Der Laden "Tante Enso" in Brekendorf von außen. © NDR Foto: Denise Klein

Moderner Tante-Emma-Laden mit Mitspracherecht in Brekendorf

Stand: 17.09.2022 05:00 Uhr

300 Dorfbewohner haben es möglich gemacht: Mit einem genossenschaftlich finanzierten Laden für den alltäglichen Bedarf schließt Brekendorf die Versorgungslücke im Ort. Zwei Monate nach Eröffnung ist das Resümee positiv.

von Denise Klein

Viele Kundinnen und Kunden staunen nicht schlecht, wenn sie den kleinen Dorfladen zum ersten Mal betreten. Denn ganz so klein ist der sogenannte Tante Enso nicht. Rund 3.000 Artikel gibt es hier zu kaufen. Und es kommen immer wieder neue Produkte hinzu, denn die Brekendorfer (Kreis Rendsburg-Eckernförde) entscheiden mit über das Sortiment. Auf eine Tafel direkt neben dem Eingang können Wünsche geschrieben werden. Hier ist der Kunde König - und kann einkaufen, wann immer er will. Das lockt Menschen aus der ganzen Region an.

Eine starke Dorfgemeinschaft

Zusammenhalt wird hier groß geschrieben, denn ohne ihn wäre der Laden nicht zustande gekommen. Dorfbewohnerinnen und -bewohner mussten zuerst 300 Genossenschaftsanteile kaufen, ehe der Tante Enso realisiert werden konnte, denn das ist die Voraussetzung für eine solche Filiale - 100 Euro kostet ein Anteil. Rentnerin Waltraud war von Anfang an überzeugt von der Idee. "Dass der Laden am Ende so groß und schön wird, hätten wir nicht gedacht." Es habe vorab wohl skeptische Stimmen gegeben, erzählt sie und die Frage, ob sich so ein Laden überhaupt halten könne? Die ersten zwei Monate machen Filialleiterin Tanja Schröder optimistisch: "Ich bin sehr zufrieden und meine Kunden sind es auch", erzählt sie stolz.

Von Brekendorfern für Brekendorfer

Filialleiterin Tanja Schröder steht im Einkaufsladen "Tante Enso". © NDR Foto: Denise Klein
Tanja Schröder kommt eigentlich aus der Schuh-Branche. Ihr neuer Job gefällt ihr besser, da sie mit Leuten aus dem Ort arbeiten kann, sagt sie.

Nicht nur beim Sortiment mischen die Bewohnerinnen und Bewohner von Brekendorf mit, sondern auch beim Personal. Tanja Schröder wollte einen Job, den sie mit schulpflichtigem Kind unter einen Hut bekommen kann, sagt sie. Nun hat sie einen Arbeitsweg von zwei Minuten und die Schulbushaltestelle ihres Sohnes ist vor der Tür. "In diesen Zeiten ist das Gold wert und man unterstützt das Dorf." Der große Vorteil ist zudem, dass sie die meisten Leute aus dem Ort persönlich kennt. Es wird sich gegrüßt, geschnackt, geklönt - etwas, was durch den fehlenden Einzelhandel auf dem Land gerade der älteren Bevölkerung oft fehle, erklärt die Filialleiterin.

Einkaufen rund um die Uhr, auch feiertags

Der moderne Tante-Emma-Laden hat herkömmlichen Supermärkten einiges voraus. Eine Kundenkarte mit Türöffner-Funktion wie bei der Bank ermöglicht das Einkaufen 24 Stunden am Tag, an sieben Tagen die Woche - auch an Sonn- und Feiertagen. "Das ist besonders praktisch, wenn man mal eine Party hat oder spontanen Kaffeebesuch", erklärt Mitarbeiterin Nina Gießel aus eigener Erfahrung. Die Sonntagsbrötchen seien ein Dauerbrenner, so Gießel. Eine Bäckerei des Nachbarorts beliefert die Filiale mit frischen Backwaren. Bezahlt werden kann der Kuchen für den Besuch sogar bargeldlos: Die Kundenkarte dient gleichzeitig als Zahlungsmittel an der Selbstscanner-Kasse.

Gemüse liegt in Kisten im Einkaufsladen "Tante Enso". © NDR Foto: Denise Klein
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Über 650 registrierte Kunden aus der ganzen Region

Der Laden ist ein voller Erfolg. Laut der Bremer Mutterfirma myEnso war die Anzahl an eingegangenen Kundenkartenanträgen innerhalb des ersten Monats - verglichen mit anderen Tante Enso Läden in diesem Zeitraum - überdurchschnittlich hoch. Die Unabhängigkeit von Öffnungszeiten lockt Kundinnen und Kunden weit über die Dorfgrenzen hinaus an. Es gibt Registrierungen aus Owschlag, Schleswig, Selk, Kropp und sogar dem knapp 40 Kilometer entfernten Kiel. Auch Pendlerinnen und Pendler nutzen das Angebot gern, sagt Nina Gießel. Wer es persönlicher mag, trifft die Mitarbeitenden mehrmals die Woche im Tante Enso: Zu den regulären Öffnungszeiten des Ladens kann man ohne Kundenkarte einkaufen - ganz normal beim Personal an der Registrierkasse.

Weitere Orte in Schleswig-Holstein sollen folgen

Brekendorf ist die erste vollwertige Tante Enso-Filiale in Schleswig-Holstein. Im Convivo-Park in Eutin (Kreis Ostholstein) gab es vorher bereits eine Kiosk-Version des Ladens. Weitere Supermärkte wurden im Juli in Gülzow (Kreis Herzogtum Lauenburg) und im September in Hemmingstedt (Kreis Dithmarschen) eröffnet. Und es sollen noch mehr werden: geplant sind Filialen in Glasau im Kreis Segeberg, Grönwohld im Kreis Stormarn, Kastorf im Kreis Herzogtum Lauenburg und Mohrkirch im Kreis Schleswig-Flensburg.

So kam der Tante Enso nach Brekendorf

Ganz auf sich allein gestellt sind die Gemeinden jedoch nicht. Der Laden in Brekendorf beispielsweise wurde mit 750.000 Euro aus Landesmitteln gefördert. Das Ministerium für Landwirtschaft, ländliche Räume, Europa und Verbraucherschutz (MLLEV) hat bereits 1999 zur Stärkung ländlicher Regionen das Förderprogramm MarktTreff ins Leben gerufen. Ziel eines MarktTreffs ist es, eine Art Dorfzentrum mit vielfältigen Angeboten zu schaffen, in dem sich Jung und Alt begegnen und davon profitieren.

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Moin! Der Tag in Schleswig-Holstein | 01.09.2022 | 16:45 Uhr

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