Sendedatum: 14.09.2000 21:00 Uhr

Verlogen - Höheres Kilometergeld für Abgeordnete

von Bericht: Volker Steinhoff

Anmoderation

PATRICIA SCHLESINGER:

In den kommenden Wochen und Monaten wird es keine Entwarnung geben. Der Ölpreis wird voraussichtlich nicht fallen, der Wert des Euro nicht zügig steigen. Und wenn jetzt im Herbst noch die Heizöltanks gefüllt werden müssen, wird der Unmut in der Bevölkerung noch wachsen - und damit der Druck auf die Regierung. Es gibt nur eine Bevölkerungsgruppe, die wenig, wahrscheinlich sogar gar kein Problem mit steigenden Benzinpreisen hat: Politiker, z.B. in Baden-Württemberg. Mit Weitsicht - so würden sie es wohl sehen - aber eigentlich mit großer Unverschämtheit haben sie sich gegen steigende Benzinpreise gewappnet. Übrigens mit dem Einverständnis der roten und der grünen Abgeordneten im Landtag. Volker Steinhoff über Politiker, die der Bevölkerung gern etwas mehr als sich selbst zumuten.

VIDEO: Höheres Kilometergeld für Abgeordnete - und für den Rest? (3 Min)

KOMMENTAR:

Die Wut über hohe Benzinpreise - auch in Baden-Württemberg:

O-Töne

"Absolut übel, ist zu teuer!"

"Wirklich, echt eine Sauerei!"

"Zu hoch natürlich. Es geht für mich darum, daß die Leute, gewisse Berufsgruppen zumindest steuerlich entlastet werden müssen."

KOMMENTAR:

Eine Berufsgruppe wird schon entlastet, und zwar durch eigenen Beschluß: die Landtagsabgeordneten von Baden-Württemberg. Seit sechs Wochen lassen sie sich jeden Monat 30 - 70 Mark mehr Reisekosten auszahlen, wegen der Benzinpreiserhöhungen, wie es in der Gesetzesbegründung heißt. So gut wie alle Parteien haben dafür gestimmt, auch die oppositionelle SPD. Ihr Sprecher findet den Zuschlag fast noch zu bescheiden.

O-Ton

FRIEDER BIRZELE:

(SPD-Abgeordneter, Baden-Württemberg)

"Es geht um die Kosten der Kfz-Anschaffung und -Unterhaltung. Davon sind die Benzinkosten ein Teil. Die jetzigen enormen Preiserhöhungen im Benzinbereich sind damit überhaupt noch nicht erfasst.

O-Ton

INTERVIEWER:

"Bundesweit fordern zur Zeit Auto- und LKW-Fahrer Erleichterung beim Benzinpreis. Haben sie das dann nicht auch verdient, genauso wie die Landtagsabgeordneten?

O-Ton

FRIEDER BIRZELE:

(SPD-Abgeordneter, Baden-Württemberg)

"Das ist ein prinzipieller Unterschied. Hier handelt es sich um die Erstattung von Aufwendungen. Soweit Abgeordnete privat fahren, sind sie von genau der gleichen Kostenentwicklung betroffen wie jeder andere Bürger auch."

KOMMENTAR:

Außer, dass andere Bürger die Fahrt zur Arbeit nicht pauschal bezahlt bekommen. Und noch ein kleiner Unterschied: die Abgeordneten bekommen auch noch kostenlose Bus- und Bahnkarten, zusätzlich zu den Reisekosten. Und so war die SPD nicht die einzige Oppositionspartei in Stuttgart, die der Reisekostenerhöhung begeistert zustimmte:

Auch die GRÜNEN waren dabei, derzeit eher durch die Ökosteuer bekannt. Aber eigentlich sei auch die höhere Reisekostenpauschale ökologisch, denn sie sei ja nicht ganz so hoch wie die Benzinpreiserhöhung.

O-Ton

WINFRIED KRETSCHMANN

(Grünen-Abgeordneter, Baden-Württemberg)

"Wir sind ja auch drunter geblieben und haben die volle Erhöhung nicht berücksichtigt; aus Gründen um klar zu machen: anders fahren, andere Autos kaufen, dann braucht man auch weniger Sprit."

O-Ton

INTERVIEWER:

"Nun fordern bundesweit Auto- und LKW-Fahrer Erleichterung beim Benzinpreis. Hätten die dann nicht auch das gleiche verdient wie Sie?"

O-Ton

WINFRIED KRETSCHMANN

Grünen-Abgeordneter, Baden-Württemberg)

"Überhaupt nicht. Bei den LKW-Fahrern ist das so, wenn der Sprit teurer ist, können sie das weiter geben bei den Preisen, an den Verbrauchern. Das tun sie nur aus Wettbewerbsgründen nicht."

O-Ton

INTERVIEWER:

"Aber der private Verbraucher kann den Preis ja nicht weitergeben."

O-Ton

WINFRIED KRETSCHMANN

(Grünen-Abgeordneter, Baden-Württemberg)

"Selbstverständlich nicht. Aber der kann nur bei der nächsten Gehaltserhöhung sagen, ich brauche mehr Geld, die Kosten sind teurer geworden. Das ist ja auch der Fall."

KOMMENTAR:

Sicher, eine Gehaltserhöhung hätte jeder gern. Dumm nur, dass der Normalbürger sich dies nicht selbst genehmigen kann.

O-Töne

"Ich muß jeden Tag ins Geschäft fahren. Ich brauch` das Auto jeden Tag und ich kriege gar nichts."

"Bei Diäten sind die sich immer einig. Aber bei uns wird nichts erhöht."

"Ich denk wenn wir alle irgendwo den Gürtel enger schnallen müssen, dann sollen die mit gutem Beispiel vorangehen."

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 14.09.2000 | 21:00 Uhr

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