Stand: 05.07.2012 11:22 Uhr

Asse-Atommüll: Rückholung nahezu unmöglich?

von Jochen Becker und Brid Roesner

700 Meter unter der Erdoberfläche liegt die größte Atommüllkippe Europas: Rund 126.000 Fässer mit strahlenden Abfällen wurden in den 60er-und-70er-Jahren in den Kammern des ehemaligen Salzbergwerks Asse II bei Wolfenbüttel abgekippt und gammeln vor sich hin. Menschen und Umwelt könnten für immer verseucht werden. Der Müll muss raus, da sind sich Politiker aller Parteien ausnahmsweise mal einig - inklusive des neuen Umweltministers Peter Altmaier (CDU). So einig, dass sich keiner traut zu sagen, wie es wirklich um den Müll in der Asse steht.

VIDEO: Asse-Atommüll: Rückholung nahezu unmöglich? (6 Min)

Politiker scheuen die Wahrheit

Ein Beamter, der bis vor wenigen Wochen das Projekt Rückholung im Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) geleitet hat, erhebt schwere Vorwürfe gegen Behörde und Politik. Der ehemalige Fachbereichsleiter für die "Sicherheit nuklearer Entsorgung aus dem Bundesamt für Strahlenschutz", Michael Siemann, hält es im Interview mit Panorama für nahezu unmöglich, den Atommüll aus dem Salzbergwerk Asse II zu bergen: "Ich bin fassungslos, dass in der Politik davon nichts angekommen ist", so Siemann gegenüber Panorama.

Siemann war bis vor wenigen Wochen selbst zuständig für das Projekt Rückholung und hat das BfS inzwischen verlassen. In Panorama sagt er, eine Rückholung des Mülls sei aus technischen Gründen unrealistisch: "Das ist so, als wenn jemand von mir verlangen würde, die 100 Meter unter 10 Sekunden zu laufen. Das kriege ich auch nicht hin!"

Politiker spielen "Asse-Mikado"

Eine Austrittsstelle von Salzlauge im Atommüllendlager Asse Schacht 2. © dpa-Bildportal Foto: Jens Schlueter
Radioaktive Brühe tropft von der Decke: Eine Austrittsstelle von Salzlauge im Atommülllager Asse.

Die Politiker seien darüber informiert, dass eine Rückholung unrealistisch sei. Doch "aus Angst vor der Reaktion der Bevölkerung" würden sie diese Warnung verdrängen. Im BfS habe man die Schockstarre der Politiker "Asse Mikado" genannt: "Wer sich zuerst bewegt, kriegt die schlechteste Presse". Offiziell hält das BfS weiter an der Rückholung fest. "Die Rückholung ist nach heutigem Stand die einzige Möglichkeit die Asse sicher still zu legen. Das Bergwerk ist noch auf Jahrzehnte befahrbar, wenn die Asse nicht vorher absäuft. Wir versuchen die Rückholung hinzubekommen, wenn es unmöglich ist, werden wir es nicht machen können, aber wir wollen es wenigstens versuchen", sagt ein Sprecher gegenüber Panorama. Auch Bundesumweltminister Altmaier hält gegenüber Panorama weiter an dem Plan fest, die Fässer mit dem Atommüll zurückzuholen.

Weitere Informationen
Atommüll-Behälter stehen im Zwischenlager Gorleben © dpa Foto: Kay Nietfeld

Atomenergie: die Lüge vom sicheren Endlager

Noch immer ist nicht entschieden, wo der radioaktive Müll am Ende gelagert wird. Frühere "Endlager" haben sich schon heute als ungeeignet erwiesen (Panorama-Sendung vom 27.08.2009). mehr

Gelbe Fässer mit aufgedrucktem Atom-Warnzeichen © dpa Foto: Tobias Hase

Desaster Atommüll

Wohin mit dem Atommüll? Die Zeitungen sind voller Schlagzeilen über den Endlager-Streit. NDR-Chefreporter Christoph Lütgert geht auf Spurensuche. Dramatisch seine Eindrücke in der Asse. Auch die Zweifel am geplanten Atom-Endlager Gorleben werden deshalb immer lauter. mehr

.

Atomlager Asse – der große Forschungsschwindel

Der Atomabfall in der Asse - ein ökologisches und ökonomisches Desaster. Politiker und Atombosse haben Informationen zurückgehalten und die genaue Herkunft des Atommülls verschleiert. mehr

Asse-Atommüll: Rückholung nahezu unmöglich?

Der Panorama-Beitrag vom 5. Juli 2012 als PDF-Dokument zum Download. Download (194 KB)

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 05.07.2012 | 21:45 Uhr

Über Panorama

Kalender © Fotolia.com Foto: Barmaliejus

Panorama-Geschichte

Als erstes politisches Fernsehmagazin ging Panorama am 4. Juni 1961 auf Sendung. Die Geschichte von Panorama ist auch eine Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. mehr

Anja Reschke © Thomas & Thomas Foto: Thomas Lueders

60 Jahre Panorama

60 Jahre investigativ - unbequem - unabhängig: Panorama ist das älteste Politik-Magazin im deutschen Fernsehen. mehr

Panorama 60 Jahre: Ein Mann steht hinter einer Kamera, dazu der Schriftzug "Panorama" © NDR/ARD Foto: Screenshot

Panorama History Channel

Beiträge nach Themen sortiert und von der Redaktion kuratiert: Der direkte Einstieg in 60 Jahre politische Geschichte. mehr