Sendedatum: 18.08.2010 23:05 Uhr

Googles Geschäft mit den Daten

von Jasmin Klofta, Jenny Witte

Sie gehen auf Pornoseiten, kochen gerne, sind auf der Suche nach einer neuen Digitalkamera und fahren am liebsten nach Norwegen. Das alles, sollte es denn zutreffen, weiß Google über Sie. Denn Google kennt Sie ganz genau, speichert all Ihre Daten. Dass der Internetgigant jetzt auch noch ein Foto Ihres Hauses will, ist für viele ein Problem. Dabei ist der eigentliche Skandal viel größer. Zapp über die Macht der Suchmaschine mit oder ohne Street View. 

 

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Eine neue Dimension, die Angst macht: Jedes Haus, jede Straße, ganze Städte - lückenlos erfasst von Google. Noch nie zuvor hat eine Anwendung im Internet die Menschen so aufgebracht. Lars Reppesgaard, Autor des Buches "Das Google-Imperium", meint: "Google Street View ist der Dienst, bei dem wir ganz handfest zu spüren bekommen, was es heißt, wenn wir und unser Alltag digitalisiert werden und unsere Umwelt. Da kommt eine Firma mit einem Auto, die macht ein Foto von unserem Haus und auf einmal sehen wir das im Internet wieder." 

Und es ist leicht zu finden für jeden über einen anderen Dienst von Google: Google Maps. So kann schon jeder jetzt etwa eine Straße in San Francisco sehen, aber auch Bilder von Menschen. Es sind peinliche, intime Momentaufnahmen - vor einem Sex-Shop oder beim Pinkeln. Aber all das ist harmlos gegen das, was Google noch weiß. 

Sammler digitaler Spuren

Lars Reppesgaard: "Die Bedrohung, die ein Dienst wie Google Street View für die persönlichen Daten eines Menschen darstellt ist relativ gering. Da gibt es im Internet, besonders im Bereich des mobilen Internets, eine ganze Reihe von anderen Diensten, die sehr viel mehr Daten sammeln." Und Professor Johannes Caspar, Datenschutzbeauftragter der Stadt Hamburg, meint: "Ob Sie bei Youtube ein Video hochladen oder sich bei Gmail anmelden und über Google Mails dann empfangen und versenden, all dies hinterlässt Datenspuren und zeigt natürlich, dass Sie in einer bestimmten Weise etwas tun." 

Google kann jeden Klick seiner Nutzer im Internet nachvollziehen mit über 100 Diensten: Etwa welche Reisen man plant, welche Videos man sich ansieht und was man an welchen Freund schreibt. Google liest immer mit. Selbst der beliebteste Dienst, die Suchmaschine, verrät viel über seinen Nutzer. Denn Google speichert alle Suchbegriffe. Lars Reppesgaard: "Wenn ich über einen bestimmten Zeitraum hinweg verfolge, was ein Mensch sucht, weiß ich sehr genau, was ist das für ein Mensch, was hat der für persönliche Vorlieben. Hat er nach Begriffen gesucht, die darauf hinweisen, dass er eine Krankheit hat und zum Beispiel ein Heilmittel sucht, dass er Rat sucht, weil er finanzielle Schwierigkeiten hat, dass er ein Hotel sucht, um vielleicht einen Seitensprung zu planen und so weiter. Das sind alles sehr intime Dinge, das ist alles sehr intimes Wissen, was sich Schritt für Schritt in sehr kleinen Schnipseln offenbart." 

"Das Leben ist eine Suche"

In einem Google Werbefilm geht es nur um nützliche Informationen. Google möchte ständiger Begleiter sein: zu jedem Thema, zu jeder Zeit. Für Google ist "das Leben eine Suche". Professor Thomas Hoeren, Dozent für Medienrecht der Uni Münster, erklärt: "Google sammelt und sammelt Daten. Wir wissen nicht, wo die Daten liegen. Wir wissen nicht, was sie mit den Daten machen. Wir kennen die Geschäftsmodelle nicht dahinter, es entsteht ein riesiges Datenimperium." 

Kay Oberbeck, Sprecher Google Deutschland, sagt: "Natürlich sammeln wir hier oder zeichnen auf die Email Adressen, weil natürlich ein Nutzer von Google Mail will, dass er permanenten Zugriff auf seine Mails hat auch über Jahre hinweg. Ein anders Beispiel sind zum Beispiel sogenannte IP-Adressen. Das sind die Adressen, die an jedem Browser mit dem man im Internet surft, bei jeder Session, bei jeder Internetnutzung zugwiesen werden." Und mit diesen Daten macht Google sein großes Geschäft: Google merkt sich, wonach Menschen suchen, was sie kaufen. Und platziert mit diesem Wissen gezielte Werbung. Damit setzt der Konzern rund 20 Milliarden Dollar im Jahr um. 

Lars Reppesgaard: "Google lebt davon, Werbung bei Onlineangeboten einzublenden, die die Nutzer als nützlich empfinden, die relevant ist und die im Bezug zu dem Kontext, was angezeigt wird, steht. Das heißt, wenn ich irgendwo den Begriff Kino habe, nach dem ich gesucht habe, dann gibt es eher Kinowerbung und nicht Werbung für Hundefutter. Street View ist ein ganz wesentlicher Baustein dafür, um auf dem Zukunftsmarkt der ortsbezogenen Werbung Erfolg zu haben." 

