Philipp Ahmann - Ein Rückblick
Zehn Jahre lang, von 2008 bis 2018, war Philipp Ahmann Chefdirigent des NDR Chores. In diesem Jahrzehnt hat Ahmann den Chor entscheidend geprägt. Er positionierte den Chor als stilistisch enorm wandlungsfähigen Kammerchor mit einem Schwerpunkt auf der Königsdisziplin des Chorgesangs: dem A-cappella-Gesang. Und Philipp Ahmann initiierte die Abonnement-Reihe des Chores mit vier Konzerten in Hamburg und Norddeutschland, die heute das künstlerische Aushängeschild des NDR Chores ist.
Vielfalt und roter Faden
Das Profil, das Philipp Ahmann dem NDR Chor gab, lässt sich am besten an der Konzeption dieser Abo-Reihe ablesen. Auf seine Programmplanung verwandte der Vielarbeiter Ahmann besonders viel Mühe. Thematisch konzipierte Konzerte, die unter einem Motto standen und den Hörer anhand eines roten Fadens durch den enormen Reichtum der Chor- und speziell der A-cappella-Literatur führten, waren sein Markenzeichen. Den Fragen von "Zweifel / Glaube" gingen Dirigent und Chor nach; sie verfolgten Shakespeares Spuren in der Chormusik oder zeichneten die Geschichte der ehrwürdigen Gattung Madrigal nach.
Antrittskonzert
Wer sich Philipp Ahmanns erstes Abo-Programm vom 24. September 2009 anhörte, der konnte schon ahnen, wohin die Reise gehen würde: Deutsche Romantik und französische Impressionisten, Schumanns "Mondnacht" und Bruckners "Abendzauber", Wiener Moderne, György Ligeti, Saint-Saëns, Debussy und der Sunnyboy der zeitgenössischen Chormusik, Eric Whitacre, waren dort zu einem stimmungs- und beziehungsvollen Ganzen verflochten. Diesem Kurs ist Ahmann über die Jahre treu geblieben; deutsche Romantik ist dabei immer eine Kernkompetenz des Chores geblieben, was den Mut zum Experimentellen und (ab und an) die Nonchalance des Populären aber nie ausschloss. Kagels "Burleske" hat der NDR Chor unter Ahmanns Leitung ebenso eingesungen wie Taveners "The Lamb".
Perfektion auf CD
Zu den Eigenheiten von Ahmanns Arbeitsweise zählt sein Perfektionismus. So zu proben, dass man das musikalische Ergebnis am besten gleich mitschneiden und ins Regal stellen kann, ist sein Ideal. Denkwürdige CD-Veröffentlichungen wie der "Sonnengesang" von Sofia Gubaidulina oder "A Quattro Cori" mit 16-stimmigen Messen für vier Chöre von Johann Friedrich Fasch und Orazio Benevoli kamen so zustande. Einhelliges Kritiker-Lob für Auswahl und Interpretation eines nicht ganz alltäglichen Repertoires fand auch die jüngste CD von Ahmann mit dem NDR Chor: "Chansons Françaises". Musik von Poulenc, Ravel, Milhaud, Hindemith, Absil und Schoeller auf Verse von Apollinaire, Rilke oder Éluard ist hier versammelt.
Philipp Ahmann und der NDR Chor auf CD:
Liebesklage zum Abschied
Seiner Liebe zur französisch geprägten Kultur setzte Philipp Ahmann auch mit seinem letzten Abo-Konzert am 10. Juni 2018 ein Denkmal. Einen bestens bekannten Stoff, "Tristan und Isolde", wählte er dazu aus, aber eben nicht mit der Musik von Richard Wagner, sondern in der reizvoll zwischen Moderne und Archaik schillernden Vertonung des frankophonen Schweizers Frank Martin. Mit diesem Liebesdrama "Le Vin Herbé" verabschiedete sich Philipp Ahmann (fürs Erste) von seinem Hamburger Publikum und setzte zugleich ein Signal in die Zukunft. Es war das erste Abonnement-Konzert des NDR Chores im neuen Zentrum des Hamburger Musiklebens: der Elbphilharmonie.