Stand: 14.03.2012 18:14 Uhr

Brot-Experten antworten auf Ihre Fragen

Unsere Experten haben auf Ihre Fragen geantwortet

Anke Kähler, Bäckermeisterin. © Anke Kähler
Anke Kähler, Bäckermeisterin.

Bäckermeisterin Anke Kähler setzt sich als Vorstandsvorsitzende des Vereins "Die Bäcker. Zeit für Geschmack" für eine traditionelle Backkultur ein. Dabei ist ihr auch eine lange Teigführung wichtig. Das gleichnamige Bäcker-Zertifikat kennzeichnet Backwaren mit natürlichen Zutaten. Die Richtlinien werden vom privaten Institut für Getreideverarbeitung (IGV) überprüft.

Markus Messemer, Unternehmensberater für Bäcker. © Markus Messemer
Markus Messemer, Unternehmensberater für Bäcker.

Bäcker und Unternehmensberater Markus Messemer bietet Bäckern Unterstützung an, um ihr Sortiment umzustellen und wieder nach traditionellen Rezepten mit natürlichen Zutaten zu backen. Er hat das private Siegel "Natur Pur" entwickelt für Backwaren aus naturbelassenen Rohstoffen. Die Einhaltung der Richtlinien überprüft er selbst.

"Ich bin schon länger auf der Suche nach Bäckereien, die noch nach alter Tradition backen. Wo und wie finde ich denn diese Bäcker?"

Markus Messemer: "Bäcker zu finden, die Ihr komplettes Sortiment nach Tradition backen ist nicht immer ganz leicht. Mit Glück haben Sie einen vollzertifizierten Bäcker des Vereins "Die Bäcker" (www.die-bäcker.org) oder einen Natur-pur-Bäcker (www.natur-pur-baecker.de) in Ihrer Nähe. Auch Bio-Bäckereien backen eigentlich immer mit traditionellen Rohstoffen und Verfahren. Allerdings kann es gut sein, dass Sie auch bei Ihrem örtlichen Bäcker manche Brotsorten bekommen, die traditionell hergestellt sind. Dazu sollten Sie einfach mal dort fragen und sich auch die komplette Zutatenliste des Produkts offenlegen lassen. Leider können das viele Bäcker nicht mehr oder es werden "aus Scham" bestimmte Zutaten verheimlicht.

Anke Kähler: "Zeit und gut ausgebildetes Personal sind die Grundlage für traditionelle Herstellungsprozesse. Auch tragen qualitativ hochwertige Zutaten, wie beispielweise Kuvertüre statt kakaohaltiger Fettglasur oder Getreide aus der Region  wesentlich dazu bei, dass der Kunde ein geschmackvolles und gut verträgliches Gebäck erhält. Deshalb haben gute, hochwertige Backwaren aber auch ihren Preis! Denn „billig“ können gute Handwerksbetriebe nicht produzieren. Wenn es bequemer ist das Brot beim Discounter oder im Supermarkt einzukaufen statt extra zum Bäcker zu gehen, haben die Handwerksbetriebe natürlich keine Chance mehr."

Person knetet Brotteig © picture-alliance/chromorange
Kneten des Brotteiges vor dem Backen.

"Der einzige Ausweg - Brot selbst backen ohne Backmischung. Wir üben fleißig!"

Anke Kähler: "Auch selber Brot, Brötchen, Kuchen oder Kekse zu backen ist ein Weg. Wer selbst ein Sauerteigbrot backen möchte kann bei seinem Bäcker nachfragen, ob er von ihm etwas Sauerteig erhalten kann. Bäcker die mit traditionellen Sauerteigführungen arbeiten füllen Ihnen sicherlich ein eine kleine Menge für den Hausgebrauch ab. Wer selbst backt wird die Arbeit des Bäckers zu schätzen wissen und diese Handwerk auch den Kindern und Enkel näher bringen.

"Ist es möglich, dass auch die im Handel erhältlichen Mehle bereits mit nicht deklarierten Zusatzstoffen (Enzyme etc.) versetzt sind? Anders ist es meines Erachtens nach nicht zu erklären, dass Vollkornbrote bereits nach 20 min. backfertig aufgegangen sind (Volumen verdoppelt)."

Markus Messemer: "Wenn ein Brot binnen 20 Minuten "backfertig" aufgeht, könnte die Hefemenge zu hoch bemessen  oder die Teigtemperatur überschritten worden sein. Das geht also eher in Richtung "Fehler". Enzyme werden, wenn überhaupt, bei Mehlen nur zugegeben, um leichte Schwankungen auszugleichen. Allerdings sollte man Enzyme (solange sie nicht aus gentechnisch veränderten Organismen hergestellt wurden) erst einmal nicht als was "Schlechtes" darstellen, da sie Basis jeglichen Lebens sind."

Anke Kähler: "Bei Fertigverpackungen im Handel muss eine vollständige Zutatenliste auf der Verpackung stehen. Oder sie nutzen Mehle, die zum Beispiel nach den Richtlinien von Bioland produziert werden. Bioland verbietet die Behandlung von Mehlen mit Enzymen oder Ascorbinsäure. Wenn ein Brot schnell aufgeht kann das auch für die gute Qualität des Mehles sprechen, dass es sehr proteinreich ist, schonend und sehr fein vermahlen. Das hat zur Folge, dass die Mehle reichlich und schnell Wasser binden und die Teige gut aufgehen."

"Wo ist der Unterschied zwischen einen von der Industrie (z.B. Böcker) hergestellten Sauerteig und einem selbst hergestellten Sauerteig?"

Anke Kähler: "Bei dem im Film zu sehenden Sauerteig im Block handelt es sich um Sauerteigstarterkulturen. Diese dienen dem Bäcker, wie der Name schon sagt, als Starter für die betriebseigene Sauerteigführung. Um eine gleichmäßige Sauerteigqualität herzustellen ist es sinnvoll einen Starter zu verwenden. Einen Starter könnte der Bäcker auch selber herstellen. Dazu wird Roggenmehl mit Wasser vermengt, dieses Mehl-Wasser-Gemisch wird jeweils nach 12 Stunden erneut verlängert und ruht insgesamt drei Tage bei 30 °C. Wenn alles richtig gemacht wird, erhält man so einen sogenannten Spontansauerteig mit dem sich Brote backen lassen."

"Für mich ist völlig unverständlich, warum der Trend immer mehr in Richtung Profit und Geldverdienen geht. Ich denke, das Bewusstsein wird in den Köpfen immer mehr in Richtung naturbelassene Herstellung gehen, wenn noch mehr darüber berichtet wird, so wie es Panorama mit der Sendung gestern tat."

Markus Messemer: "Ja, leider ist es traurig, dass die Industrie in vielen Lebensbereichen immer mehr Einzug hält. Und da geht es zwangsläufig immer mehr um Profit. Andererseits sind (gerade in Deutschland) viele Verbraucher nicht mehr gewillt für qualitativ hochwertige Lebensmittel einen entsprechenden Betrag zu bezahlen. Allerdings besinnen sich einige Bäcker zurück auf ein traditionelles Arbeiten und somit das, was der Kunde von "seinem Bäcker" erwartet."

Dieses Thema im Programm:

Panorama - die Reporter | 12.03.2012 | 21:00 Uhr