Intendanten: Verdienen sie zu viel?
Die Debatte um die Höhe der Gehälter der Intendantinnen und Intendanten von ARD und ZDF tobt heftig. Dabei tragen einige der lautesten Kritiker eine erhebliche Verantwortung. Und der Grat zwischen ernsthaften Vorschlägen und Populismus ist schmal.
Rund 30.000 Euro. Im Monat. So viel verdient Kai Gniffke, Intendant des SWR und aktuell ARD-Vorsitzender. Er selbst hält das für angemessen: "Weil ich jeden Tag Verantwortung trage für 15 Millionen Menschen, für die der SWR in Rheinland-Pfalz und in Baden-Württemberg Angebote macht. Für 5.000 Menschen die im SWR arbeiten." Kein angenehmes Thema für ihn, aber er habe Verständnis dafür, dass man über sein Gehalt spreche, es sei ja schließlich Geld, dass die Gesellschaft, der Beitragszahler aufbringe.
Seit Jahren spricht man bereits über die Gehälter der Chefinnen und Chefs der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, seit Jahren gibt es massive Kritik an den Bezügen der Intendantinnen und Intendanten. Vom "öffentlich-prächtigen Geldsegen" ist da schon 2013 in Zeitungen die Rede, "ARD und ZDF überschütten ihre Chefs mit Geld", heißt es - und "Bild" fordert unlängst "Halbiert die Gehälter der ARD-Bosse!".
Gehälter - was ist angemessen?
Doch was ist angemessen? Die Summen, die die Spitzen der Anstalten verdienen, sind seit einigen Jahren öffentlich einsehbar. So zahlte der Saarländische Rundfunk (SR) seinem Intendanten Grasmück 2021 monatlich rund 21.000 Euro. An der Spitze der ARD-Intendantinnen und -Intendanten liegt Tom Buhrow (WDR) mit rund 36.000 Euro im Monat. Top-Verdiener war inklusive Nebenverdienste der damalige ZDF-Chef Thomas Bellut mit rund 37.000 Euro pro Monat. Das sei mehr, als Ministerpräsidenten und gar der Bundeskanzler verdienten, heißt es von Kritikern immer wieder. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) spricht in diesem Zusammenhang von "toxischen Gehältern", Reiner Haseloff (CDU), Ministerpräsident des Nachbarlandes Sachsen-Anhalt, schlägt in die gleiche Kerbe. Er nennt die Intendanten-Gehälter "astronomisch". Sie müssten "gedeckelt" werden, sich in die "Hierarchie" anderer öffentlicher Ämter einreihen: "Da gibt es den Bundespräsidenten, da gibt es den Kanzler oder die Kanzlerin und so weiter. Und irgendwie muss alles in einem Gesamtgefüge logisch und nachvollziehbar eingeordnet sein." Der Ministerpräsident von Bayern, Markus Söder, liegt 2023 inklusive Abgeordnetenbezügen bei rund 28.000 Euro im Monat, Haseloff bei rund 20.000 Euro im Monat.
Objektive Kriterien oft nicht ausschlaggebend für Gehälter
Professor Ulf Papenfuß forscht an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen zu Vergütungsstrukturen und Transparenz in öffentlichen Unternehmen. Dafür hat er die Gehälter von rund 2.000 Top-Managerinnen und Manager öffentlicher Unternehmen ausgewertet. Vielfach, so sein Fazit, würden die Gehälter nicht anhand objektiver Kriterien festgelegt. Oft sei es so, dass man sich an der Vergütung der Vorgängerin oder des Vorgängers orientiere.
Trotzdem hält Papenfuß nichts von dem Vorschlag von Sachsen-Anhalts Ministerpräsidenten Haseloff, die Gehälter der Intendantinnen und Intendanten sollten sich an der Besoldung des öffentlichen Dienstes, etwa an Richterinnen und Richtern der höchsten deutschen Gerichte orientieren. "Das eine ist ein öffentliches Amt und das andere ist eine Unternehmenslenkungsaufgabe. Das muss man unterschiedlich bewerten."
Vergleich zu anderen Gehältern zulässig?
Wird Gniffke auf sein Gehalt angesprochen, zieht er häufig den Vergleich zum Top-Manangement öffentlicher Unternehmen - zu Stadtwerken etwa oder zu Verkehrsbetrieben. Gniffke wäre dann der Lenker eines kommunalen Versorgungsunternehmens. Statt mit Wärme oder Strom versorgt er, um im Bild zu bleiben, die Menschen mit Informationen und Unterhaltung. Außerdem müsse man auf die die Zahl der Beschäftigten schauen, die ein Unternehmen hat, auf das Budget, die Verantwortung. "Und das wären dann Parameter, an denen man bemisst: Welche Vergütung bekommen Führungskräfte? Natürlich muss man auch ins Kalkül ziehen, welches wirtschaftliche Risiko mit der Aufgabe verbunden ist. Und da, glaube ich, kann man durchaus Vergleiche ziehen mit anderen Unternehmen, die eben kein wirtschaftliches Risiko haben, die also nicht existenziell bedroht sind."
