Nach US-Wahl: Hass und Spaltung auf Dauer?

Stand: 05.11.2020 17:18 Uhr

Ist die Spaltung der amerikanischen Gesellschaft durch Trump entstanden? Oder war er selbst nur Ausdruck davon? Und ist eine Wiederannäherung überhaupt möglich?

von Johannes Edelhoff, Tina Soliman

Die Stimmen in den USA sind noch nicht ausgezählt, aber der Verlierer der Wahl steht fest. Die Demokratie. Die OSZE-Wahlbeobachter in den USA finden keine Hinweise auf Unregelmäßigkeiten bei der Wahl. Aber Trump spricht mehrfach ohne konkrete Belege von Wahlbetrug. Republikaner und Demokraten stehen sich unversöhnlich gegenüber. Sie denken nicht nur anders, sie haben sich in eigene Wirklichkeiten verbarrikadiert.

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Alles ist politisch

Die Spaltung findet sich auch in der Gesellschaft. Selbst alltägliche Dinge wie Auto fahren, was man isst, welchen Comedian man lustig findet oder ob man eine Maske trägt oder nicht - alles ist jetzt politisch. Ist die Spaltung durch Trump entstanden? Oder war er selbst nur Ausdruck davon? Die Antwort ist entscheidend für die Lösung folgender Probleme: Ist eine Wiederannäherung überhaupt möglich? Kann Joe Biden das Land wieder einen?

Prof. Markus Gabriel © NDR/ARD Foto: NDR/ARD
Glaubt nicht an einen gravierenden Wandel in den USA: Der Philosoph Markus Gabriel.

"Die Spaltung in den USA ist in der Tat erheblich größer, als wir uns das überhaupt auch nur vorstellen können, weil die Durchdringungstiefe von Systemen, von Ideologie, Propaganda und anderen Formen der Manipulation einfach viel höher in den USA ist als bei uns heute", sagt der Philosoph und Buchautor Prof. Markus Gabriel: "Selbst wenn wir jetzt vier wackelige Jahre Joe Biden erleben werden. Dann wird es, das sage ich jetzt einmal vorher, einen republikanischen Backlash geben."

Für Gabriel ist Trump Symptom und nicht Ursache der Spaltung: "Es gibt einen abergläubischen, rassistischen, sexistischen Haufen. Und dieser Haufen wird immer wieder anspringen auf bestimmte Trigger." Wer Präsident ist, sei da nicht entscheidend.

Social Media verzerrt die Realität

Kenza Ait Si Abbou Lyadini © NDR/ARD Foto: NDR/ARD
Kritisiert das Leben in der Filterblase: Kenza Ait Si Abbou Lyadini.

Die Spaltung wird auch von sozialen Medien verstärkt. Kenza Ait Si Abbou Lyadini ist Ingenieurin, Buchautorin und Spezialisten für Künstliche Intelligenz: "Bei jedem Klick, den wir machen, bei jedem Login. Bei jedem Produkt, das wir im Internet suchen, zeigen wir, was uns interessiert. Und dadurch lernen die Systeme immer weiter." Die Algorithmen führen dazu, dass Nutzer vor allem das angezeigt bekommen, was ihre Meinung bestätigt: "Irgendwann sind wir in dieser Filterblase. Und wenn wir es gar nicht merken oder was aktiv dagegen tun, dann denken wir einfach, dass das die neue Realität ist und alle Menschen auf der Welt so denken. Unser Gehirn fühlt sich besonders stark von entzweienden Inhalten angezogen, und das nutzen Soziale Medien aus, um mehr Aufmerksamkeit zu gewinnen - und mehr Aufmerksamkeit bedeutet: der User verbringt mehr Zeit auf der Plattform. Das kann zu ideologisch konformen 'Echokammern' führen, zu Filterblasen, zu verschobenen Realitäten. Für Trump-Fans ist Joe Biden ein krimineller Super-Kommunist, für Demokraten ist Trump ein despotischer Rassist."

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Nach US-Wahl: Hass und Spaltung auf Dauer?

Der Panorama-Beitrag vom 05. November 2020 als PDF-Dokument zum Download. Download (54 KB)

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | 05.11.2020 | 22:00 Uhr

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