Die Polizeianwärter

Mittwoch, 12. Januar 2022, 00:10 bis 01:45 Uhr

Ein Mehrfamilienhaus in Freren im Emsland. Polizeipraktikant Gabriel Ben steht vor einer Wohnungstür, dahinter laute Schreie, Glas zerbricht. Die Nachbarn haben die Polizei gerufen. Gabriel soll es nun lösen. Der 24-Jährige macht gerade sein erstes Praktikum bei der Polizei Niedersachsen. "Los, nicht immer hinter mir verstecken", raunt der erfahrene Polizeikommissar seinen Praktikanten an.

Streit unter Alkohol

Zeynep Yalcin und Gabriel Ben beim Einsatztraining. © NDR/Sonja Kättner-Neumann
Im dritten Studienjahr müssen die Polizeianwärter ein Training für besondere Lagen absolvieren.

Gabriel zögert. Einen Moment zu lange. Der Kollege übernimmt und betritt die Wohnung zuerst. Er kennt die beiden Bewohner schon. Ein Paar, Alkoholiker, sie war eifersüchtig, es kam zum Streit. Die Frau weint völlig aufgelöst, bis Gabriel sie schließlich beruhigen kann. Vielleicht, weil er ihre Sprache spricht, denn Gabriels Eltern stammen gebürtig aus Polen. "Ich glaube, ich kann mich sehr gut in die Situation hineinversetzen, auch in die Flüchtlingssituation", erzählt Gabriel. "Ich hab' mich früher selber wie einer gefühlt."

Unfall mit einem Kleinkind

Auch die 22-jährige Zeynep Yalcin erlebt in ihrem Polizeipraktikum Extremsituationen, auf die sie kein theoretisches Studium vorbereiten kann. Als Zeynep gerade während einer Verkehrskontrolle den Fahrer eines Lieferwagens überprüft, durchbricht ein Funkspruch die Routine: "Schwerer Verkehrsunfall. Pkw gegen Kleinkind. Kleinkind fliegt mehrere Meter durch die Luft." Der Albtraum eines jedes Polizisten. "Hoffentlich ist der Rettungswagen schon vor Ort", sagt Zeyneps Kollege, während sie zum Unfallort rasen. "Ich befürchte nicht", antwortet Zeynep.

Drei Jahre lang mit der Kamera dabei

Zeynep Yalcin und Gabriel Ben legen gemeinsam mit 1.136 anderen Polizeianwärtern den Diensteid ab. In einem dreijährigen Studium werden sie an der Polizeiakademie in Oldenburg zu Polizeikommissar*innen ausgebildet. © NDR/Sonja Kättner-Neumann
Zeynep Yalcin und Gabriel Ben legen den Diensteid ab.

Über drei Jahre lang haben die Dokumentarfilmerinnen Sonja Kättner-Neumann und Lisa Wolff die beiden Polizeianwärter Zeynep Yalcin und Gabriel Ben mit der Kamera begleitet. Daraus ist ein Dokumentarfilm entstanden, der einen einmaligen Einblick in die Ausbildung der Polizei Niedersachsen ermöglicht. Erstmals durfte ein Filmteam sowohl das Bewerbungsverfahren als auch die gesamte Ausbildung an der Polizeiakademie Oldenburg dokumentieren, darunter auch eine Einsatzübung, die Geiselnahmen und Amokläufe simuliert.

Die Uniform verändert

Kaum jemand traut der zierlichen Zeynep anfangs zu, im mitunter harten Polizeialltag zu bestehen. Als Zeynep zum ersten Mal in ihrem Leben eine Waffe in der Hand hält und die Zielscheibe trifft, huscht ein kurzes Lächeln über ihr Gesicht. Dass die Uniform verändert, merkt Zeynep selbst. "Man fühlt sich irgendwie stärker", sagt sie.

Warum entscheiden sich junge Menschen dafür, ihr Leben in den Dienst des Staates und der inneren Sicherheit zu stellen? Kann ihr Ideal vom Polizisten als Freund und Helfer der Realität standhalten?

Der Film "Die Polizeianwärter" erzählt nicht nur sehr eindringlich von der persönlichen Geschichte zweier junger Menschen, die mit ihren Hoffnungen und Träumen an der Realität scheitern und wachsen, er erzählt auch von der menschlichen Seite des Polizeiberufes, der in der momentanen Debatte um Polizeigewalt und Rassismus oft vergessen wird.

Autor/in
Sonja Kättner-Neumann
Regie
Sonja Kättner-Neumann
Autor/in
Lisa Wolff
Regie
Lisa Wolff
Redaktion
Timo Großpietsch
Produktionsleiter/in
Bettina Wieselhuber

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