Stand: 10.07.2019 19:00 Uhr

Kartell: Wie sich Ablesedienste an Mietern bereichern

von Stefan Buchen

Der Kampf gegen steigende Wohnkosten wird mit vielen Mitteln geführt. Der Bund hat eine Mietpreisbremse erlassen, der Berliner Senat sogar die erste Obergrenze für Mieten in der deutschen Geschichte. Bürgerinitiativen wollen gewerbliche Immobilienvermieter wie die Deutsche Wohnen enteignen. Doch außer den Mieten gibt es noch einen Posten, der Wohnen teurer macht. Zugleich sichert er einigen Unternehmen seit Jahrzehnten riesige Profite: die Abrechnung der Nebenkosten.

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Seit 1981 muss jeder Mieter das bezahlen, was er individuell an Wärme und Wasser verbraucht. Um den geschuldeten Betrag ermitteln zu können, wurden damals in jeder Wohnung Messgeräte installiert. Spezialisierte Unternehmen lesen seither die Daten ab und übernehmen für die Vermieter die Abrechnung. Im Laufe der Jahre ist daraus ein kleiner Zirkel von Firmen entstanden, die einem Bericht des Bundeskartellamts zufolge in "stillschweigender Verhaltenskoordinierung" agieren und "jährliche Preiserhöhungen" vornehmen - zulasten der Mieter.

Wenige Firmen haben den Markt unter sich aufgeteilt

Im Mai 2017 hatten die Wettbewerbshüter den Markt der Messdienstleistungen für Wärme und Wasser analysiert. Ergebnis: er funktioniert nicht. Wenige Firmen hätten den Markt, in dem jährlich etwa 1,5 Milliarden Euro umgesetzt werden, unter sich aufgeteilt, heißt es in dem Bericht. Allein die beiden größten, Techem und Ista, hätten mehr als 50 Prozent der Messdienstleistungen in Deutschland in ihrer Hand. Zusammen mit den drei nächstgroßen, Brunata, Minol und Kalorimeta, seien fast 80 Prozent abgedeckt. Techem und Ista, die beiden Marktführer, hätten ein "wettbewerbsloses Duopol" gebildet, schreibt das Kartellamt. Bei den fünf größten Dienstleistern müsse man von einem "Oligopol" sprechen, also der Marktbeherrschung durch wenige.

Die hohen Profite der Unternehmen stützen den Verdacht mangelnden Wettbewerbs. Der Kartellamtsbericht gibt für 2014 einen durchschnittlichen Gewinn der Messdienstleister vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (EBITDA) von 26 Prozent an. Bei Ista liegt dieser Wert im Geschäftsjahr 2017 bei 43 Prozent, Techem weist aktuell sogar 47 Prozent aus. "Erhebliche Margen" nennen die Wettbewerbshüter solche Zahlen, die auf "hohen" Preisen basierten. Im Schnitt machten die Ablesefirmen etwa 80 Euro Umsatz in jeder der gut 20 Millionen Wohnungen, in denen sie tätig sind. Mieter könnten das Zustandekommen dieser Beträge kaum nachvollziehen, weil viele Nebenkostenabrechnungen intransparent seien.

Den Eindruck hoher Preise unterstützt nun auch eine aktuelle Studie von "Marktwächter Energie", einer Expertengruppe im Bundesverband der Verbraucherzentralen, die Panorama und DIE ZEIT vorab einsehen konnten. Demnach machen Zahlungen an die Ablesedienste für die Hälfte der Mieter mehr als zehn Prozent ihrer Nebenkostenabrechnung aus. Rund ein Viertel der Mieter zahlt sogar mehr als 15 Prozent für die "Verwaltung" ihrer Nebenkosten an die Messdienstleister.

"Dreiecksverhältnis" zwischen Messdienstleistern, Immobilienbesitzern und Mietern

Aber warum funktioniert das Geschäft der Ableser so gut - und der Wettbewerb so schlecht? Möglicherweise wegen einer zu großen Nähe der Unternehmen zu gewerblichen Großvermietern, argwöhnt das Kartellamt. Die Chefs der beiden Marktführer Techem und Ista säßen als "außerordentliche Mitglieder" im Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW). Umgekehrt amtiere der GdW-Chef - der ehemalige Hamburger Wirtschaftssenator Axel Gedaschko (CDU) - im Beirat von Techem und im Kundenbeirat von Ista. "Diese Verflechtungen könnten eine stillschweigende Koordinierung der Marktführer begünstigen", schreibt das Kartellamt. Kern des Problems sei allerdings das "Dreiecksverhältnis" zwischen Messdienstleistern, Immobilienbesitzern und Mietern: Die Vermieter sind die eigentlichen Vertragspartner der Ablesefirmen und reichen die gestellten Rechnungen einfach an die Mieter weiter. 

Axel Gedaschko,  ehemaliger Hamburger Wirtschaftssenator (CDU), Chef des Verbands der Wohnungswirtschaft GdW,  im Beirat von Techem und im Kundenbeirat von Ista © NDR Foto: Screenshot
Die Kritik an Techem und Ista sei "berechtigt", sagt Axel Gedaschko, ehemaliger Hamburger Wirtschaftssenator (CDU), Chef des Verbands der Wohnungswirtschaft GdW, Mitglied im Beirat von Techem und im Kundenbeirat von Ista.

Auf den Vorwurf, ein Oligopol gebildet zu haben und in stillschweigender Verhaltenskoordinierung überhöhte Preise zu verlangen, reagieren die Messdienstleister eigenartig. Ista schreibt auf Nachfrage, das Kartellamt habe "weder Marktmissbrauch noch Fehlverhalten der Anbieter" festgestellt. Auch Techem teilt mit, es gebe dem Kartellamt zufolge "keinen Grund für das Eingreifen der Wettbewerbsbehörden". Die beiden Großen berufen sich darauf, dass bisher kein offizielles Missbrauchsverfahren gegen sie eingeleitet worden ist. Den Vorwurf der Intransparenz der Nebenkostenabrechnungen weisen beide Firmen zurück. Techem schreibt, seine Rechnungen genügten "den rechtlichen Anforderungen". Ista bekräftigt, "die rechtlichen Anforderungen exakt" umzusetzen.

Die übrigen drei Mitglieder des Oligopols, die Firmen Brunata, Minol und Kalorimeta, betonen auf Anfrage, dass sie sich rechtstreu verhalten und bekennen sich zu den Prinzipien des Wettbewerbs.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 11.07.2019 | 21:45 Uhr

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