Stand: 26.09.2017 17:03 Uhr

Auf den Spuren eines fragwürdigen Pferdehändlers

von Jan Körner

Als Monika Dolle sich entscheidet, ihr Pferd "Babe" zu verkaufen, ist eines besonders wichtig: Das Tier soll bestmöglich versorgt sein. "Babe" kann zwar aufgrund einer Arthrose nicht mehr geritten werden, aber als sogenanntes Beistellpferd soll das Tier einem anderen Reitpferd im Stall Gesellschaft leisten. Doch dann gerät Monika Dolle an einen fragwürdigen Pferdehändler. Der kauft offenbar systematisch kranke Tiere auf, um sie dann als teure Reitpferde weiterzuverkaufen. Panorama 3 hat sich auf Spurensuche begeben.

VIDEO: Auf den Spuren eines Pferdehändlers (8 Min)

Händler mit rührseliger Geschichte

Wie viele andere Pferdebesitzer inseriert Monika Dolle ihr Tier bei Ebay-Kleinanzeigen. Sie entscheidet sich für einen Käufer aus dem Landkreis Gifhorn, der angeblich nach einem Beistellpferd für das Pferd seiner Tochter sucht. Was er erzählt, klingt nach einem guten Ort für "Babe". Das ist Monika Dolle wichtig, denn sie hängt sehr an ihrem Pferd. "Ich habe 'Babe' selber gezüchtet und sie jahrelang geritten. Ich war immer sehr eng auch emotional an sie gebunden." Für 300 Euro wechselt "Babe" schließlich den Besitzer.

Hilfe-Aufruf
Babe © NDR

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"Babe", das Pferd von Monika Dolle, ist nach wie vor verschwunden. Für sachdienliche Hinweise über den Verbleib des Tieres ist die Panorama 3-Redaktion ihnen sehr dankbar. mehr

Als Monika Dolle ihr ehemaliges Pferd Wochen später besuchen möchte, erlebt sie eine Überraschung: Die im Kaufvertrag angegebene Adresse befindet sich mitten in einem Wohngebiet. Weit und breit keine Pferdeweide. Den Käufer kennt hier auch niemand. Sie recherchiert im Internet: "Babe" wurde gar nicht an einen Privatmann verkauft, sondern an Olaf S., einen Pferdehändler. Dass der einfach nur ein Beistellpferd erwerben wollte, glaubt sie nun nicht mehr. Doch wo ist das Tier?

Kranke Tiere verschwinden spurlos

Mutter mit Tochter © NDR
Rabea Peters und ihre Tochter gaben die Suche nach "Ares" nicht auf und nutzten hierfür auch soziale Netzwerke wie Facebook.

Auch Rabea Peters sucht ihr ehemaliges Pferd. Auch sie hat ihren braunen Wallach "Ares“ an einen Olaf S. verkauft. Für 500 Euro. Ihr hat er die gleiche Geschichte erzählt: Er suche ein Beistellpferd für seine Tochter. Im Kaufvertrag wurde sogar festgehalten, dass "Ares" an einer Hufkrankheit litt und nicht mehr geritten werden durfte.

Panorama 3-Recherchen offenbaren: Pferde wie "Babe" und "Ares" gibt es viele. Verkauft als Beistellpferde verschwinden die Tiere spurlos. Die Betroffenen schließen sich in sozialen Netzwerken zusammen. Allein die Facebook-Gruppe "Vermisste Pferde oder kennt Ihr dieses Pferd" hat mehr als 14.000 Mitglieder. Und ein Name taucht dort immer wieder auf: Olaf S., der Pferdehändler aus dem Landkreis Gifhorn.

"Geschlachtet, gefressen, verdaut"

Route eines verkauften Pferdes © NDR
Spekulationsobjekt statt Ruhestand: Als Beistellpferd wurde "Ares" erworben, als Reitpferd dreimal verkauft - für insgesamt 14.000 Euro.

Im Laufe unserer Recherche sprechen wir mit fünf ehemaligen Pferdebesitzern, die alle ihre Pferde an Olaf S. als Beistellpferd verkauft haben. Alle bestätigen, dass Olaf S. auch ihnen die Geschichte vom Pferd für seine Tochter erzählt habe. Doch warum kauft ein Pferdehändler so viele Beistellpferde auf? Wir rufen ihn an und fragen nach. Olaf S. erzählt uns, dass seine Tochter-Geschichte eben Teil seines kaufmännischen Geschicks sei. Und dass er mit den Pferden nach dem Kauf machen könne, was er wolle. Was denn aber mit den Pferden passiert sei, wollen wir wissen. "Die sind geschlachtet, gefressen, verdaut und wieder ausgeschissen. Bringen Sie das genau so", sagt er. Dann reißt überraschend die Verbindung ab.

Lukrativer Handel mit hohem Gewinn

Frau mit Vertrag © NDR
Katja Schmelter mit dem Kaufvertrag von "Ares" - auch sie wurde von einer Zwischenhändlerin belogen.

Die  Suche nach "Babe" und "Ares" läuft weiter. "Babe" bleibt verschwunden, aber "Ares" finden wir tatsächlich. Das Pferd wurde offenbar gleich mehrfach verkauft. Nachdem Rabea Peters ihr Tier im Juli 2015 an Olaf S. verkauft hatte, wird im Januar 2016 Katja Schmelter aus Bad Lippspringe neue Besitzerin. Sie hat das Pferd von einer weiteren Zwischenhändlerin gekauft - als Reitpferd für 3.000 Euro. Schnell war ihr klar, dass ihr neues Pferd krank ist. "Donnerstags hat sie ihn gebracht. Und sonntags habe ich ihn das erste Mal geritten. Und da habe ich schon gemerkt, dass er ständig stolpert." Je mehr sie das Pferd belastete, desto schlimmer wurde es. Sie einigt sich mit der Zwischenhändlerin, dass sie das Pferd wieder zurückgeben kann. Allerdings nur für den halben Preis. Für 1.500 Euro. Doch nur zwei Wochen später wird "Ares" erneut verkauft. Dieses Mal für 8.000 Euro nach Hannover.

Ein Jahr später wird diese letzte Besitzerin auf einen Suchaufruf aufmerksam, den Rabea Peters über Facebook versendet hat. Sie bietet ihr daraufhin an, das Pferd zurückzukaufen. Rabea Peters sagt sofort zu und zahlt die geforderten 1.000 Euro. Nach zwei Jahren als angebliches Reitpferd darf sich "Ares" endlich wirklich ausruhen.

Händler wie Olaf S. verdienen an Pferden wie "Ares" offenbar viel Geld. Mindestens 14.000 Euro sind allein mit ihm umgesetzt worden.  

Dieses Thema im Programm:

26.09.2017 | 21:15 Uhr

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