Stand: 22.08.2013 16:12 Uhr

"Ein großer Teil ist Erziehungsarbeit"

Kay Stöck, Schulleiter der Stadtteilschule Hamburg-Wilhelmsdorf, im Gespräch mit Reporterin Anja Reschke. Im Frühjahr hatte er gemeinsam mit anderen Direktoren einen Brief an den Hamburger Schulsenator geschrieben. Der Tenor: So gehe es nicht weiter. Viele Schüler würden bis zu zwei Jahre im Unterrichtsstoff zurückhängen. Und dann gebe es ja auch noch die gestiegenen Anforderungen der Inklusion.

Schule als Wissensvermittler?

Anja Reschke: Wenn ich an meine Schulzeit denke, dann  ging es eigentlich ausschließlich um Wissensvermittlung. Ist Schule heute noch so?

Kay Stöck, Schulleiter © NDR
"Neben der Tatsache, dass wir Wissen vermitteln und Lernprozesse initiieren, haben wir heute die große Aufgabe, Kinder auch zu erziehen", so Schulleiter Stöck.

Kay Stöck: Nein, das ist Schule heute nicht mehr. Ein großer Teil ist Erziehungsarbeit. Neben der Tatsache, dass wir Wissen vermitteln und Lernprozesse initiieren, haben wir heute die große Aufgabe, Kinder auch zu erziehen, indem wir das machen, was zu Teilen zuhause nicht passiert. 

Reschke: Während unserer Dreharbeiten an Ihrer Schule haben wir beobachtet, dass die Schüler wahnsinnig viel von einem wollen: Sie wollen Zuwendung, sie wollen beachtet werden, sie wollen gelobt werden, aber sie wollen auch diszipliniert werden. Ist diese Aufmerksamkeit das, was heute Schule leisten muss?

Stöck: Diese alte Rolle des distanzierten Lehrers - den Sie noch kennen - den gibt es hier nicht mehr und der würde hier auch keine Chance haben. Die Kollegen müssen in der Lage sein, Distanzen auch mal aufzulösen, nachzuvollziehen, zu verstehen, was ist z.B. am Wochenende passiert. Unsere Kinder leben ihre Probleme, die sie mit Freunden, mit Eltern haben, in der Schule aus. Also müssen wir einen Rahmen anbieten, in dem das stattfinden kann.

Reschke: Ich habe fast das Gefühl, dass das Menschliche oder Pädagogische viel wichtiger ist als das Fachliche.

Anja Reschke, Kay Stöck, Schulleiter © NDR
Anja Reschke im Gespräch mit Schulleiter Kay Stöck.

Stöck: Nein, es sind drei Säulen. Fachliche Kompetenz, didaktisch methodisches Handwerk muss top sein. Dann die Pädagogik, dazu gehört professionelle Distanz genauso wie das Verständnis für  Kinder. Und als Drittes muss man in der Lage sein, mit anderen Kollegen zusammenzuarbeiten. Die drei Säulen müssen stimmen. Und nur wenn die stimmen, funktioniert es.

Reschke: Und ist es denn schwer, solche Lehrer zu finden?

Stöck: Ja, weil sich natürlich nicht alle hier bewerben. Also die Besten der Besten kommen nicht unbedingt zu uns. Letztlich müssten sich die Examensbesten auch erst in der Praxis bei uns beweisen. Deswegen nehmen wir uns für die Auswahl auch viel Zeit.

Reschke: Wo gehen denn die Besten der Besten hin?

Stöck: Keine Ahnung. Wir können ja keinem sagen, wenn Du hier das Referendariat machst und fünf Jahre bei uns arbeitest, dann bekommst Du einen Bonus.

Reschke: Sie haben im Prinzip nichts in der Hand, um gute Bewerber zu locken?

Stöck: Wir haben uns, unser hilfsbereites und engagiertes Kollegium. Und das müssen wir den Bewerbern in Gesprächen vermitteln. Ja, das hier ist ein herausfordernder Arbeitsplatz, aber hier sind Kollegen und eine Schulleitung, die hinter einem stehen und einen voll unterstützen.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 22.08.2013 | 21:45 Uhr

Über Panorama

Kalender © Fotolia.com Foto: Barmaliejus

Panorama-Geschichte

Als erstes politisches Fernsehmagazin ging Panorama am 4. Juni 1961 auf Sendung. Die Geschichte von Panorama ist auch eine Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. mehr

Anja Reschke © Thomas & Thomas Foto: Thomas Lueders

60 Jahre Panorama

60 Jahre investigativ - unbequem - unabhängig: Panorama ist das älteste Politik-Magazin im deutschen Fernsehen. mehr

Panorama 60 Jahre: Ein Mann steht hinter einer Kamera, dazu der Schriftzug "Panorama" © NDR/ARD Foto: Screenshot

Panorama History Channel

Beiträge nach Themen sortiert und von der Redaktion kuratiert: Der direkte Einstieg in 60 Jahre politische Geschichte. mehr