Stand: 13.11.2012 12:00 Uhr

Umweltskandal: Vertuschung in Bremen?

von Jörg Hilbert & Jan Liebold

Die Panorama 3 Reporter konnten es kaum glauben: In den Bremer Ortsteilen Farge und Rönnebeck riecht das Grundwasser aus Gartenbrunnen nach Benzin - und das schon seit Jahren!  Das Wasser, das die Anwohner nutzen, um ihr Gemüse zu gießen und den Rasen zu sprengen. "Ja, manchmal riecht es hier wie an einer Tankstelle", sagt Anwohner Leo Preuß.

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Kinder bekamen Hautausschlag

Giftwasser-Skandal in Bremen. © NDR
Anwohner Getren Güngör ist verunsichert: Kinder lässt er im verseuchten Grundwasser nicht mehr planschen.

Vor drei Jahren informierte die Bremer Umweltbehörde über die Verunreinigung des Grundwassers: Es sei benzolbelastet. Benzol - ein Stoff, der krebserregend ist. Eine Aufklärung der genauen Ursachen der Kontamination aber erfolgte nicht. Die Nachbarn, die erst später in die Gegend gezogen sind, berichten, dass sie nichts von der Warnung der Behörde erfahren haben. Getren Güngör etwa füllte im Sommer das Planschbecken mit Wasser aus seinem Brunnen: "Die Kinder, die mit dem Wasser gespielt haben, haben davon Hautausschläge bekommen", erzählt er.

Belastungen stammen angeblich aus dem Zweiten Weltkrieg

Auf Nachfrage nennt die Behörde das Gelände des heutigen Bundeswehr-Tanklagers Farge als Quelle der Belastungen. Dort sei es im Zweiten Weltkrieg und in der Nachkriegszeit zu erheblichen Bodenverunreinigungen gekommen.

Doch offenbar wurde das Grundwasser erst viel später kontaminiert. Panorama 3 nahm Proben des Wassers und ließ diese im Labor untersuchen. Ergebnis: Neben krebserregendem Benzol ist offenbar auch ein weiterer problematischer Stoff in die Erde gelangt: MTBE (Methyltertiär-Butylether), ein Zusatz für bleifreie Vergaserkraftstoffe. "Das heißt, diese Verunreinigung muss irgendwann seit den 1980er Jahren stattgefunden haben und nicht vorher. MTBE als Bestandteil von Benzin wird erst seit den 1980er Jahren eingesetzt", bestätigt der Marburger Altlastengutachter Dr. Rainer Haas.

Der Fund deutet auf einen Unfall oder ein Leck auf dem Gelände des Tanklagers in der jüngeren Vergangenheit hin. Davon jedoch erfuhr die Öffentlichkeit nichts - obwohl die MTBE-Belastung der Umweltbehörde seit 2011 bekannt ist. Das geht aus einem Verwaltungsbericht hervor, der Panorama 3 vorliegt. Einen Grund, die Bevölkerung über die Kontamination mit MTBE zu informieren, sah die Behörde damals offenbar nicht.

Linke und CDU verlangen Aufklärung

Giftwasser-Skandal in Bremen. © NDR
Im Interview verspricht Staatsrätin Gabriele Friderich (li.) eine erneute Prüfung.

Konfrontiert mit dem Untersuchungsergebnis gestand die Bremer Umweltbehörde nun erstmals öffentlich ein, dass dieser Schaden nach 1985 eingetreten sein muss. Staatsrätin Gabriele Friderich kündigte an, die Recherchen von Panorama 3 zum Anlass zu nehmen, die Ursache der Verunreinigung aufzuklären: "Wir werden dem sofort nachgehen und das noch einmal überprüfen." Kritik an ihrer Informationspolitik weist die Behörde allerdings zurück.

Die Partei "Die Linke" hat unterdessen einen Antrag zu dem Thema in die Bremische Bürgerschaft eingebracht, der in der kommenden Woche im Stadtparlament diskutiert wird. Die CDU hat ihrerseits vom Bremer Umweltsenator Joachim Lohse (Grüne) Aufklärung über das Ausmaß der Verseuchung gefordert und beantragt deshalb eine Sondersitzung der Umweltdeputation. Die Ursachen und Folgen der Verseuchung müssten umfassend geklärt werden.

Bundeswehr: Ursache unklar

Die MTBE-Belastung lässt darauf schließen, dass die Bundeswehr als Besitzer des Tanklagers doch eine Mitverantwortung für den Umweltskandal tragen könnte. Auf erneute Nachfrage teilte die Bundeswehr mit, die Ursache der MTBE-Belastung sei "noch nicht geklärt". Die kontaminierte Zone reicht vom Tanklager mittlerweile etwa 800 Meter weit in das angrenzende Wohngebiet. Anwohner aus Frage und Rönnebeck wollen nun Strafanzeige wegen einer schweren Umweltstraftat stellen.

Dieses Thema im Programm:

Panorama 3 | 13.11.2012 | 21:15 Uhr

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