Sendedatum: 30.04.2013 21:15 Uhr

Hafenarbeiter: Von der Gewerkschaft verraten?

von Jörg Hilbert & Hanna Möllers
Hafenarbeiter: Von der Gewerkschaft verraten?
Bei der Gesamthafen-Betriebsgesellschaft in Bremen sind 90 Prozent bei ver.di organisiert.

Ein Organisationsgrad von dem andere nur träumen: Rund 90 Prozent aller Mitarbeiter des Gesamthafenbetriebsvereins in Bremen, kurz GHBV, sind ver.di-Mitglied. Hafenarbeit und Gewerkschaft, das gehört eben zusammen, auch beim hafeneigenen Personaldienstleister GHBV. Aber wie schafft ver.di es, dort so stark zu sein? 

VIDEO: Hafenarbeiter: Von der Gewerkschaft verraten? (7 Min)

Unter Druck gesetzt?

"Das ist bedingt durch die guten Tarifverträge, die wir abschließen", meint Dirk Reimers, ver.di-Landesfachbereichsleiter. "Das ist die Angst davor keinen Arbeitsvertrag zu bekommen", entgegnet eine Mitarbeiterin vom GHBV, die unerkannt bleiben möchte. Sie berichtet von ihrem Einstellungsgespräch. Bei dem sei sie auch zum Betriebsrat geschickt worden. Dort bekam sie ein bereits ausgefülltes Eintrittsformular von ver.di vorgelegt. Einzig ihre Kontonummer und ihre Unterschrift musste sie noch einfügen. "Man fühlt sich unter Druck gesetzt in diesem Gespräch. Wenn du den Antrag nicht ausfüllen würdest, würdest du auch keinen Arbeitsvertrag bekommen; dieses Gefühl hat man. Man hat einfach Angst, dass die da oben, dass ver.di mit dem GHB zusammenarbeitet." Und mit diesem Gefühl ist sie scheinbar nicht alleine. Auch andere Mitarbeiter schildern Panorama 3 gegenüber ähnliche Erfahrungen.

"Ich kann Ihnen auch einen Staubsauger verkaufen"

Hafenarbeiter: Von der Gewerkschaft verraten?
Betriebsrat und Geschäftsführer des GHBV bestreiten, dass Druck aufgebaut wird. Doch die Arbeitsbedingungen lassen zu wünschen übrig.

Der Betriebsrat und der Geschäftsführer des GHBV bestreiten, dass Druck aufgebaut wird. Das ausgefüllte Formular würde erst vorgelegt, nachdem der Arbeitsvertrag schon unterschrieben sei, beteuert Dieter Schindler, ver.di-Betriebsratsvorsitzender beim GHBV. Dass fast alle, die hier in sein Büro kommen, sofort bei ver.di eintreten, erklärt er so: "Das hat was mit Überzeugung zu tun. Ich könnte ihnen auch einen Staubsauger verkaufen, den würden sie nehmen. Aber sie tauschen ihn nie wieder um. Das schwör ich ihnen."

Ver.di-Mitgliedschaften verkaufen wie Staubsauger? "Wären wenigstens die Arbeitsbedingungen gut, könnte man dieser Praxis ja noch irgendetwas Gutes abgewinnen", meint Nico Ebeling, "aber das Gegenteil ist der Fall." Er arbeitet als Gabelstaplerfahrer beim GHBV und ist bei ver.di ausgetreten.

Löhne drastisch gekürzt

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Nico Ebeling arbeitet als Gabelstaplerfahrer beim GHBV und ist bei Verdi ausgetreten - "das wirtschaftliche Risiko wird so voll auf uns abgewälzt".

Tatsächlich: Die unterste Lohngruppe bekommt einen Stundenlohn von 8,71 Euro. Gibt es nichts zu tun, können die Arbeiter zu Hause bleiben. Die Ausfälle müssen sie dann an anderen Tagen nacharbeiten. "Das wirtschaftliche Risiko wird so voll auf uns abgewälzt" beklagt Nico Ebeling verbittert. "So etwas darf ver.di doch nicht tolerieren, nicht wenn 90 Prozent bei ver.di sind."

Auch bei denen, die die Autos im Hafen auf die Schiffe fahren, sind die Zeiten des guten Geldes vorbei. Mitten in der Wirtschaftkrise sind deren Löhne drastisch gekürzt worden. Kollegen, die vor der Krise eingestellt wurden, erhalten heute bis zu 15,80 Euro die Stunde. Neu eingestellte Kraftfahrer machen denselben Job für 11,78 Euro. Wieder andere bekommen für's Autofahren nicht einmal zehn Euro.

Dirk Reimers bezeichnet die unteren Lohngruppen selbst als "beschissen". Gegenüber Panorama 3 räumt er außerdem ein, dass ver.di die Folgen der Krise bis heute nicht beseitigt hat. In den nächsten Tarifverhandlungen aber, so verspricht er, solle sich einiges bessern. 

Dieses Thema im Programm:

Panorama 3 | 30.04.2013 | 21:15 Uhr