Sendedatum: 20.01.2000 21:00 Uhr

CDU in Ludwigshafen

von Bericht: Thomas Berbner

Anmoderation

PATRICIA SCHLESINGER:

Nicht nur der Partei, auch dem Staat, dem sie so zu dienen meinten, haben die Kohls, Kanthers und Schäubles massiven Schaden zugefügt. Helmut Kohl galt immer als redlicher Mann - jetzt steht er abseits auf einem bröckelnden Podest und verschanzt sich feige hinter seinem Ehrenwort, das schon lange nichts mehr wert ist. Nochmal: Wie konnte es dazu kommen? Für eine bürgerliche Partei, die Recht und Ordnung verkörpert, gelogen und betrogen zu habe - also im Dienst der guten Sache und im Kampf gegen Sozialismus und das rot-grüne Chaos - das neutralisiert offensichtlich anhaltend das Unrechtsbewusstsein. Dazu kommt der Machthunger Helmut Kohls. Persönlich bereichert hat er sich wohl nicht, aber bei der Verteilung der schwarzen Gelder hat er sehr wohl auch an sich gedacht.

VIDEO: Rühes Kampf im Norden: CDU-Wahlkampf in Schleswig-Holstein (8 Min)

KOMMENTAR:

Bilder aus glücklichen Tagen: Die Friedrich-Ebert-Halle in Ludwigshafen. Der Kanzler aller Oggersheimer hält Hof in seinem Heimatwahlkreis. Bundestagswahlkampf 1987. Die Begleitmusik hätte nicht besser gewählt werden können. "Ein Freund, ein guter Freund, das ist das Schönste, was es gibt auf der Welt." Und sind Freunde mit viel Bimbes nicht die besten?

0-Ton

INTERVIEWER:

"Was halten Sie denn von Helmut Kohl?"

ANHÄNGER:

"Also, nur etwas Positives."

"Sehr, sehr viel. Persönlicher Freund von ihm, wir kennen uns schon 30 Jahre, wir haben gleich angefangen - er ist groß geworden, ich bin klein geblieben."

"Sehr gut, der beste Mann von der ganzen Welt."

0-Ton

HELMUT KOHL:

"Ich war immer in meinen Ansprüchen bescheiden, ich bin dankbar für jede Stimme, die ich bekommen kann."

KOMMENTAR:

Elf Jahre später. Des Kanzlers Mann für spezielle Fälle, Hans Terlinden, auf dem Weg in die CDU-Kreisgeschäftsstelle Ludwigshafen. Im Koffer: 100.000 Mark Schwarzgeld als persönliche Unterstützung des Bundeskanzlers für seinen eigenen Wahlkampf 1998.

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HEINRICH JÖCKEL:

(CDU-Vorstand Ludwigshafen)

"Die Übergabe erfolgte von Herrn Terlinden an den Geschäftsführer des Kreisverbandes hier in Ludwigshafen. Der Geschäftsführer des Kreisverbandes sah sich nach der Übergabe des Geldes in absoluter Loyalität der Bundespartei gegenüber verpflichtet, entsprechend den Weisungen von dort zu verfahren. Das heißt im Klartext: Ihm wurde geboten, Stillschweigen über die Angelegenheit gegenüber jedermann zu wahren. Und dies hat er getan."

KOMMENTAR:

Auf seinen Mann in Ludwigshafen konnte sich der Bundeskanzler verlassen. Kreisgeschäftsführer Hubert Benning und sein großes Vorbild. Versteckte Benning die 100.000 Mark im Keller der Jungen Union oder in einer Schreibtischschublade in seinem Büro? Der Kreisgeschäftsführer will an das Koffergeld lieber nicht mehr erinnert werden.

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HUBERT BENNING:

(Kreisgeschäftsführer CDU Ludwigshafen)

"Also wir haben sehr viel, die Sache ist für uns abgeschlossen, wir geben keine Interviews mehr."

INTERVIEWER:

"Wir haben telefoniert ...."

HUBERT BENNING:

"Wir geben keine Interviews mehr, dieses Thema ist erledigt, danke schön."

0-Ton

HEINRICH JÖCKEL:

(CDU-Vorstand Ludwigshafen)

"Das Geld war sicher verwahrt. Keinesfalls war es die ganze Zeit, wie gemutmaßt wird, irgendwo in einem Schuhkarton auf der Geschäftsstelle zwischengelagert."

INTERVIEWER:

"Aber genau wissen Sie es auch nicht?"

HEINRICH JÖCKEL:

"Genau weiß ich es nicht."

KOMMENTAR:

Erst jetzt, nach Bekanntwerden der Spendenaffäre, wurde der Bimbes-Koffer entdeckt. Hubert Benning hatte offenbar vergessen, das Geld, wie befohlen, für den Bundestagswahlkampf auszugeben. Die CDU Ludwigshafen unternimmt einen verzweifelten Versuch, die heiße Ware loszuwerden.

Kurz nach Neujahr fährt ein Geldbote mit dem Koffer nach Bonn. Doch das Adenauerhaus verweigert die Annahme und verweist auf den Bankweg. So ändern sich die Zeiten.

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HEINRICH JÖCKEL:

"Es wurde dann ganz regulär auf ein Konto eingezahlt und von Konto zu Konto bargeldlos zurücküberwiesen."

INTERVIEWER:

"Haben Sie denn von der Bundespartei eine Reaktion auch bekommen auf den Vorgang?"

HEINRICH JÖCKEL:

"Bislang ist mir keine unmittelbare Reaktion bekannt."

KOMMENTAR:

In der CDU-Geschäftsstelle hält man noch zum Freund aus alten Tagen. Nur die Ludwigshafener haben von Bimbes-Helmut nach der Kofferaffäre erst einmal genug.

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BÜRGER:

"Ich sag‘ mal, jeder, der als Privatmann sowas macht, der kommt ins Gefängnis, und der Kohl ... - ja, die Politiker haben jede Freiheit."

"Also, dass das der Helmut Kohl macht, das hätte ich nie gedacht. Also der ist für mich also dermaßen frustrierend, dass ich so was höre. Das ist also unglaublich."

"Wenn’s öffentlich wäre, wenn’s öffentlich wäre, wenn es gehießen hätte, wir haben von denen 100.000 Mark gekriegt, in Ordnung. Aber so hintenrum, das ist das Dreckige, das ist das Dreckige, ach Gott."

Abmoderation

PATRICIA SCHLESINGER:

Ja, mit dem Dreck werden wir wohl noch eine Weile leben müssen.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 20.01.2000 | 21:00 Uhr

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