Elisabeth M. wurde Opfer einer Polizeikontrolle, die mit der Anendung von Gewalt endete. © NDR / ARD

Urteil im Fall Elisabeth: keine Klärung des "Filmverbots"

Stand: 16.08.2021 15:30 Uhr

In unserem Beitrag "Polizeigewalt: Filmen verboten?" ging es auch um Elisabeth, die eine Polizeikontrolle filmen wollte. Sie wurde vom Amtsgericht Kaiserslautern zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.

von Tina Soliman

Das Amtsgericht Kaiserslautern hat Elisabeth M., die sich gegen die Wegnahme ihres Handys gewehrt hatte, nachdem sie eine Polizeikontrolle hatte filmen wollen, am 13. August zu einer Haftstrafe von sieben Monaten auf Bewährung wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Beleidigung verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Der sogenannte "Abhörparagraph" § 201 StGB, der die Aufnahme des nicht-öffentlich gesprochenen Wortes verbietet, galt bei dem Einsatz als Begründung für das Filmverbot. Wie "Panorama" jedoch am 22. Juli darlegte, bestand bei dem vorliegenden Fall eine sogenannte "faktische Öffentlichkeit", denn es gab eine Mithörgelegenheit durch mehrere sich vor Ort befindliche Personen - daher hätten die Polizeibeamten nicht von einer Nicht-Öffentlichkeit ausgehen und sich auf §210 StGB berufen dürfen.

VIDEO: Polizeigewalt: Filmen verboten? (29 Min)

Verfahren wegen Verstoßes gegen § 201 eingestellt

Elisabeths Verteidiger Jannik Rienhoff sagte Panorama dazu: "Das Gericht hat argumentiert, dass unabhängig davon, ob sie filmen durfte oder nicht, die Beschlagnahme des Handys rechtmäßig war. Sie könnte eine andere Straftat damit begangen haben. Das hat allerdings keiner der Beamten nahegelegt, im Gegenteil, die Beamten haben die Beschlagnahme allein auf § 201 StGB gestützt und Elizabeth hat sehr deutlich gemacht, was sie gerade macht - nämlich den Ton aufnehmen. Außerdem hat eine Beamtin gesagt, sie konnte das filmende Handy die ganze Zeit sehen. Eine strafbewehrte Portrait-Aufnahme o.ä. konnte also ausgeschlossen werden."

Elisabeth M. wurde Opfer einer Polizeikontrolle, die mit der Anendung von Gewalt endete. © NDR / ARD
Elisabeth M. zusammen mit ihrem Verteidiger Jannik Rienhoff vor dem Amtsgericht Kaisersautern.

Im Prozess erklärten die Beamten außerdem, dass ihnen durchgehend bewusst war, dass sie gefilmt wurden und daher auch gar kein Vertrauen auf Vertraulichkeit bestanden habe. Eine endgültige Klärung gab es im Prozess aber nicht, denn das Gericht stellte das Verfahren wegen des Verstoßes gegen §201 ein.

Widerstand unabhängig von § 201 rechtswidrig

Weil das Gericht aber zu der Erkenntnis gekommen sei, dass die Beschlagnahme des Handys unabhängig von § 201 rechtmäßig war, sei Elisabeths Belästigen des Beamten, um das Handy wieder zu bekommen und das Zappeln am Boden eine Widerstandshandlung gegen einen rechtmäßigen Akt der Polizei gewesen. Welche Handlung von Elizabeth die konkrete Widerstandshandlung war, habe das Gericht in der mündlichen Urteilsbegründung offengelassen.

Rienhoff bedauert, dass eine grundsätzliche Klärung der Strafbarkeit des Filmens nicht erfolgte: "Das Gericht hat es sich hier leicht gemacht und die Frage der Strafbarkeit wegen des Filmens außen vor gelassen. Die Konstruktion hierfür, erscheint mir aber nicht sonderlich nachvollziehbar. Für einen Freispruch hätte das Gericht den Polizeieinsatz - der unbestritten unverhältnismäßig und unprofessionell war - aber als vollkommen rechtswidrig einstufen müssen." Zu einer solchen Einschätzung gelangten Gerichte aber nur äußerst selten.

 

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