Sendedatum: 05.02.1998 21:00 Uhr

Interview mit Jobst Plog zum großen Lauschangriff

PATRICIA SCHLESINGER:

Im Studio begrüße ich Jobst Plog, Intendant des Norddeutschen Rundfunks, Vertreter der ARD. Wir haben es gerade gesehen: In den Verlagshäusern, bei den Printmedien ist die Aufregung ja richtig groß, ist das übertrieben, wie sieht das die ARD?

VIDEO: Pressefreiheit: Großer Lauschangriff gefährdet Grundrecht (7 Min)

JOBST PLOG:

Nein, wir sehen das ganz genauso. ARD und ZDF haben sich geäußert, ich habe mich zusammen mit den Kollegen von den Printmedien geäußert. Nein, die Aufregung ist ganz allgemein.

PATRICIA SCHLESINGER:

Um den Lauschangriff hat es ja nun jahrelang politisches Hin und Her, Gezänk gegeben. Die ARD-Häuser sind ja auch recht unterschiedlich ausgerichtet, von Schleswig-Holstein bis Bayern, ist man sich da einig?

JOBST PLOG:

Ja, ich glaube schon, man darf das nicht unterschätzen. In allen Grundsatz- und Existenzfragen haben die Intendanten der öffentlich-rechtlichen Anstalten, die Leitungen, sehr einheitlich agiert und reagiert. Hier mag es Nuancen geben, aber in der Zielrichtung ist es ganz klar: Wir wenden uns gegen den Lauschangriff, gegen die Regelung, insbesondere für Journalisten.

Weitere Informationen
Heimliches Abhören von Gesprächen © dpa

Wanzen gegen Pressefreiheit - Großer Lauschangriff gefährdet Grundrecht

Ausnahmsweise beginnen wir die Sendung einmal in eigener Sache. In Zukunft werden wir Journalisten wohl weniger in unseren Büros arbeiten, vielleicht dafür mehr im Wald, in Kneipenhinterzimmern oder auf Bahnhofstoiletten. Der große Lauschangriff, der auch unsere Berufsgruppe nicht ausläßt und über den morgen noch einmal verhandelt wird, wird wohl kaum noch einen Informanten dazu bringen, uns in unseren Redaktionen etwas zu erzählen. Und auch wir werden in unseren Zimmern nicht mehr offen über Themen debattieren können. Denn kommt die Gesetzesänderung so durch, kann die Staatsanwaltschaft bei uns mithören. mehr

PATRICIA SCHLESINGER:

Und falls das morgen so also unverändert beschlossen wird, was dann? Die Zeit der Massendemonstrationen ist vorbei, bleibt es dann bei verbalen Protestnoten? Was machen wir dann?

JOBST PLOG:

Nein, ich glaube, wir müssen dann mit den Kollegen von den Printmedien zusammen prüfen, ob wir vereint gegen diese Regelung vorgehen, da heißt: prüfen, ob Rechtsmittel Aussicht auf Erfolg haben, und dann gemeinsam auch diese Rechtsmittel einsetzen, um notfalls in Karlsruhe beim Bundesverfassungsgericht zu erreichen, daß diese Regelungen fallen.

PATRICIA SCHLESINGER:

Die Diskussion ist ja schon alt, ermüdende sieben Jahre - der Aufschrei kommt jetzt, haben wir da was verschlafen, wir, die ARD, wir Journalisten?

JOBST PLOG:

Ja, allesamt ein wenig. Es waren immer nur wenige, die es durchgehalten haben, über einen so langen Zeitraum zu diskutieren. Spätestens beim Rücktritt der Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger hätte eigentlich der Protest anfangen müssen. Wir haben alle etwas spät angefangen. Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG, Herr Prantl, war vorweg, und dann sind wir hinterhergekommen. Aber es ist noch nicht zu spät. Wir haben uns jetzt sehr deutlich artikuliert, allesamt, und das war notwendig.

PATRICIA SCHLESINGER:

Wie sehen Sie dem morgigen Tag entgegen?

JOBST PLOG:

Nicht sehr optimistisch, aber ich hoffe immer noch, daß der gröbste Unfug vermieden wird und insbesondere die Berufsgruppen wie Anwälte, Ärzte und Journalisten dort noch rausgenommen werden, nicht weil sie Privilegien haben wollen, sondern weil sie im Interesse der Bürger handeln, das, war wir wahrnehmen, sind Bürgerinteressen.

PATRICIA SCHLESINGER:

Vielen Dank, daß Sie bei uns im Studio waren.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 05.02.1998 | 21:00 Uhr

Über Panorama

Kalender © Fotolia.com Foto: Barmaliejus

Panorama-Geschichte

Als erstes politisches Fernsehmagazin ging Panorama am 4. Juni 1961 auf Sendung. Die Geschichte von Panorama ist auch eine Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. mehr

Anja Reschke © Thomas & Thomas Foto: Thomas Lueders

60 Jahre Panorama

60 Jahre investigativ - unbequem - unabhängig: Panorama ist das älteste Politik-Magazin im deutschen Fernsehen. mehr

Panorama 60 Jahre: Ein Mann steht hinter einer Kamera, dazu der Schriftzug "Panorama" © NDR/ARD Foto: Screenshot

Panorama History Channel

Beiträge nach Themen sortiert und von der Redaktion kuratiert: Der direkte Einstieg in 60 Jahre politische Geschichte. mehr