redakteure übrigens keine Fehler. Journalistik-Professor Lilienthal sieht das anders: "Es ist 'Bild' nicht gelungen, die E-Mails zu falsifizieren, und auch das muss ja in der journalistischen Recherche der zweite Schritt sein, nicht nur etwas zu verifizieren, sondern es vor allem auch falsifizieren zu können." Die "Bild" hätte die Geschichte seiner Auffassung nach nie drucken dürfen.

 

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Moderator Oliver Welke © Jochen Manz

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ZAPP | 28.02.2018 | 23:30 Uhr

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