Einsamkeit, Burn-out: Viele Studierende in Niedersachsen am Limit

Stand: 27.10.2023 15:53 Uhr

Prüfungsdruck, Zukunftsängste und Corona-Auswirkungen setzen auch Niedersachsens Studierenden zu. Bundesweit droht jedem dritten ein Burn-out. Das zeigt die neue Studie der Techniker Krankenkasse (TK).

Die emotionale Erschöpfung der Studierende spiegelt sich in der steigenden Nachfrage nach psychologischer Beratung. Entsprechende Anlaufstellen an Universitäten in Niedersachsen berichten von langen Wartelisten. Für ein Erstgespräch müssen Studierende bis zu zwölf Wochen warten. Einen Therapieplatz bei einem Psychotherapeuten zu bekommen, kann sogar bis zu fünf Monate dauern. Das sagt eine Erhebung der Bundes-Psychotherapeuten-Kammer. In Hannover übersteigt die Zahl der Anfragen schlicht die Kapazität der Beratungsstelle. Dort werden keine Wartelisten mehr geführt, stattdessen können sich Studierende immer montags für ein Erstgespräch anmelden. Diese sind allerdings begrenzt.

VIDEO: Therapie beginnen? Studierende sorgen sich um Konsequenzen (08.05.2023) (2 Min)

TK-Gesundheitsreport zeigt erschreckendes Ergebnis

Deutschlands Studierende sind 2023 besonders gestresst - im Vergleich zum Rest der Bevölkerung und im Vergleich zu früher. Das ist eine der Kernaussagen des Gesundheitsreports der Techniker Krankenkasse. Die häufigsten Beschwerden, unter denen die Studierenden leiden, sind demnach Erschöpfung durch Stress, Kopf- und Rückenschmerzen. Außerdem beklagen sich mehr als die Hälfte der Gefragten, dass sie durch die Digitalisierung weniger Sozialkontakte an der Hochschule haben. 44 Prozent leiden unter zunehmender Einsamkeit. Das ist vor allem auch eine Auswirkung der Coronapandemie. Es fällt den Studierenden laut der Erhebung insbesondere schwerer, sich zu motivieren. Bertolt Meyer, Professor für Psychologie an der TU Chemnitz, hat die Befragung für die Krankenkasse ausgewertet. Er sagt, permanenter Stress und häufige Belastungen könne auf Dauer zu Burn-out führen.

Leidensdruck bei Therapieplatzsuche

Experten sind sich einig: Die Nachfrage nach psychotherapeutischer Hilfe steigt auch, weil es für die jungen Leute immer selbstverständlicher wird, sich Hilfe zu holen. "Ich glaube, dass die Akzeptanz für Fragen der psychischen Gesundheit deutlich gestiegen ist", sagt Sönke Nimz, Leiter des Studierendenwerks Ost-Niedersachsen. Gleichzeitig sei die Suche nach einem Therapieplatz mit einem Leidensdruck verbunden, meint Gisela Degener von der PBS Oldenburg.

Jeder vierte Studierende nutzt Entspannungstechniken

Studentin Leonie Häge kann nicht verstehen, wieso man lange auf Hilfe warten muss: "Es muss ja schon einen gewissen Punkt überschritten haben, bis die Leute sagen, jetzt ist es so schlimm, dass ich Hilfe brauche". Dem TK- Report zufolge, versuchen viele der Studierenden auf unterschiedlichste Weise, Stress abzubauen. Am meisten hilft es ihnen, sich mit Freunden oder der Familie zu treffen. Spazierengehen und Sport treiben empfinden sie auch als sehr hilfreich. Laut TK- Report nutzen 28 Prozent Entspannungstechniken, wie Autogenes Training oder Yoga.

Bewegung und Organisation: Angebote für Studierende erweitern

TK-Chef Jens Baas betont, es müsse dringend mehr in die Gesundheit der Studierenden investiert werden: "Wichtig ist, sich die Probleme genauer anzuschauen und nachhaltige Lösungen zu entwickeln. Helfen könnte beispielsweise ein bewegungsfreundlicher Campus oder auch eine bessere Organisation von Prüfungsphasen." Nur so könne man die Leistungsfähigkeit der kommenden Generationen auch in Zukunft aufrechterhalten.

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