Stand: 05.12.2016 17:25 Uhr

Chaos bei der Paketzustellung

von Mareike Burgschat, Lena Gürtler, Kaveh Kooroshy

Hochsaison für Paketdienste. Zu keiner Jahreszeit werden mehr Pakete verschickt als zur Weihnachtszeit. Täglich 15 Millionen sind es laut dem Bundesverband für Paket und Expresslogistik. Und das, obwohl viele Paketdienste sowieso schon an ihren Belastungsgrenzen sind. Denn seit der Online-Handel boomt, bleibt bundesweit kaum ein Paketauto mehr in der Garage. Und mit den Paketmassen kommen die Probleme. Und das keineswegs nur in den großen Ballungsgebieten wie Hamburg oder Hannover, sondern auch in Kleinstädten und auf dem flachen Land.

VIDEO: Chaos bei der Paketzustellung (7 Min)

Verärgerte Kunden

Lange Schlangen vor einer Postfiliale. Viele der Kunden wollen ein Paket abholen, das sie sich eigentlich nach Hause bestellt haben. Eine Frau ärgert sich: "An dem Tag, als das geliefert wurde, haben wir drei Pakete für die Nachbarn angenommen. Aber unser eigenes konnten sie nicht ausliefern." Offenbar knirscht es im System der Paketdienste auf den letzten Metern auf dem Weg zum Empfänger. Die Verbraucherzentralen sammeln die Geschichten verärgerter Kunden. Auf der Webseite www.paket-aerger.de landen etwa 1.500 Beschwerden pro Quartal. Und dabei ist die Weihnachtszeit noch nicht mal berücksichtigt. Einige der dort präsentierten Geschichten entbehren nicht einer gewissen Komik. Da landet ein Paket bei der Zustellung in der Regentonne, ein anderes wird einfach über den Zaun geworfen. Und weil ein Bote die Pakete zu viele Treppen hochschleppen muss, bekommt dieser laut Kundenbeschwerde einen ziemlich unkontrollierten Wutanfall. So sehen es Kunden.

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Eine lange Schlange vor einer Postfiliale
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Branche wehrt sich

Der Pressesprecher des Paketzustellers UPS, Rainer Kiehl, weiß um das schlechte Image, will die Vorwürfe aber so nicht stehen lassen: "Keiner spricht darüber, dass jeden Tag Hunderttausende von Paketen zugestellt werden, dass sie sie pünktlich bekommen haben, dass sie einen freundlichen Mitarbeiter an der Tür hatten, der das Paket übergeben hat. Es wird immer wieder nur dieses Negativbeispiel angepackt." Tatsächlich dürften die Beschwerden allein schon deshalb zunehmen, weil die Zahl der Zustellungen gestiegen ist. Allein im ersten Halbjahr dieses Jahres wurden bundesweit täglich rund 500.000 Sendungen mehr als noch 2015 ausgeliefert. Das führt natürlich zu Problemen. Logistikexperte Werner Gliem aus Hamburg bestätigt, dass nicht immer alles glatt läuft: "Parken in zweiter Reihe, Mehrfachbelieferungen, Klingeln beim Nachbarn - diese Dinge nehmen dann natürlich linear zu. Je mehr Pakete ausgeliefert werden, desto mehr Verkehrsaufkommen und Verkehrsstörungen haben sie. Und die Menschen empfinden das auch als Stress. Nicht die die das Paket bekommen, sondern alle anderen."

Kostenlose Helfer

Tatsächlich können nach Angaben des Bundesverbandes Onlinehandel 90 Prozent der Pakete beim ersten Versuch zugestellt werden. Allerdings nicht immer beim Kunden. Denn wenn der Zusteller klingelt und keiner aufmacht, versuchen viele Paketlieferdienste ihr Glück beim Nachbarn oder in einem Laden in der Nähe.  

Heiko Goetz betreibt eine Druckerei in Hamburg und so ganz nebenbei einen gut gehenden Paketshop, kostenlos für Paketdienste und ihre Kunden. Und er tut es gern: "Wir haben hier so einen netten Fahrer, der ist echt immer sehr bemüht und klingelt überall, und die Leute sind nicht da. Er steht dann da und muss rumfragen, wo kann ich das dann abgeben." Und so landen die Pakete bei Heiko Goetz, an manchen Tagen gleich Dutzende. Er weiß, dass er damit zur Gratisstation für die Paketdienste wird: "Es gibt diese großen Konzerne, Hermes oder DPD oder wie auch immer. Die hoffen natürlich, dass ihre Fahrer jemanden finden, der dann netterweise so ein Paket annimmt." Er nehme die Pakete wegen der Nachbarn und für die Zusteller an. "Der Fahrer gibt sich so viel Mühe und dann sagen wir: Okay, liefere das hier ab!"

Und so funktioniert das Zustellsystem irgendwie weiter, auch weil es Menschen gibt wie Heiko Goetz. Doch die Paketdienste sind Wirtschaftsunternehmen - und die sollten eigentlich auch ohne ehrenamtliche Helfer auskommen.

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Dieses Thema im Programm:

Panorama 3 | 06.12.2016 | 21:15 Uhr