Richtet man den Blick auf öffentliche Unternehmen, fällt auf: Deutschlandweit finden sich einige Vorstände, die deutlich mehr verdienen als die Intendantinnen und Intendanten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. So bezog die Chefin der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) - gehört zu zwei Dritteln der Freien und Hansestadt Hamburg - laut Vergütungsbericht 2021 ein Jahresgehalt von rund einer Million Euro. Auf den Monat runtergerechnet sind das rund 83.000 Euro. Der Vorstandschef des Flughafens in München verdiente rund 61.000 Euro. Der Vorstandschef der Versorgungs- und Verkehrsbetriebe in Mannheim, der MVV Energie AG, sogar rund 88.000 Euro, fast zweimal so viel wie SWR-Intendant Gniffke. Das Unternehmen ist vergleichbar mit dem SWR, was die Zahl der Mitarbeitenden angeht. Die Bilanzsumme liegt etwas höher 3,1 Milliarden Euro bei der MVV, 2,6 Milliarden Euro beim SWR.
Gehälter werden vom Verwaltungsrat festgesetzt - auch bei den Öffentlich-Rechtlichen
Kai Gniffkes Vergleich mit Stadtwerken und Verkehrsbetrieben sei nicht völlig von der Hand zu weisen, so Wissenschaftler Ulf Papenfuß. Auch große Kultureinrichtungen wie Opernhäuser oder Museen würden sich dafür eignen. Aber, schränkt er ein, so ein Vergleich dürfe nicht willkürlich gemacht werden. Stattdessen müsse aus 10 bis 15 (nach Mitarbeitendenzahl und Bilanzsumme) vergleichbaren Unternehmen eine Vergleichsgruppe erstellt und der Durchschnitt gebildet werden. Wenn es dann an die konkreten Vertragsverhandlungen gehe, müsse der jeweilige Aufsichtsrat auf Basis dieses Vergleichs sehr genau abwägen und begründen, warum eine konkrete Person im Einzelfall mehr oder weniger verdiene.
Wie auch bei anderen Unternehmen gilt für die öffentlich-rechtlichen Anstalten: Sie legen nicht selbst die Gehälter für ihr Spitzenpersonal fest. Zuständig ist der Verwaltungsrat. Ein unabhängiges Aufsichtsgremium, das mit Vertreterinnen und Vertretern aus der Gesellschaft besetzt ist, etwa von Parteien, Verbänden und Religionsgemeinschaften.
Wird ein Intendant neu gewählt, verhandelt der Verwaltungsrat mit ihm über seinen Vertrag - und damit auch über sein Gehalt. So derzeit beim MDR, wo Ende März Ralf Ludwig vom Rundfunkrat zum neuen Intendanten des Senders gewählt worden ist. Doch nach welchen Kriterien bei den Verhandlungen vorgegangen wird, ist nicht öffentlich.
Landespolitik könnte Transparenz schaffen
Die Landespolitik könnte den Gremien von ARD und ZDF klare Vorgaben zu Transparenz und zum Gehalt der Intendantinnen und Intendanten machen - etwa über den so genannten Medienstaatsvertrag, der u.a. die Grundlagen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland regelt. Zuständig: Die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder. Hier könnte Reiner Haseloff mit den anderen auch die von ihm immer wieder geforderte Begrenzung der "astronomischen Intendantengehälter" festschreiben. Doch dies ist bisher nicht geschehen. Aktuell liegen die dritte und vierte Novellierung des Medienstaatsvertrags vor, ein verbindlicher Gehaltsdeckel für die Spitzen der öffentlich-rechtlichen Anstalten findet sich darin nicht.
Das kritisiert auch die Opposition im Landtag von Sachsen-Anhalt. Dorothea Frederking (Bündnis 90 / Die Grünen) nennt das Handeln von Haseloff "unglaubwürdig": "Immer wieder fordert er öffentlichkeitswirksam einen Gehaltsdeckel. Aber wenn es darum geht, das umzusetzen, erkenne ich keine konsequenten Aktivitäten von ihm." Und Stefan Gebhardt, Parlamentarischer Geschäftsführer der Linken im Landtag Sachsen-Anhalt, ergänzt: "Man hätte das natürlich in einem Staatsvertrag festschreiben müssen, und das ist bisher unterblieben. Es gab von den unterschiedlichen politischen Akteuren nur Forderungen, dass es eine Deckelung geben muss. Aber die konkreten Schritte dazu, die fehlen." Von Haseloff selbst heißt es dazu: "Man sei da ja jetzt dran." Sein Staatsminister Rainer Robra (CDU), zuständig für Medien, verweist darauf, dass es eines einheitlichen Beschlusses aller 16 Bundesländer bedürfe - das sei im Moment noch nicht der Fall.
Schmaler Grat zwischen ernsthaften Vorschlägen und Populismus
Fest steht: Ein objektiv richtiges Gehalt gibt es wahrscheinlich nicht. Aber klare Kriterien und ein für die Öffentlichkeit transparentes und nachvollziehbares Verfahren könnten die Debatte um die Gehälter der Intendantinnen und Intendanten versachlichen. Und vor allem: ein Bekenntnis der Landespolitik zu ihrer Verantwortung - statt wohlfeiler Kritik ohne Folgen. Der Grat zwischen ernsthaften Vorschlägen und Populismus ist schmal.