Sendedatum: 13.03.2018 21:15 Uhr

Streit um Gedenken am Bückeberg

von Philipp Hennig & Johannes Jolmes

Karl-Otto Gericke kennt "seinen" Bückeberg seit Jahren – doch jetzt macht der Rentner sich Sorgen: "Wir haben seit zig Jahren den Bückeberg genauso. Und wenn man auch von da unten vorbei fährt, dann kennt man so den Bückeberg. Und wir wollen hier keine Zerstörung der Landschaft haben." Was ihn und andere ärgert: Dass hier ein Gedenk- und Lernort entstehen soll.

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Reichserntedankfeste auf dem Bückeberg

Von 1933 bis 1937 fanden auf dem Bückeberg bei Hameln die "Reichserntedankfeste" statt. Bis zu einer Millionen Menschen reisten an, um Adolf Hitler und andere Nazigrößen reden zu hören. Das "Reichserntedankfest" war eine der größten Massenveranstaltungen der Nazis in den 30er Jahren.

Jens-Christian Wagner
Der Historiker Jens-Christian Wagner misst den Reichserntedankfesten eine große historische Bedeutung zu.

Für Jens-Christian Wagner, Leiter der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten, kommt den Reichserntedankfesten daher eine besondere historische Bedeutung zu: "Diese Feste waren extrem wichtig für die Formierungsphase der von den Nazis propagierten Volksgemeinschaft und sie haben tatsächlich eine starke integrative Wirkung entfaltet. Und diejenigen, die am Bückeberg in den dreißiger Jahren gejubelt haben, haben dann in den 40er Jahren - nicht alle, aber viele - als Soldaten an den Fronten an Kriegsverbrechen begangen. Im Grunde kann man es so sagen: Der Weg führte von Bückeberg nach Bergen Belsen, man kann diese Orte nicht voneinander trennen.", erklärt er Panorama 3.

Ab 1934 führte die Wehrmacht im Rahmen der "Reichserntedankfeste" auch Manöver durch. Später wurde das eigens aus Pappmaché errichtete "Bückedorf" im Rahmen der Feier von der Wehrmacht zerstört. So sollte die Bevölkerung auf den Krieg eingestimmt werden.

Streit um Erinnerungsstätte

Ob an die Bedeutung der "Reichserntedankfeste" erinnert werden sollen, darüber wird seit 20 Jahren gestritten. Jetzt sollen Fakten geschaffen werden: Der Landkreis plant, auf dem Bückeberg einen "Lernort" zu errichten. Kleine Wege sollen den Bückeberg durchziehen, am jeweiligen Ende können sich zukünftige Besucher an Hinweistafeln informieren. Auch die Fundamente der einstigen Ehrentribüne sollen über einen Steg begehbar sein.

Timo Schriegel
Der Fahrradhändler Timo Schriegel hat Unterschriften gegen den Erinnerungsort gesammelt, da er die Kosten für überzogen hält.

In Emmerthal stößt das bei vielen auf Ablehnung. Mehr als 2.000 Unterschriften haben Gegner des geplanten Erinnerungsorts schon gesammelt. Auch Fahrradhändler Timo Schriegel engagiert sich seit Monaten. Ihn stören vor allem die Investitionen in das Projekt: rund 450.000 Euro. Für Schriegel ist das "zu teuer, zu überzogen, zu hohe Folgekosten. Und die Bürger nicht mit ins Boot reingenommen. Das halte ich für wirklich die größten Probleme dabei. Hier verlottern Schulen, was echte Lernorte sind. Da ist kein Geld für da. Und hier sind 450.000 Euro überhaupt kein Problem. Das verstehe ich nicht", erzählt er.

Bückeberg, ein bedeutender Nazi-Propagandaort?

Mit den anfallenden Kosten argumentieren viele Kritiker des Projekts. Dabei ist die Finanzierung längst gesichert. Schulen würden mit dem Geld ohnehin nicht saniert. Es entstammt aus Töpfen für den Denkmalschutz. Doch Kritikern wie Karl-Otto Gericke geht es nicht nur ums Geld. Er zweifelt auch an der historischen Bedeutsamkeit des Ortes: "Fünf Reichserntedankfeste sind dort veranstaltet worden. Und in diesen fünf Tagen hat damals der Führernach Unterlagen, die man heutzutage einsehen kann, viereinhalb Stunden gesprochen. So, und darüber machen jetzt diese Historiker hier etwas dass das gleichbedeutend sein soll mit Nürnberg, mit Berlin."

Karl-Otto Gericke
Karl-Otto Gericke ist gegen die Errichtung einer Gedenkstätte, da er an der historischen Bedeutsamkeit des Ortes zweifelt.

Für den Historiker Jens-Christian Wagner ein skurriler Einwand. Er sieht Parallelen zwischen den Reichsparteitagen der NSDAP, den 1.Mai Feiern der Nazis - und dem Bückeberg: "Der Bückeberg stand tatsächlich propagandistisch in einer Reihe mit dem Tempelhofer Feld in Berlin und dem Reichtsparteitagsgelände. Auf dem Tempelhofer Feld richteten die Nazis ihr Integrationsangebot an die Arbeiter, auf dem Parteitagsgelände waren es die Parteimitglieder und der Bückeberg war der Ort, wo die Landbevölkerung, das agrarische Deutschland, an das Regime herangeführt wurde", erklärt er Panorama 3.

Das ihr "Hausberg" für die Nazis einmal eine so wichtige Bedeutung hatte, wollen viele Emmerthaler nicht wahrhaben. Die Fronten sind verhärtet. Am heutigen Dienstagnachmittag hat sich der Kreistag mit einer knappen Mehrheit für die Umgestaltung des Bückebergs ausgesprochen.

Dieses Thema im Programm:

Panorama 3 | 13.03.2018 | 21:15 Uhr