Stand: 14.01.2015 13:00 Uhr

Schöne, neue Arbeitswelt: So werden wir leben!

von Andrej Reisin

Kennen Sie einen zufriedenen Taxifahrer? Nein? Ich auch nicht. Ganz im Gegenteil: Jeder, aber auch wirklich jeder hat mehr oder weniger eine ähnlich klingende Leidensgeschichte zu erzählen: zu viel Konkurrenz, zu hohe Spritpreise, anstrengende Arbeitszeiten im Schichtdienst, Rückenprobleme, Staus, und so weiter.

Uber-Fahrerin in Boston. © NDR/ARD Foto: Torsten Lapp
Fahren für Uber: selbständig und flexibel.

Da hat es mich dann doch überrascht, dass ausgerechnet der Verband der Taxiunternehmen sich nun als Kreuzritter für Arbeitnehmerschutz und faire Arbeitsbedingungen geriert - und gegen den Konkurrenten Uber vorgeht. Letzteres ist verständlich, aber mit der Begründung hapert es beim näheren Hinsehen doch recht deutlich.

 

 

Monopole müssen fallen

Denn den Unternehmern geht es nicht vorrangig um das Wohlergehen ihrer Fahrer, sondern um den Schutz ihres Monopols. Warum Monopole aber selten etwas Gutes haben, braucht man nicht lange zu erklären. Hätten wir noch Handwerksgilden, würden wir wahrscheinlich auch noch in Hütten leben. Denn nichts beendete die Herrschaft der "Baumeister" des Mittelalters, deren Dienste für die Allgemeinheit unbezahlbar waren, so nachhaltig wie der technische Fortschritt.

Ubers Erfolg wird zu Nachbesserungen führen

Logo des Taxi-Dienstes Uber. © NDR/ARD
Gewinnt keine Freundlichkeitswettbewerbe: Der Fahrdienst Uber.

Nun also Taxis: Zweifelsohne ist Uber-Chef Travis Kalanick alles andere als sympathisch. Der Mann befindet sich nach eigenem Bekunden in einem "Krieg mit einem Arschloch namens Taxi". Uber kassiert 20 Prozent Provision von seinen Fahrern. 40 Millarden US-Dollar soll die Firma mittlerweile an Investorenkapital eingesammelt haben - und kümmert sich nicht weiter um die Regeln und Auflagen des Transportgewerbes. Man sei ja nur Vermittler.

Doch Sicherheitsprobleme werden für Uber über kurz oder lang zu einem riesigen Problem. Als ein Uber-Fahrer Ende 2013 in San Francisco ein kleines Mädchen überfuhr, kam die Firma wochenlang nicht aus den Schlagzeilen - obwohl sie bis heute behauptet, der Fahrer sei nicht durch die auf seinem Smartphone laufende Uber-App abgelenkt gewesen.

Uber, aber auch andere Share Economy Modelle wie Airbnb (zur Wohnungsvermietung) oder Taskrabbit (für Gelegenheitsjobs) haben hier alle dasselbe Problem: Niemand möchte seinen Wohnungsschlüssel, sein Haustier, seine Kinder einem unzuverlässigen oder gar kriminellen Menschen in die Hand drücken. Niemand möchte einen Fahrer, der abgelenkt und übermüdet ist. Niemand möchte gefährdet werden. Es liegt daher im ureigenen Interesse dieser Firmen, einen sicheren Marktplatz zu schaffen - nicht zuletzt aufgrund horrender Schadensersatzsummen in den USA.

Share Economy besetzt Lücken

Doch die Vorteile der Share Economy liegen auf der Hand: Sie ermöglicht flexibles Arbeiten und deckt Verfügbarkeitslücken: Wer bislang nicht sein eigener Taxiunternehmer war, musste fahren, wann der Chef wollte - ob die Zeiten lukrativ waren, zu den Kitaöffnungszeiten passten oder nicht. Das wird sich ändern. Und wer kleine Gelegenheitstätigkeiten wie Haustiersitten über das Netz gegen Geld anbietet, zerstört nicht Nachbarschaftshilfe, Gemeinschaftsgefühl und Selbstlosigkeit - sondern besetzt exakt die Lücke dort, wo diese eben nicht existieren.