Neue Technologien: Für Google neue Werbemärkte

Deshalb will Google immer der Erste sein und den Markt erobern, bevor andere es tun. Und dabei immer das gleiche Vorgehen: Google lässt sich nicht aufhalten. Professor Thomas Hoeren: "Sie machen erst mal, basteln, geben viel Geld aus. Dann kommt als zweiter Schritt die öffentliche Diskussion. Da tun sie sehr erstaunt, 'oho, was ist denn jetzt hier los?'. Die warten sie erst einmal ab, geben dann auch Gutachten in Auftrag und positionieren sich. Und dann kommt als dritter Schritt immer 'Ja, dann bieten wir da mal was an, man kann da widersprechen'. Das haben die gemacht bei Google Books, das haben sie gemacht bei Google Maps und jetzt das gleiche Spiel bei Google Street View." 

 

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Und von gravierenden Verstößen erfährt die Öffentlichkeit im Zweifel nichts. Bei den Fahrten für Street View hat Google nicht nur fotografiert, sondern auch intime Daten wie E-Mails aus privaten Netzen mitgeschnitten - widerrechtlich. Kay Oberbeck: "Wir haben, seitdem wir erkannt haben, dass wir diesen Fehler gemacht haben, von vornherein sehr, sehr transparent, in unseren Augen sehr, sehr transparent auch öffentlich gemacht, weltweit öffentlich gemacht, dass uns dieser Fehler passiert ist." 

Lars Reppesgaard: "Die Autos sind heimlich durch Deutschland gefahren. Erst dann gab es Protest, erst dann gab es Verhandlungen mit den Datenschützern. Dann gab es die Panne mit der Erfassung der Wlan-Daten. All das hat dazu beigetragen, dass die Leute wirklich Google misstrauen, bei dem was das Unternehmen tut." 

Und das Misstrauen scheint berechtigt. Denn Google selbst ist damit nicht an die Öffentlichkeit gegangen. Der Fehler kam erst heraus, nachdem der Datenschutzbeauftragte nachbohrte. Transparenz sieht anders aus. Professor Johannes Caspar: "Google versucht sich weitgehend abzuschotten. Und ist natürlich auch sehr selten bereit, dann Dinge, die den Konzern betreffen oder die die Produkte auch betreffen, so darzustellen, dass die Öffentlichkeit davon erfährt." 

Wesentliches bleibt verborgen. Dafür bedient Google gerne das gewünschte Image vom jungen, bunten Unternehmen. Mit etwas Farbe versucht Google das Misstrauen zu übermalen und startet eine neue Kampagne. Kay Oberbeck: "Wir sind überzeugt davon, dass Google Street View auch für Deutschland entsprechende Vorteile mit sich bringt. Und aus diesem Grunde machen wir auch gerade zu diesem Zeitpunkt auch derartige Informationskampagnen." 

Eine Image-Offensive

Im Internet, aber auch in Printmedien schaltet Google neuerdings ganzseitige Anzeigen: "5 Fragen zu Google und Street View". Ein kostspieliger Versuch scheinbarer Aufklärung in rund 20 regionalen und überregionalen Medien. Professor Thomas Hoeren: "Die haben gemerkt, irgendwas ist hier mit dem Image falsch, das läuft schräg und dann haben sie sich überlegt: Da schalten wir jetzt mal so eine Anzeige. In der Anzeige steht überhaupt nichts drin zu den Hardcorefragen, sondern es ist so ein reines 'smoothy, locker, easy - ihr braucht alle keine Angst zu haben'." 

Auch in einem Image-Film im Internet werden die Bedenkenträger an die Hand genommen. Was ist Google Street View? Kindgerecht in einer Animation zeigt uns Google, wie es Street View sieht. Lars Reppesgaard: "Man muss den Menschen nicht erklären wie Google Street View funktioniert, als wären sie alle sechs Jahre alt. Wir sind nicht kleine Kinder, die es nicht verstanden haben, was Street View macht, sondern es gibt ganz handfeste Bedenken. Es gibt Menschen, die sich darüber Sorgen machen. Und wenn man die nun wie kleine Kinder an die Hand nimmt und sagt 'och Mensch, dass habt ihr wohl n bisschen falsch verstanden', hab ich das Gefühl, dass man den falschen Weg geht." 

Aber für Google scheint es nur einen Weg zu geben: Datenschutz ist für sie offenbar Verhandlungssache, auslegbar, ein dehnbarer Begriff. Kay Oberbeck: "Datenschutz ist auf jeden Fall keine Sache, die man punktmäßig oder zeitpunktmäßig auch begrenzt sehen muss, sondern Datenschutz ist natürlich ein Punkt, der auch im Fluss ist." 

Google prescht immer nach Vorne. Trotzdem will der Konzern sympathisch bleiben, bloß keine Nutzer verlieren. Doch dafür müsste Google seine Strategie glaubhaft ändern. Prof. Thomas Hoeren: "Google muss die Datenschutz- und Datensicherheitsrelevanten Informationen rausrücken. Also, wer sind sie überhaupt? Wo sitzen sie? Wo sind die Daten gelagert? Wie sind sie da gelagert? In welcher Umgebung? Wer hat Zugriff auf die Daten? Und was soll mit den Daten geschehen? Da haben wir noch gar keine Informationen zu." 

Lars Reppesgaard: "Bisher gibt es das Versprechen der Gründer von Google, dass man die Daten nicht missbrauchen wird, dass man bestimmte innere Grenzen einhält und Datenpools nicht miteinander vermischt. Ob das wirklich so ist, das wissen wir nicht. Da gibt es keine rechtlichen Vereinbarungen, da müssen wir uns auf ein Versprechen verlassen."

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ZAPP | 18.08.2010 | 23:05 Uhr