Sendedatum: 25.09.2012 21:15 Uhr

Arbeitslose - unfreiwillige Freiwillige

von Nils Naber, Nils Casjens
Die Homepage des Bundesfreiwilligendienst © NDR Foto: Screenshot
Die Homepage des Bundesfreiwilligendienst. Aber freiwillig scheinen viele "Bufdis" nicht zu arbeiten - für Hartz-IV-ler ist es oftmals die einzige Möglichkeit, einer sinnvollen Tätigkeit nachzugehen.

Anfang September begingen Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre Bundesfamilienministerin Kristina Schröder feierlich den ersten Geburtstag des Bundesfreiwilligendienstes. Mit geladenen Gästen feierte man vor allem sich selbst und die eigene Idee "freiwilliges Engagement auf eine noch breitere Basis zu stellen".

Was als der große Wurf im Kanzleramt gefeiert wurde, ist eigentlich aus der Not geboren. Viele Stellen sind Zivildienststellen, die Zivildienstleistenden sind mit Ende der Wehrpflicht in Deutschland verschwunden, die Arbeit aber ist geblieben. Mit dem Bundesfreiwilligendienst sollten diese Stellen neu besetzt werden - mit jungen Leuten, aber auch mit Älteren, Rentnern, Menschen, die sich ein Zubrot verdienen wollten. 

 

VIDEO: Arbeitslose - unfreiwillige Freiwillige (6 Min)

Wirklich freiwillig?

Doch ganz so freiwillig scheinen viele "Bufdis" nicht zu arbeiten: Walter Hillmann, z.B. treibt die nackte Not. Seit zwölf Jahren ist er arbeitslos. Jetzt schleppt er bei der Nienburger Tafel Kisten. Dafür bekommt er 175 Euro, die er zusätzlich zu seinem Hartz-IV-Satz behalten darf: "Das sind 175 Euro, die mir im Monat mehr bleiben - für einen Hartz-IV-ler ist das viel Geld. Da kann ich mir mal eine Hose oder ein T-Shirt außer der Reihe kaufen."

Und er ist nicht der einzige "Bufdi", der das Geld braucht. Experten sehen den Dienst deshalb nicht ganz so rosig wie die Regierung. Einer davon ist der Sozialwissenschaftler Professor Stefan Sell: "Die Hartz-IV-Empfänger machen das nicht aus besonderer Freude an der Freiwilligkeit, sondern weil es für sie die oftmals einzige Möglichkeit ist, einer sinnvollen Tätigkeit nachzugehen. Es ist die einzige verbliebene Fluchtmöglichkeit, die sie haben in diesem System des Nicht-Mehr-Um-Sie-Kümmerns."

"Ein Dienst, der große Freude macht"

Insgesamt 35.000 Bufdi-Plätze fördert das Familienministerium. Lange herrschte Unsicherheit, ob es auch genügend Bewerber für die Plätze geben würde. Zu Unrecht. Und viele Bewerber sind, anders als erwartet, wesentlich älter, als die bisherigen Zivis. Besonders in den neuen Ländern. Und viele sind Hartz-IV-Empfänger, wie eine Studie der Hertie School of Governancebelegt.

Für viele von ihnen ist der Bundesfreiwilligendienst das einzige, was sie aus dem Dasein als Arbeitslose herausreißt. Maximal für 24 Monate. Danach ist, so die gesetzliche Bestimmung, Schluss. Dann sind sie fünf Jahre für einen weiteren Einsatz gesperrt.  

Von solchen Wermutstropfen will Familienministerin Schröder auf der Feier im Kanzleramt nichts wissen. Angst vor dem Dienstende? Sie versteht die Frage gar nicht: "Das zeigt ja, dass der Bundesfreiwilligendienst ein Dienst ist, der große Freude macht, der Sinn gibt und deswegen gerade auch für Menschen, die arbeitslos sind, etwas besonders wertvolles sein kann."

Dieses Thema im Programm:

Panorama 3 | 25.09.2012 | 21:15 Uhr

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