Stand: 25.11.2013 18:06 Uhr

Ungeregelt: Staatliche Suche nach Erben

von Esra Özer & Alexandra Ringling

Ein mysteriöser Brief aus der Schweiz erreicht Jeanette Waldera. Sie soll geerbt haben, doch wer gestorben ist und wie hoch das Erbe ist, das will das Schweizer Erbenermittlungsbüro erst mitteilen, wenn sie einen Vertrag unterschreibt. Darin soll Waldera 25 Prozent ihres Erbes an die Erbenagentur abtreten. "Ich dachte zunächst, es handelt sich um einen Irrtum, ich kenne ja niemanden aus der Schweiz", sagt Jeanette Waldera.

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Der Vater wohnte nur 20 Minuten entfernt

Trotzdem lockt die Aussicht auf ein unerwartetes Erbe - sie unterschreibt. Eine Woche später kommt der nächste Brief. Formlos wird ihr mitgeteilt, ihr Vater sei gestorben. Waldera ist schockiert. "Mein Vater wohnte nur 20 Minuten von mir entfernt, aber er war Alkoholiker. Vor neun Jahren haben wir den Kontakt zueinander verloren." Sie bekommt ihr Erbe ausgezahlt - abzüglich 25 Prozent, der Provision für den Erbenermittler.

Eigentlich hätte ein gerichtlich bestellter Nachlasspfleger Waldera finden müssen. Dann hätte sie nur eine kleine Gebühr gezahlt. Doch die staatliche Suche nach den Erben ist wenig geregelt. Die eingesetzten Nachlasspfleger können sie selbst organisieren und bekommen ihr Geld unabhängig vom Erfolg. Die Gerichte kontrollieren die Arbeit kaum. Dabei geht es oft um viel Geld. "Grundsätzlich ist es egal, ob ich einen Erben finde oder nicht, denn der Zeitaufwand ist hier ja entstanden und den kann ich dann auch gegenüber dem Nachlassgericht abrechnen", sagt Nachlasspfleger Bernd Clasen.

Ein lukratives Geschäft

Da es aber auch keine Fristen gibt, innerhalb derer ein Fall bearbeitet werden muss, beobachtet Clasen bei vielen Kollegen einen Mangel an Motivation. Und wenn sie gar nicht mehr weiter wissen, dann können die Nachlasspfleger selbsttätig einen privaten Ermittler engagieren, der sich dann auf die Suche begibt. Und dieser bestimmt die Höhe seines Honorars selber. Das können, wie im Fall Waldera, 25 Prozent sein, manche nehmen aber auch bis zu 40 Prozent. Ein lukratives Geschäft.

Gesetzeslücke zu Lasten der Erben

Jeanette Waldera wird misstrauisch. Der zuständige Nachlasspfleger hätte doch nur im Standesamt anfragen müssen. Wieso hat er stattdessen einen teuren Erbenermittler beauftragt? Und wieso sitzt dieser in der Schweiz? Mit dem Anwalt Jens Forkert zieht sie vor Gericht. Die einzige Möglichkeit, sich gegen die Praxis zu wehren.

Das Landgericht Berlin gibt Waldera zumindest teilweise Recht. "Es sei nicht ersichtlich, dass dem Beklagten diese einfachen Behördenanfragen nicht zumutbar gewesen sein sollen", urteilt das Gericht. Der Fall Waldera ist bei weitem kein Einzelfall. Und dennoch gibt es keine gesetzlichen Kriterien, ab wann der Nachlasspfleger einen privaten Ermittler einsetzen darf und wie viel er selber leisten muss. Eine Gesetzeslücke auf Kosten der Erben.

Dieses Thema im Programm:

Panorama 3 | 26.11.2013 | 21:15 Uhr

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