Trotz Wohnungsnot: Bund lässt Häuser leer stehen

Stand: 08.09.2022 06:00 Uhr

Tausende bundeseigene Wohnungen und Häuser stehen leer. Der Grund laut Bundesanstalt für Immobilienaufgaben: ein Sanierungsstau - für den sie womöglich selbst verantwortlich ist.

von Robert Bongen, Jan Körner

Die Botschaft, die Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) zum "Tag der Immobilienwirtschaft" Ende Juni mitgebracht hatte, war eindeutig: "Ich bin fest davon überzeugt, meine Damen und Herren: Das Problem am Wohnungsmarkt ist die Knappheit!", rief er den Branchenvertretern zu. "Wenn große Nachfrage auf ein geringes Angebot trifft, dann steigt der Preis. Und man kann es nur verändern, wenn es mehr Angebot für die Nachfrage gibt." Sein Appell daher: Gut, schnell und günstig bauen. Und klar sei auch: Keine Wohnung dürfe leer stehen.

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Fast 5.000 Wohnungen des Bundes stehen leer

Christian Lindner | Bild: FDP © Christian Lindner
Das Problem am Wohnungsmarkt sei die Knappheit, sagt Christian Lindner.

Ein Appell, der offenbar bei seinen eigenen Beamten noch nicht überall angekommen ist. Die könnten nämlich ganz schnell Wohnraum zur Verfügung stellen. Denn Lindner ist auch zuständig für die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA), die auch die Häuser und Wohnungen des Bundes verwaltet und überwiegend an Beamte vermietet.

Und ausgerechnet hier steigt der Leerstand seit Jahren an. So sind aktuell von rund 38.000 Wohneinheiten des Bundes 4.800 nicht vermietet, also fast 13 Prozent. Überproportional viel. Damit stehen fast doppelt so viele Häuser und Wohnungen des Bundes leer wie noch vor fünf Jahren.

Leerstand in Hamburg - trotz riesiger Nachfrage

Beispiel Hamburg: Allein im Grotefendweg im Westen der Stadt sind derzeit von 22 BImA-Doppelhaushälften sechs unbewohnt. Objekte mit Garten in attraktiver Lage, perfekt etwa für junge Familien. Die Nachfrage ist riesig, berichten Nachbarn, doch seit langem passiere nichts. Teilweise stehen die Häuser schon mehr als zwei Jahre leer, eines sogar schon seit über vier Jahren. Die BImA geht davon aus, dass sie im Frühjahr des kommenden Jahres wieder bezogen werden können, teilt die Behörde auf Nachfrage mit. Bei allen Häusern müssten umfangreiche Baumaßnahmen durchgeführt und auch Schadstoffe beseitigt werden.

In Hamburg stehen also viele Wohneinheiten der BImA leer. Über 20 Prozent der 270 Häuser und Wohnungen. Aber auch in anderen Bundesländern sieht es nicht viel besser aus:

BImA-Leerstand (jew. gerundet)
BundeslandBestandLeer stehendQuote
Baden-Württemberg4.50059013,1%
Bayern5.4004308,0%
Berlin4.8902304,7%
Brandenburg1.5001308,7%
Bremen903033,3%
Hamburg2706022,2%
Hessen2.28036015,8%
Mecklenburg-Vorpommern2.69032011,9%
Niedersachsen2.60054020,8%
Nordrhein-Westfalen6.70095014,2%
Rheinland-Pfalz2.97060020,2%
Saarland60011018,3%
Sachsen1.80024013,3%
Sachsen-Anhalt185105,4%
Schleswig-Holstein58015025,9%
Thüringen1.175605,1%

Stand: 31.7.2022. Quelle: BImA

Die BImA erklärt die hohen Leerstände mit einer neuen Strategie: Habe der Bund früher viele seiner Wohnungen verkauft und nur noch wenig investiert, versucht er seit 2018, im Zuge der sogenannten Wohnraumoffensive, seine Wohnungen im Bestand zu halten und zu "ertüchtigen". Deshalb gebe es einen Sanierungsstau, nicht zuletzt aufgrund der angespannten Lage in der Baubranche.

Oldenburg: 17 Reihenhäuser unbewohnt

Leer stehende Häuser in Oldenburg. © Screenshot
Reihenhäuser in Oldenburg: Saniert, aber trotzdem unbewohnt.

"Erst sanieren, dann vermieten" - klingt sinnvoll, aber erklärt nicht alle Probleme. Denn ein besonders eklatantes Beispiel ist die sogenannte "Englische Siedlung" in Oldenburg, Stadtteil Alexandersfeld. Von den 97 Reihenhäusern hier stehen 17 leer, neun davon sind sogar bereits saniert, zum Teil seit fast zwei Jahren - und trotzdem noch nicht vermietet. Warum selbst die sanierten Wohnungen nicht umgehend wieder vermietet worden sind, dazu gab es auf Nachfrage keine Auskunft von der BImA. Immerhin sollen nun vier davon zum 1. Oktober bzw. zum 1. November bezogen werden. Drei weitere werden von der BImA nun zur Vermietung angeboten. Für die restlichen Häuser hoffe man, dass man im Dezember mit der Sanierung beginnen könne.

Lindner verweist an Bundesanstalt

Dass die BImA sich trotz großer Wohnungsnot offensichtlich nur im Schneckentempo um den großen Leerstand ihrer Wohnungen und Häuser kümmert, scheint für den zuständigen Bundesfinanzminister kein Anlass zu sein, es zur Chefsache zu machen. Von einem Panorama-Reporter darauf angesprochen, verweist er zurück an die BImA: Die BImA sei ein Unternehmen mit eigenen Gestaltungsmöglichkeiten, das in größerem Umfang Sanierungsarbeiten zu leisten habe und Wohnungen attraktiver machen müsse.

"Das größte Problem am Wohnungsmarkt ist die Knappheit" - das waren die Worte von Lindner beim Branchentreff der Immobilienunternehmen. Ob der Bund auf diese Weise mit Volldampf dazu beiträgt, dieses Problem zu lösen - fraglich.

Entwicklung BImA-Leerstand bundesweit
StandWohnungs-Bestand (teils gerundet)LeerstandQuote
31.12.201240.8843.3558,2%
31.12.201338.9842.7347%
31.12.201438.2402.6156,8%
31.12.201537.5322.7217,3%
31.12.201637.0332.4666,7%
31.12.201736.5812.3516,4%
30.11.201836.2002.4956,9%
05.12.201936.0002.8007,8%
31.10.202035.7933.2609,1%
31.03.202238.0004.97713,1%
31.07.202238.0004.80012,6%

 

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Der Panorama-Beitrag vom 8. September 2022 als PDF-Dokument zum Download. Download (64 KB)

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 08.09.2022 | 21:45 Uhr

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