Wer drei Wochen in den Urlaub fährt, hat nun einmal häufig Schwierigkeiten, Freunde zu finden, die sich jeden Tag um die hungrige Miezekatze kümmern wollen. Eine beschämende Anzahl ausgesetzter Haustiere zur Urlaubszeit zeugt seit Jahrzehnten davon. Wie gut, das es nun verlässliche Katzensitter im Internet gibt. Hoffentlich kann die Share Economy so für weniger Tierleid sorgen.

Mehr Wohnraum muss gebaut werden

Touristen in Berlin. © NDR/ARD
Übernachtet wird so oder so - die Frage ist nur wo.

Gleiches gilt für Airbnb: Diese Plattform entzieht dem Wohnungsmarkt in Großstädten angeblich dringend benötigten Wohnraum. In Wahrheit hängt die Anzahl der Übernachtungen jedoch nicht von Airbnb & Co. ab, sondern davon, wie beliebt eine Stadt als Reiseziel, als Messe- und Veranstaltungsort ist. Ob die Leute in Privatwohnungen oder Hotels schlafen, ist sekundär, der Kuchen wird nur anders verteilt. Und hier schreit die Hotelbranche natürlich auf. Eine Branche wohlgemerkt, die in den letzten Jahren wegen FDP-Steuergeschenken und der miesen Behandlung von Zimmermädchen immer wieder im Fokus stand.

Wer die Wohnungsnot in Großstädten bekämpfen will, muss die Angebotsseite verbessern - und schlichtweg Wohnungen bauen. Dass klamme Kommunen wie Berlin stattdessen lieber Nebenkriegsschauplätze eröffnen, verwundert nicht, ist aber populistisches Blendwerk. Ich gehe jede Wette ein: Mit wohlfeilen Gesetzen gegen den angeblich wohnraumvernichtenden Ferienwohnungswahn wird man dem Wohnraumproblem nicht Herr - Airbnb hin, Hotelketten her.

Der Charme der meist grau in grau gehaltenen Bettenburgen der großen Hotelketten erschließt sich mir jedenfalls nicht. Was wäre denn städtebaulich so schlimm, wenn an deren Stelle langfristig neuer Wohnraum entstünde - und Übernachtungen vornehmlich in Ferienwohnungen stattfänden? Zum finanziellen Wohl von Privatleuten anstatt zum Wohle von Paris Hilton?

Technischen Fortschritt nutzen statt bekämpfen

Womit wir bei der Zukunft wären: Wie also wollen wir leben und arbeiten? Und welchen Beitrag kann und wird die Share Economy leisten? Ja, die Arbeitswelt wird immer flexibler und schnelllebiger werden - und die Konkurrenz für alle Jobs, die auch von Mumbai aus erledigt werden können, entsprechend größer. Ich kann die große Besorgnis um einen völlig entgrenzten, globalen Tagelöhnermarkt daher zwar nachvollziehen, teile aber nicht den mitschwingenden Pessimismus düsterer Zukunftsprognosen.

Staaten und Politik sind sich der Problematik durchaus bewusst. Sigmar Gabriel zum Beispiel signalisiert, dass er Grenzen setzen will und wird. Investoren wie Peter Thiel mögen glauben, dass sie Welt und Zukunft allein gestalten. Diese Allmachtsfantasie sei ihnen gegönnt - mit der Realität hat sie nicht viel zu tun. Die Chance aber, die der Ökonom Jeremy Rifkin beschreibt, nämlich, dass wir weniger Ressourcen verbrauchen - und diese mithilfe neuer Technik besser nutzen, besteht trotzdem. Und da die technische Entwicklung ohnehin nicht aufzuhalten ist, sollten wir sie nutzen.

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