Sendedatum: 21.06.2023 18:00 Uhr

Deutsche sind aufgeschlossen für fremdsprachige Akzente in den Medien

Eine Mehrheit der Bundesbürger (58 Prozent) würde es befürworten, wenn im Fernsehen und Radio auch Menschen eingesetzt würden, an deren Aussprache zu erkennen ist, dass Deutsch nicht ihre Muttersprache ist.

Das geht aus einer repräsentativen Umfrage unter deutschen Bundesbürgern ab 18 Jahren hervor, die ZAPP beim Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap in Auftrag gegeben hat.

Gut jeder fünfte (21 Prozent) würde das dagegen ablehnen. Ebenso viele (21 Prozent) können oder wollen sich in der Frage nicht positionieren. Die mehrheitliche Befürwortung zieht sich durch alle Bevölkerungsgruppen und Parteianhängerschaften mit Ausnahme der Anhänger der AfD: Sie lehnen den Einsatz nicht-muttersprachlicher Moderatoren und Moderatorinnen mehrheitlich ab.

Für den Einsatz nicht-muttersprachlicher Moderatorinnen und Moderatoren spricht aus Sicht der Befürworter vor allem der Gedanke der Chancengleichheit und Gleichberechtigung. Einige sind der Ansicht, eine multikulturelle Gesellschaft wäre im Programm dadurch besser abgebildet. Viele befürworten den Einsatz, solange die Verständlichkeit des Gesprochenen gegeben sei.

Gegen den Einsatz spricht aus Sicht der Kritikerinnen und Kritiker vor allem, dass die Verständlichkeit des Gesprochenen eingeschränkt sein könnte. Einige befürchten ein geringeres Niveau des Gesagten aufgrund fehlender Sprachkenntnisse oder eines zu starken Akzents. Nicht zuletzt lehnen manche den Einsatz nicht-muttersprachlicher Moderatorinnen und Moderatoren - wie sie selber angeben - aus fremdenfeindlichen Motiven grundsätzlich ab.

Wie viele Menschen mit fremdsprachigen Akzenten im Programm eingesetzt werden, hat ZAPP bei allen ARD-Anstalten, funk, ZDF, Deutschlandfunk, RTL und ProSiebenSat.1 angefragt. Offizielle Zahlen gibt es jedoch dazu nicht in den Sendern.

Von der ARD Kommunikation heißt es dazu in einem schriftlichen Statement, man würde das nicht erheben. Für das Sprechen vor dem Mikrofon würden spezifische professionelle Standards gelten. Die Verständlichkeit stünde im Vordergrund. Die Entscheidung darüber, ob jemand moderieren und/oder Sprechertexte vertonen dürfe, liege in den jeweiligen Redaktionen und würde dort individuell getroffen. Dabei orientiere man sich an Format und Zielgruppe.

Nach Recherchen von ZAPP berichten Journalistinnen und Journalisten mit fremdsprachigem Akzent von Schwierigkeiten bei der Positionierung im Programm. Einige davon geben an, einen Job als Moderatorin oder Moderator, Sprecherin oder Sprecher wegen ihres Akzents nicht bekommen zu haben. Andere erzählen, dass sie deswegen hinter den Kulissen arbeiten, aufs Sprechen verzichten würden oder eine Redaktion aussuchten, in der ihr Akzent akzeptiert worden sei.

Ella Schindler von den Neuen Deutschen Medienmacher*innen setzt sich für Vielfalt im Journalismus ein und ist erfreut über die Ergebnisse der Umfrage: "Es zeigt, dass die Mehrheit sich Diversität, auch hörbare Diversität, im Radio oder Fernsehen wünscht. Das finde ich ein sehr gutes Ergebnis. Und die 21 Prozent, die befürchten, dass sie dann schlechter verstehen würden: Ich glaube, wenn sie dann jemanden hören würden, der zwar mit Akzent, aber gut verständlich spricht, dass sie auch diese Angst ablegen könnten."

An die Adresse der Sender sagt sie: "Wenn es um hörbare Diversität geht, dann ist es die größte Hürde, die es geben kann: das ungeschriebene Gesetz, dass man beim Fernsehen oder Radio akzentfrei sprechen sollte. Ich vermute, dass es vorauseilender Gehorsam ist bei vielen, weil sie denken, das Publikum würde das sonst nicht akzeptieren. Aber vielleicht ist eben genau das Umgekehrte der Fall. Die Sender würden sich neue Zielgruppen erschließen."

Ralf Müller-Schmid, Programmchef bei Deutschlandradio Kultur, sagt dazu gegenüber ZAPP: "Ich glaube, dass das ein echtes Thema ist und dass wir gerade auch als bundesweite Radio- und Audio-Anbieter darüber nachdenken müssen, ob wir tatsächlich die Vielfalt der Gesellschaft insgesamt so abbilden, wie sie ist. Das ist ein offener Prozess, der auch dadurch gestaltet wird, dass wir - wenn wir über jüngere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nachdenken - das entsprechend berücksichtigen und da keine falschen Barrieren aufbauen. Wir wären alle schlecht beraten, wenn wir denken würden, dass unsere jetzigen Standards die für alle Zeiten sind."

Mehr dazu am Mittwochabend, 21. Juni, ab 18.00 Uhr in der ARD Mediathek und bei YouTube.

Dieses Thema im Programm:

ZAPP | 21.06.2023 | 18:00 Uhr

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